Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

Weiter ist in Ihrer Begründung zu lesen – ich sehe, getroffene Hunde bellen –: finanzielle Sogwirkung, die Migrationsströme nach Deutschland führt. – Haben Sie einmal überlegt, wie es Menschen geht, die jetzt in Aleppo sind? Ich möchte noch nicht einmal das Wort „wohnen“ nennen. Haben Sie es ignoriert, dass es auf der Welt auch Länder gibt, in denen wir nicht so leben können, wie wir es hier tun? Das haben Sie anscheinend nicht.

Ich glaube nicht, dass jemand seine Heimat verlässt, weil er darauf hofft, hier in Deutschland Geld zu bekommen. Natürlich bekommen die Menschen, die hier auch anerkannt werden, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das ist auch ganz klar.

Ich war vor ein paar Wochen in einer Familie. Die Frau und die Kinder waren bis vor drei Wochen in Aleppo. Was erzählen Sie denn solchen Familien? Haben Sie überhaupt einmal mit jemandem gesprochen, der von dort gekommen ist? Ich glaube nicht. Wenn ich Ihre Anfrage lese und höre, was Herr Joa eben gesagt hat, geht es in eine ganz andere Richtung. Es geht überhaupt nicht darum zu wissen, wie hier die Situation ist, sondern darum, Angst zu machen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer: So ist es!)

Sie unterstellen uns, dass wir keine Zahlen haben. Die Antworten sind nicht zufriedenstellend. Die Antworten, die in der Großen Anfrage gegeben wurden, gefallen Ihnen vielleicht nicht. Meinen Sie denn, die Anfrage wurde nicht richtig beantwortet? Das kann man doch gar nicht unterstellen. Es wurde verwiesen, dass manche Zahlen nicht beantwortbar und lieferbar sind.

(Zurufe von der AfD)

Dann ist es eben so. Das kann keiner ändern. Die Behörden haben auch ihre Zahlen, die sie erheben. Es gibt eben nicht jede Zahl. Es muss auch hier nicht jeder angeben, welcher Religion er angehört.

Sie haben Risiken wie soziale Verwerfungen genannt. Heute Morgen fiel der Begriff „Asylaktivisten“. Erzählen Sie das einmal den vielen Menschen in Rheinland-Pfalz, die sich bereit gemacht haben, in Ihrer Freizeit den Menschen zu helfen, die hierher gekommen sind. Es ist unglaublich, von sozialen Verwerfungen zu reden. Ich sehe nirgendwo soziale Verwerfungen, sondern dass wir in Rheinland-Pfalz Willkommenskultur für diejenigen leben, die hier angekommen sind. Das ist auch gut so.

Hat man die Menschen jemals gefragt, ob wir hier Flüchtlinge aufnehmen? Hat man die Menschen gefragt, denen in ihrer Heimat Unrecht geschieht? Hat man die Menschen gefragt, ob sie von solchen Machthabern geführt werden? Das hat man die Menschen dort auch nicht gefragt. Es geht doch keiner freiwillig.

Sie haben aus einem Papier in der Großen Anfrage – aus dem haben Sie gar nicht so viel erzählt – Vorschläge gemacht: Wege aus der Asylkrise. Die Themen „Abschiebung“ und „Rückführung“ sind sicherlich Themen der Migrationspolitik.

Natürlich gibt es Menschen, die nicht in Rheinland-Pfalz bleiben können; das ist auch klar,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es! Und wir führen zurück! Wir schieben ab!)

die keinen Asylgrund haben. Sie werden zurückgeführt und auch abgeschoben. Das ist aber doch sicherlich nicht das Ganze unserer Probleme. Wir haben noch große Herausforderungen. Heute Morgen wurde es schon einmal deutlich. Das BAMF ist noch ein riesiges Thema.

Natürlich würden viele Landrätinnen und Landräte die Menschen, die nicht hierbleiben können, zurückführen. Wir haben aber immer noch keine Rücknahmeabkommen. Ich glaube, ich rede schon zum zehnten Mal zu diesem Thema. Es gibt Heimatländer, die keine Pässe haben. Wenn ich mir eine Behörde anschaue, mit der wir konstruktiv zusammenarbeiten sollen und die jetzt noch einmal 100.000 Asylbescheide überprüfen muss, ist das keine Behörde, mit der wir in Zukunft zusammenarbeiten können, wenn es dort so weitergeht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Natürlich geht es uns allen darum – das brauchen Sie nicht zu unterstellen –, dass Recht und Gesetz eingehalten werden. Sie dürfen aber auch nicht ignorieren, dass die Menschen jetzt bei uns sind. Sie leben neben uns im gleichen Ort.

