Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

(Beifall der AfD)

Wenn wir schon in den sauren Apfel beißen und diese supranationale Gängelung hinnehmen müssen,

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

dann fordern wir Gerechtigkeit. Der deutsche Autofahrer darf nicht durch Maut und Kfz-Steuer und Mineralölsteuer und Ökosteuer und was weiß ich noch für Steuern und Abgaben mehrfach belastet und somit gegenüber anderen Autofahrern benachteiligt werden.

(Beifall der AfD – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Die zweitbeste Lösung wäre eine Verständigung auf die niedrigste Streckenmaut Europas bei gleichzeitiger völliger Streichung aller deutschen diskriminierenden Sondersteuern auf Kraftfahrzeuge und Benzinverbrennung.

(Heiterkeit der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Verkehrsminister, verehrte Mitglieder der Landesregierung, die AfD-Fraktion erwartet maximalen Widerstand gegen die Mehrfachbelastung des deutschen Autofahrers.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Kollegin Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der FDP dankbar für Ihre Aktuelle Debatte „EU-Kommission fordert europaweit einheitliches Pkw-Mautsystem: Gemeinsam in Europa oder deutscher Sonderweg?“;

(Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU)

denn tatsächlich haben wir hier schon öfter über die „Do

brindt’sche Murks-Maut“ gesprochen. Die neue Entwicklung ist allerdings, dass die EU jetzt auch einen eigenen Vorschlag gemacht hat.

Ich will das Fazit direkt vorwegnehmen: Brüssel schlägt ein Mautmodell vor, dass an den CO2-Ausstoß und die Entfernung gekoppelt ist und somit nicht mit deutschen Mautplänen vereinbar ist; denn das Mobilitätspaket, das die EU-Kommission am 31. Mai vorgestellt hat, enthält als ein Element die Organisation der Straßenmaut. Die Straßenmaut der EU soll nach gefahrenen Kilometern statt pauschal für einen Zeitraum bezahlt werden. Das ist der Knackpunkt. Die „Dobrindt-Maut“ arbeitet mit einem Zeitvignettensystem. Genau das soll nach EU-Plänen nicht die Grundlage sein. Das heißt, falls die unselige „DobrindtMaut“ nicht durch eine neue Bundesregierung wieder abgeschafft wird, dann wird die „Murks-Maus“, „Murks-Maut“ – – –

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP)

Ja, grau wie der Straßenbelag.

Dann wird die „Murks-Maut“ unter großem und auch finanziellen Aufwand eingeführt, und praktisch gleichzeitig wird ihr Abgesang schon angestimmt. Man kann in dem Moment, in dem man sie einführt, quasi mit der Abwicklung beginnen.

Wenn das Mautsystem in der EU einheitlich sein soll, richtet sich dieser Ansatz eindeutig gegen die geplante „Dobrindt-Maut“ in Deutschland, und es ist schon aberwitzig, dass Herr Dobrindt dem auch noch zugestimmt hat; denn die Bedingung der EU war: Die Zustimmung zu einer EU-weiten Maut, wenn Deutschland einen Sonderweg gehen will. – Dies beweist einmal mehr, dass es der CSU mit der Maut, die kein vernünftig Denkender und kein Ökonom will – auch nicht wirklich der Rest der Großen Koalition –, keineswegs um eine ökologisch sinnvolle Steuerungsmöglichkeit ging, sondern einzig um das populistische Versprechen, den deutschen Autofahrer zu schonen.

