Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Das heißt: Welche Perspektiven können wir heute aus dem politischen Raum heraus entwickeln, die Sinn machen? – Das ist einmal natürlich, bei den wissenschaftlichen Gutachten auf einer Aktualisierung, auf einem Update, zu bestehen, damit das Gefährdungspotenzial neu bewertet werden kann. Ich bin froh, dass unsere Umweltministerin bei der letzten Umweltministerkonferenz – auch das wurde angesprochen – im Mai einen Initiativantrag von RheinlandPfalz mit genau dieser Stoßrichtung eingebracht hat zu sagen, wir erwarten von der Bundesregierung, dass wir dort neuere Gutachten und eine neuere Bewertung bekommen, weil dort auch die Fachexpertise beim Bundesumweltamt sitzt. Es wurde auch schon gesagt, das sollte bis Ende 2018 vorliegen, damit wir dann auf der Grundlage hier neu diskutieren können, was inhaltlich an der einen oder anderen Schlussfolgerung gezogen werden kann vor dem Hintergrund der Grundproblematik, dass es sich hier

immer um Notfälle handelt und man da natürlich nur einen eng begrenzten Spielraum hat, um überhaupt etwas zu tun.

Deswegen ist für mich heute auch eine wichtigere Erkenntnis, dass das Ablassen dieses Kerosins noch einmal deutlich macht, dass diese Umweltbelastungen sehr vielfältig sind, sie oft unsichtbar daherkommen und das Kerosin nur beispielhaft für viele andere, weitere Umweltbelastungen steht, die wir hier haben. Ich möchte nur an die Stickoxidbelastungen in unseren Städten denken, ob nun Koblenz, Mainz oder auch Ludwigshafen. Überall reißen wir die EUGrenzwerte in diesen Bereichen in diesen Städten. Das sind Belastungen, die tagtäglich auf die Bürgerinnen und Bürger einwirken, die europaweit betrachtet auch immer wieder zu hohen Todeszahlen führen. Wir haben es also mit vielfältigen Umweltbelastungen zu tun.

Ich könnte auch die Nitratbelastung in unserem Grundwasserkörper benennen. Auch hier stehen wir vor großen Herausforderungen, zum Teil auch wieder in die Sanierung zu gehen. Dazu brauchen wir intensive Messnetze und Betreuungen. Wir haben das Themenfeld „Mikroplastik“ natürlich – ein ganz junges und neues Themenfeld – in den Flüssen und Gewässern. Da wissen wir noch nicht genau, wie wir das erfassen können und welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, damit wir nicht letztlich als Endlager Mensch auch von diesen Umweltbelastungen mit betroffen sind.

Last but not least möchte ich auch auf die Pestizidbelastungen – wenn ich an die Landwirtschaft denke, Stichwort „Glyphosat“ – aufmerksam machen. Man kann jetzt geteilter Meinung sein, wie gefährlich oder ungefährlich das ist, aber Fakt ist einfach, letztlich landet auch dieser Wirkstoff im menschlichen Körpfer. Auch das ist über viele Gutachten inzwischen belegt und dokumentiert. Worauf ich hinaus will, eine wichtige Erkenntnis auch aus der heutigen Debatte ist, wir brauchen eine schlagkräftige Umweltverwaltung, die auch in Zeiten der Schuldenbremse gut aufgestellt ist, damit nicht, wenn das Kind dann später in den Brunnen gefallen ist, die Bürgerinnen und Bürger zu Recht sagen: Wir haben doch bestimmte Standards, die eingehalten werden sollen. Die müssen natürlich belegt sein.

(Glocke der Präsidentin)

Die müssen auch gesichert sein, und sie müssen zur Not dann auch korrigiert werden. – Vor diesem Hintergrund war es eine gute Debatte heute. Ich hoffe, wir ziehen die richtigen Schlüsse daraus.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wissing.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Landtag befasst sich aus aktuellem Anlass mit einem Thema mit möglicher Relevanz für die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz. Vor einigen Wochen, am 15. Mai, hat der Pilot einer kanadischen Zivilmaschine 54 Tonnen Kerosin über der Westpfalz abgelassen, weil die Boeing wegen eines Hydraulikschadens zurück nach Frankfurt fliegen musste. Wie wir aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag – Drucksache 18/9917 – aus dem Jahr 2016 wissen, wurden in den vergangenen Jahren von zivilen und militärischen Luftfahrzeugen große Mengen an Kerosin über Rheinland-Pfalz abgelassen. Die Summierung derartiger Vorfälle ist besorgniserregend und gibt Anlass zu weiteren Untersuchungen und Bewertungen auf Basis neuester Erkenntnisse.