Es gibt auch Menschen, die nicht nur Hilfe auf Zeit brauchen, sondern die auf längere Zeit hierbleiben werden, weil ihr Land leider nicht in einer Woche befriedet sein wird. Für diese Menschen brauchen wir Angebote. Es ist auch ein Thema, mit dem wir uns als Ampelregierung beschäftigen,

wie wir die Menschen frühzeitig integrieren können.

Von daher würde ich Sie bitten, dafür Vorschläge zu machen. Das scheint aber nicht in Ihrem Interesse zu sein.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Paul das Wort.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Er hat getippte Texte für eine spontane Kurzintervention!)

Liebe Frau Kollegin Rauschkolb! Tatsächlich gibt es auf der Welt viele Kriegsgebiete. Sie haben mit Aleppo ein Kriegsgebiet angesprochen. Ja, die Menschen dort leiden unter Krieg. Das stimmt.

Tatsache ist aber auch, dass unsere Republik nicht alle Menschen aufnehmen kann, die vom Krieg betroffen sind. Das geht einfach nicht. Hier sind Besinnungsethik und Verantwortungsethik nicht übereinzubringen. Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass das auch für unser Land ein riesiges Problem ist.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Oh je!)

Wir können nicht den Anspruch haben, alle Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen und unter Waffengewalt leiden, in Deutschland aufzunehmen und versorgen zu lassen. Dabei hat auch unsere Bevölkerung ein Wörtchen mitzureden. Ich glaube, damit müssen wir uns auch mit dem gesunden Menschenverstand einmal auseinandersetzen.

(Beifall der AfD – Zurufe der Abg. Alexander Schweitzer, SPD, und Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Punkt 2: Sie erzählen immer von Syrern. Es ist richtig, dass viele Menschen aus Syrien in Deutschland Asyl beantragen oder geschützt werden wollen. Das ist richtig. Tatsache ist aber auch, dass nur ein ganz geringer Teil und nicht der Großteil der Asylsuchenden Syrer sind. Es sind sehr viele Menschen, die vorgeben, aus Syrien zu kommen, weil es de facto kaum nachprüfbar ist. Das haben wir oft mitbekommen.

Es sind Araber aus anderen Staaten. Es sind Maghrebiner. Es sind Menschen aus dem Nahen Osten. Es sind Menschen aus Ex-Jugoslawien usw. und so fort.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Das sind einfach Wirtschaftsflüchtlinge. Sie können nicht immer auf syrische Biografien verweisen. Diese gibt es, aber wenn Sie immer dazu anhalten, das Problem diffe

renziert zu betrachten, dann müssen Sie genau das vergegenwärtigen.

Wir haben Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen, aus wirtschaftlichen Gründen, hier Fuß fassen wollen. Dazu müssen wir einfach sagen, diese Menschen können nicht Asylberechtigte sein. Wir müssen ihnen das Asyl verwehren, weil es nach Recht und Gesetz geht und nicht nach Ihrer Gutmenschenideologie. Das muss man auch einmal feststellen.

(Beifall der AfD)

Wir sind für ein Asylrecht, das dem Grundgedanken der Väter und Mütter des Grundgesetzes entspricht. Das bedeutet, dass wir sagen müssen, nur wirklich und tatsächlich nachweisbar Verfolgte haben Anrecht auf Asyl. Sie haben einfach die Grenzen geöffnet oder haben dem zugestimmt und kommen jetzt mit der Bearbeitung dieses Asylproblems. Sie bekommen es nicht mehr in den Griff. Unsere Gesellschaft wird darunter noch Jahre und Jahrzehnte zu leiden haben.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung darf ich Frau Rauschkolb das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Paul, ich habe das nicht so gesagt. Flüchtlinge sind ganz und gar keine homogene Gruppe. Ich möchte aber, dass es alle Parteien hier so sehen – weil manche gern verallgemeinern – und wir es alle so sehen und feststellen können, dass es sehr heterogen ist.

Ich habe auch gesagt, es gibt Menschen, die nach einem Asylverfahren, nach einer Prüfung keinen Grund haben, hierbleiben können,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

weil sie keinen Asylgrund haben.

(Zurufe von der AfD)

Das gibt es. Es ist doch auch mir klar, dass es diese Menschen gibt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Hört doch einfach zu!)

Die Menschen werden zurückgeführt, oder sie werden abgeschoben, wenn dies so möglich ist.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So passiert es!)

Wir sind erfolgreich mit unserer Rückführungspolitik.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr erfolgreich sogar!)

Es sagt auch keiner, dass wir alle aufnehmen. Ich finde es aber schlimm, was Sie immer skizzieren, und dass Sie versuchen, Angst zu machen. Wenn Sie einmal vor Ort in einen Sprachkurs gehen und sehen, dass es Menschen gibt, die hierbleiben möchten und alles dafür tun, um hier Fuß zu fassen, dann denken Sie vielleicht auch anders, als Sie im Moment denken.