Die „Dobrindt-Maut“ ist allerdings, so wie sie gestrickt ist, eine Abzocke des deutschen Steuerzahlers. Die Maut an sich, die Vorschläge der EU sind durchaus ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, nämlich dass die CO2Emissionen, also auch der Kohlendioxidausstoß, reduziert werden. Das ist an sich eine richtige Idee, aber einen Pferdefuß hat auch das EU-Modell. Die Maut soll nämlich von den Ländern freiwillig mit Gebühren eingeführt werden, und das heißt, es wird in Europa einen neuen Flickenteppich geben. Auch für Lkw und andere Nutzfahrzeuge sollen die neuen Regeln schon ab 2023 gelten. Das befürworten wir absolut; denn man muss sehen, dass die Lkw, die Laster, nur 5 % aller Fahrzeuge ausmachen, aber sie verursachen 30 % aller Treibhausgase des Straßenverkehrs.

Noch ein Punkt: Die Erhebung der Lkw-Maut soll auch freiwillig sein, obwohl bisher nur 1 % der Straßen, aber 100 % des Schienennetzes bemautet sind, Stichwort „Trassenpreise“. Auch die ausgeklügelste Straßenmaut kann diese Ungerechtigkeit nicht aufheben.

Die Maut wird auch eines nicht lösen: Während in privaten

Haushalten, in der Industrie und bei der Energiegewinnung die Emissionen sinken, steigt der Schadstoffausstoß im Verkehr. In Deutschland gehen fast 20 % aller Treibhausgasemissionen vom Verkehrssektor aus. In unseren Städten sind es zum Teil sogar 70 %. Das wird auch durch eine Maut nicht wirklich beendet.

Die Maut, auch die ausstoß- und entfernungsabhängige, ist nur eine Krücke. Da kann es sogar noch passieren, dass der Vielfahrer im dicken Spritschlucker nachher noch meint, er tue etwas besonders Gutes für die Umwelt, wenn er möglichst viel fährt und möglichst hohe Mautbeiträge zahlt. Deshalb ist es richtig, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung zum einen die „Dobrindt-Maut“ abgelehnt hat, und deshalb ist es zum anderen auch richtig, dass die Landesregierung mit dem Ausbau der Schieneninfrastruktur, der Radwege und auch der Infrastruktur, was E-Mobilität angeht, einen zukunftsfähigen Weg eingeschlagen hat.

(Glocke der Präsidentin)

Ich glaube, auch diesen Weg müssen wir weitergehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Dr. Wissing.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor drei Monaten hat die Bundesregierung das Infrastrukturabgabengesetz beschlossen, das zur Einführung einer Maut in Deutschland führen soll.

Danach hat die rheinland-pfälzische Landesregierung im Bundesrat den Widerstand der Länder mit Grenzen zu anderen europäischen Mitgliedstaaten gegen dieses Gesetz organisiert;

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

denn was wir brauchen, ist eine zeitgemäße, zukunftsorientierte, nutzerbasierte und europaweit funktionierende Verkehrsfinanzierung. Meine Damen und Herren, diese Maut ist das genaue Gegenteil davon.

(Beifall der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Zunächst einmal läuft sie dem Ziel eines weiter zusammenwachsenden Europas entgegen, und sie errichtet wieder Schlagbäume an innereuropäischen Grenzen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es offen gesagt für die Landesregierung eines

Bundeslandes, das sich als europäisches Bundesland begreift, geradezu unerträglich, dass so etwas im politischen Sprachgebrauch auch noch als Ausländermaut bezeichnet und auch noch offen gesagt wird, dass sich diese Maut gegen unsere europäischen Nachbarn richtet. Ich finde das unerträglich, meine Damen und Herren.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Maut schadet der Wirtschaft in unseren Grenzregionen, insbesondere dem Einzelhandel und dem Gastgewerbe, weil Kundschaft aus Nachbarländern, die keinen Eintritt zahlen wollen, ausbleiben wird. Am besten wäre es gewesen, wenn der Bundestag dieses Gesetz niemals beschlossen hätte.