Die Landesregierung hatte die Bundesregierung daher um eine Stellungnahme zu den Vorfällen gebeten. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat der Landesregierung im Hinblick auf das betroffene Gebiet Pfalz mitgeteilt, dass die Angabe des betroffenen Gebiets Pfalz in der Antwort auf die Kleine Anfrage, in der für den Bereich des militärischen Luftverkehrs ein erheblicher Treibstoffablass von 34,5 Tonnen im Jahr 2013 genannt worden war, nur als grobe geografische Zuordnung für statistische Zwecke diene.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ja, die sind wieder ganz nah dran!)

Es sei zu beachten, dass ein Treibstoffschnellablass nicht punktuell stattfinde, sondern Luftfahrzeuge – sofern erforderlich – Treibstoff in einem großflächigen Gebiet ablassen. Aufgrund der weiträumigen Flugbewegungen der Luftfahrzeuge während eines Treibstoffschnellablasses könne sich die Angabe „Gebiet Pfalz“ unter Umständen auf das Gebiet südwestlich von Mainz bis Frankreich, das Saarland und die Eifel beziehen.

Für Luftfahrzeuge, die sich in einer Notlage befinden und Treibstoff ablassen müssen, erfülle jedes nahe gelegene Gebiet mit einer eher geringen Besiedlung und einer niedrigen Flugverkehrsdichte die Voraussetzungen, als Gebiet für Treibstoffschnellablässe zugewiesen werden zu können.

Lassen Sie mich als Verkehrsminister kurz die Rechtslage aufzeigen. Die Landesregierung hat keine Kompetenzen hinsichtlich der Verfahrensweise und der Praxis beim Ablassen von Treibstoff über Rheinland-Pfalz. Eine Verpflichtung der zuständigen Behörden, die Landesregierung über das Ablassen von Treibstoff durch zivile und militärische Luftfahrzeuge zu unterrichten, besteht ebenfalls nicht. Der Landesregierung liegen daher über das Ablassen von Treibstoff durch in Notlagen geratene zivile Luftfahrtzeuge über unserem Land und durch das Ablassen von Kerosin durch militärische Luftfahrzeuge über die Angaben der Bundesregierung im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage hinaus keinerlei eigene Erkenntnisse vor. Meine Damen und Herren, dieser Zustand ist nicht akzeptabel.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

Im Interesse der Bewohner dieses Bundeslandes ist dringend Aufklärung über die gesundheitliche Gefährdung des sogenannten „fuel dumping“ geboten. Flugbenzin enthält neben verschiedenen Kohlenwasserstoffen auch Benzol und Aditive. Obwohl die im Rahmen der rheinland-pfälzischen Luftqualitätsüberwachung an insgesamt 20 Messpunkten durchgeführten Messungen von Benzol – unter anderem auch im Pfälzerwald – bislang keine Überschreitungen des EU-Luftqualitätsgrenzwerts aufweisen, forderte Toxikologe Bernd Kaina von der Universität Mainz Benzolmessungen, um Gefährdungen für die Bevölkerung auszuschließen.

Die Bundesregierung bezieht sich in ihrer Antwort auf eine Anfrage aus dem Bundestag auf ein 20 Jahre altes Gutachten des TÜV Rheinland. Wir halten auch das für nicht hinnehmbar. Vor diesem Hintergrund hat die Umweltministerkonferenz auf Anregung der rheinland-pfälzischen Umweltministerin, meiner Kollegin Höfken, Anfang Mai ein neues Gutachten zu diesem Thema angefordert. Das Gutachten soll aktuelle Daten liefern, damit eine bessere wissenschaftliche Grundlage für Untersuchungen und Bewertungen möglicher gesundheitlicher Risiken für die Bevölkerung vorliegt.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung alles in ihrer Kraft Stehende veranlassen wird, um hier für Klarheit zu sorgen.

Herr Kollege, Sie haben den Vorschlag gemacht, wir sollen das dokumentieren, wie viel genau abgelassen wird. Das ist uns aufgrund der rechtlichen Situation nicht möglich. Wir haben keine Informationen. Es gibt nichts, was wir dokumentieren könnten, aber wir haben im Interesse der Bevölkerung unseres Bundeslandes einen Auskunftsanspruch. Wir wollen Klarheit über die gesundheitlichen Risiken. Wir wollen auch Klarheit über die Mengen, die abgelassen werden. Selbstverständlich wird die Landesregierung den Landtag gern unterrichten, sobald eine Rückäußerung der Bundesregierung vorliegt, meine Damen und Herren.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schweitzer.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte noch einmal die Gelegenheit ergreifen, darauf hinzuweisen, dass ich zunächst einmal sehr froh darüber bin, dass wir bei einem solchen Thema doch eine übergreifende Wahrnehmung haben, dass sich das nicht einfach von allein erledigt, sondern es einer erhöhten und auch höheren Aufmerksamkeit der Politik auf allen Ebenen bedarf.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass der Begriff der Pfalz zumindest aus Sicht der Luftverkehrswirtschaft sehr, sehr weit gedehnt ist, also auch Bereiche der Nachbarregionen umfasst, dass wir in Rheinland-Pfalz aber eine große Betroffenheit haben entlang der militärischen Flughäfen. Ich nenne Spangdahlem in der Eifel, ich nenne

Ramstein, ich nenne aber natürlich auch die in unseren Nachbarregionen befindlichen großen Zivilflughäfen, natürlich Frankfurt am Main. Wer von uns kann heute wissen, ob es nicht auch bei dem starken Flughafen in Stuttgart Auswirkungen bis hin auf die südpfälzische und pfälzische Region gibt?

Die Frage, wer etwas weiß, ist für mich die treibende Frage in dieser ganzen Debatte. Ich finde, das ist genau der Punkt, an dem wir besser werden müssen, auch mit Blick auf die Verantwortung auf Bundesebene.

Liebe Frau Kollegin Ganster, Sie haben darauf hingewiesen, es gibt das Bundesumweltministerium, der Sitz einer sozialdemokratischen Ministerin. Das ist völlig richtig. Ich will jetzt gar nicht damit kontern, im Bundesverkehrsministerium sitzt jemand von der CSU. Das ist gar nicht mein Spiel. Wissen Sie, worum es mir geht? Mir geht es darum, dass wir nicht mehr in den Regionen unterwegs sind und nicht wissen, was über unseren Köpfen passiert.

(Abg. Martin Haller, SPD: So ist es!)

Dort müssen wir besser werden. Wir brauchen verlässliche Informationen. Ich bin froh, dass ein Gutachten in Aussicht gestellt ist. 2018 ist avisiert. Ich habe nichts dagegen, wenn es früher kommt und uns womöglich sogar schon in diesem Jahr erreicht.

Wir als SPD-Fraktion haben uns vorgenommen, an diesem Thema dranzubleiben und für eine verstärkte Information zu sorgen. Wir werden das Thema in die Ausschüsse tragen. Wir werden als Fraktion eine Anhörung zu diesem Thema machen. Das wird noch ein bisschen dauern, weil wir uns gut darauf vorbereiten wollen. Wir werden die Betroffenen aus den Gebieten in Rheinland-Pfalz dazu einladen, auch die Bürgerinitiativen. Wir wollen, dass dieses Thema stärker in die Aufmerksamkeit der allgemeinen Öffentlichkeit kommt.

(Glocke der Präsidentin)

Dies ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass sich etwas zum Besseren wendet.

Frau Ganster, Sie haben die Frage der Alternative gestellt. Ich kann sie Ihnen heute nicht beantworten, aber wissen Sie, zu dieser Frage hätten wir wahrscheinlich bei den Bereichen Kfz, Nutzfahrzeuge, Zug und Lärmemission wahrscheinlich vor zehn Jahren auch schon gehört: Wo ist die Alternative? – Heute kennen wir Alternativen, weil der Druck erhöht wurde und sich dann technologische Entwicklungen hin zu Alternativen entwickelt haben.

(Glocke der Präsidentin)

Warum sollte es hier anders sein? Wir wollen auch diesen Druck erhöhen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Billen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schweitzer, wir helfen gern in der Bundesregierung, dass es ein Gutachten gibt, gar keine Frage. Wir helfen auch gern, wenn Sie sagen, der Bundesverkehrsminister muss auch noch ein bisschen helfen. Dann werden wir gern helfen, mit ihm zu reden.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist gut!)

Die entscheidende Frage haben Sie aber in den ersten fünf Minuten Ihrer Rede ein Stück weit ausgeklammert. Ich bin Herrn Kollegen Hartloff zuerst einmal dankbar, nein, Hartenfels – – –

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Dem Kollegen Hartloff können Sie auch dankbar sein!)

Ja, den gibt es auch, aber er hat nicht geredet. Ihm werde ich vielleicht auch gleich dankbar sein, wenn er nickt.

Ich bin ihm dankbar, dass er den Begriff „Pfalz“ ein bisschen ausgeweitet hat. Es ist doch gar keine Frage: Wenn Sie in Frankfurt landen und eine Ehrenrunde drehen müssen, dann drehen Sie diese ohne Probleme weit über Bitburg hinaus bis an die belgische Grenze. Insofern ist das auch bei Notablässen, für die es im Moment keine technische Alternative gibt, genauso.

Die entscheidende Frage ist: Wie hoch sind sie? Verdampft es, oder kommt es am Boden an? Nach dem Gutachten, das es gibt, verdampft es. Es kommt nichts am Boden an. Sie haben aber recht, wir wollen wissen, ob am Boden etwas ankommt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Wir wollen auch wissen, was noch in der Luft bleibt. Auch das wäre nicht ganz unwichtig.

Wobei wir immer wieder sagen müssen, das liegt ganz klar in der Bundeszuständigkeit. Herr Dr. Wissing, Sie haben recht, wenn der Bund keine Auskunft gibt, müssen wir ihn dazu zwingen, dass er uns Auskunft gibt.

(Vereinzelt Beifall bei CDU, SPD, AfD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)