Inzwischen gibt es eine neue Entwicklung auf europäischer Ebene. Insofern beantwortet sich die Frage von Herrn Kollegen Baldauf, weshalb diese Thematik wieder aktuell ist. Die Europäische Kommission hat nämlich am 31. Mai ein Maßnahmenpaket „Europa in Bewegung“ vorgelegt. Sie will damit Mobilität und Verkehr in Europa modernisieren. Insbesondere enthält das Paket in einem Richtlinienvorschlag die längst überfälligen Spielregeln für ein europaweites Mautsystem.

Schon auf den ersten Blick erkennt man, der Vorschlag ist das glatte Gegenteil von dem, was der Bundestag als deutsche Infrastrukturabgabe beschlossen hat. Vielmehr umfasst er genau das, was die rheinland-pfälzische Landesregierung am 31. März in der entscheidenden Bundesratssitzung zum Infrastrukturabgabengesetz gefordert hat, nämlich ein elektronisches fahrleistungsabhängiges und grenzüberschreitend funktionierendes System für alle mautpflichtigen Verkehre.

Zwar fällt die Entscheidung, ob Gebühren erhoben werden, weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Sollten sich die Mitgliedstaaten aber hierfür entscheiden, schlägt die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag vor, dass für alle Kategorien von Fahrzeugen bestimmte Regeln eingehalten werden. Im Zentrum steht dabei, dass die Gebühren – egal ob sie für Pkw, Nutzfahrzeuge, Anhänger oder Krafträder anfallen sollen – anhand der zurückgelegten Entfernung und nicht, wie bei der deutschen Infrastrukturabgabe, zeitabhängig, also sozusagen als Flatrate für zehn Tage, zwei Monate oder ein Jahr ermittelt werden.

Welche Auswirkungen hätte dies auf Rheinland-Pfalz und seine Grenzregionen? Nehmen wir das Beispiel einer Fahrt von Luxemburg nach Trier. Das wären rund 15 km im deutschen Straßennetz. Die Zehn-Tages-Vignette der deutschen Maut würde dafür je nach Fahrzeug bis zu 25 Euro kosten. Bei der von der EU-Kommission vorgeschlagenen entfernungsabhängigen Lösung wären bei einem realistischen Kilometeransatz für Pkw von 3 Cent lediglich 45 Cent für eine Fahrt, also 90 Cent für Hin- und Rückfahrt zu entrichten. Das würde niemanden davon abhalten, hierher zum Einkaufen zu kommen, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich noch eines erwähnen: Wir hatten vor wenigen Tagen in Rheinland-Pfalz den ersten Digitalgipfel der Bundesregierung. Wir sollten die Möglichkeiten der digitalen Welt auch nutzen, um intelligente, maßgenaue

Lösungen umzusetzen. Es ist für mich wirklich unverständlich, weshalb man dann über das Knie gebrochen eine analoge, anachronistische und dann auch noch antieuropäische Maut in Deutschland einführen will.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Das war wie damals mit der Hotelsteuer!)

Hinzu kommt, dass es bei dem EU-Vorschlag keinen administrativen Aufwand mehr gibt; denn man darf davon ausgehen, dass jeder Pkw ohnehin mit einem sogenannten Onboard-Gerät ausgerüstet wird, welches die Maut automatisch ermittelt und abrechnet.

Festzuhalten ist also: Mit einer Pkw-Maut auf der Basis des Vorschlags der EU-Kommission könnten die drohenden Nachteile für die Wirtschaft in grenznahen Regionen, wie bei uns in Rheinland-Pfalz, abgewendet werden. Deshalb hat die Landesregierung im zweiten Durchgang zum Infrastrukturabgabengesetz am 31. März gefordert, allein den Ansatz weiterzuverfolgen, den die Europäische Kommission jetzt vorgesehen hat.

Festhalten ist auch: Die Pkw-Maut nach deutschem Muster wird frühestens im Jahr 2019 kommen. Wenn man sich in Erinnerung ruft, damals bei der Lkw-Maut gab es eine zweijährige Verzögerung. Also kann es bei der Pkw-Maut auch 2020 oder noch später werden.