Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der immer älter werdenden Bevölkerung nimmt verständlich die Bedeutung der Betreuung immer mehr zu. Sowohl die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer – überwiegend wird ehrenamtlich betreut – als auch die Berufsbetreuerinnen und -betreuer leisten eine unverzichtbare Arbeit für unsere Gesellschaft. Deswegen setzen wir uns gerade dafür ein, dass nicht nur eine isolierte Anpassung der Vergütung erfolgt, sondern wir die Debatte unter Berücksichtigung des gesamten Systems und der Struktur der Betreuung auf Basis der im Spätherbst vorliegenden Erkenntnisse führen.

Im Zusammenhang mit dieser umfassenden Betrachtung erfolgt die Debatte darüber, was eine auskömmliche Vergütung von Berufsbetreuerinnen und -betreuern sein kann. Ihr Antrag ist leider ein Schnellschuss. Er ist sehr durchsichtig. Er wird dem tatsächlichen Hintergrund und der Bedeutung nicht gerecht. Deswegen wird meine Fraktion ihn ablehnen und unserem Alternativantrag zustimmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der FDP)

Bevor ich Herrn Minister Mertin für die Landesregierung das Wort erteile, will ich noch Gäste auf unserer Besucher

tribüne willkommen heißen, und zwar Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen des Büros „Rechtliche Betreuung und soziale Beratung“ in Zellertal. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Nun spricht Herr Minister Mertin für die Landesregierung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Erhöhung der Vergütung für Berufsbetreuer im Rahmen der rechtlichen Betreuung hat in den letzten Wochen und Monaten auch viele öffentliche Diskussionen nach sich gezogen. Ich möchte deshalb zu Anfang darauf hinweisen, dass rund die Hälfte der Betreuungen von ehrenamtlichen Betreuern durchgeführt wird. Auch sie verdienen rechtliche Anerkennung und Würdigung. Das möchte ich für die Landesregierung hier tun.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der AfD)

Herr Abgeordneter Henter, es ist zutreffend, dass die Betreuungsvereine im Zusammenhang mit den Betreuungen einen wichtigen Beitrag leisten. Aber die von Ihnen aufgestellte Behauptung, die Betreuungsvergütung, die im Rahmen der Betreuung eines Einzelfalles gezahlt wird, diene dazu, die Querschnittsaufgabe der Betreuungsvereine zu finanzieren, ist nicht zutreffend. Die Betreuungsvereine erhalten dafür aus dem Topf des Sozialministeriums eine Vergütung, die dazu dient, die Querschnittaufgabe zu bezahlen.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Die Betreuervergütung, die wir für den Einzelfall einer Betreuung bezahlen, dient nicht dazu, die Querschnittsaufgabe zu finanzieren. Deswegen ist dieses Argument an dieser Stelle sachlich nicht richtig.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Bernhard Henter, CDU)

Aus der Tatsache, dass die Länder es nun von der Tagesordnung im Bundesrat genommen haben, können Sie ersehen, dass es unter den Ländern nicht strittig ist, dass es Anpassungen geben muss. Die Frage ist nur, wann und auf welcher Grundlage. Da gibt es zugegebenermaßen unterschiedliche Auffassungen, und zwar zwischen den Ländern – parteiübergreifend sind die Länder einer Meinung – und dem Bundestag. Das muss man einfach konstatieren. Das ist in der Demokratie nicht völlig unüblich.

Ich will nur darauf hinweisen, dass im Jahr 2005 – das war in meiner ersten Amtszeit als Minister – das jetzige Vergütungssystem eingeführt worden ist. Soweit ich mich erinnere, war es eine Erhöhung zwischen 14 % und 38 %, die wir damals beschlossen haben. Es ist damals allen Ländern parteiübergreifend schwergefallen, diesem Kompromiss zuzustimmen. Es ist aber nur geschehen, weil damit natürlich auch für die nächsten Jahre die Erhöhung

sozusagen mit beschlossen wurde.

Es ist nicht zutreffend, dass nicht de facto eine Erhöhung stattgefunden hat. Sie haben es selbst dargelegt. In diesem festgelegten Satz ist die damals zu zahlende Mehrwertsteuer mit kalkuliert worden. Wenn danach entschieden wird, dass keine Mehrwertsteuer zu zahlen ist – Herr Abgeordneter Henter –, ist das faktisch eine Erhöhung, weil die wirtschaftliche Mächtigkeit des Stundensatzes eine andere ist. Sie haben es natürlich gesagt, aber deswegen können Sie nicht sagen, seitdem wäre es nicht erhöht worden.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Es ist seitdem erhöht worden.

Vor diesem Hintergrund halten es die Länder für vertretbar, die zwei schon erwähnten Gutachten abzuwarten, um die sich daraus ergebenden Strukturreformen mit der Erhöhung der Vergütung zu kombinieren. Nur das ist sachdienlich. Es ist dargelegt worden, dass wir unter Umständen das jetzige Vergütungssystem auf völlig neue Beine stellen. Da macht es wenig Sinn, einige Monate vorher die Vergütung isoliert zu erhöhen und danach eine großartige Strukturreform zu machen. Das wollen die Länder nicht, sondern sie wollen beides gemeinsam entscheiden. Wir werden es unverzüglich tun, sobald diese Gutachten vorliegen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Ich darf fragen, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. – Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/3990 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU und der AfD abgelehnt.

Wer dem Alternativantrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4201 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Die AfD stimmt nicht mit?

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ablehnung!)

Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU und der AfD angenommen.

Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:

Energiewende in Rheinland-Pfalz – Sachstand und Herausforderungen

Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksachen 17/3089/3425/4102 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich bitte um Wortmeldungen. – Herr Abgeordneter Hartenfels von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! 2011 haben wir uns sehr ambitionierte Ziele bezogen auf die Klimapolitik und die Energiewende in Rheinland-Pfalz gesteckt. Diese Ziele haben wir 2016 mit der Ampelkoalition fortgeschrieben und weiterentwickelt.

Das haben wir vor dem Hintergrund getan, weil wir das Pariser Klimaschutzabkommen ernst nehmen, den Vertrag umsetzen wollen und in Rheinland-Pfalz unseren Anteil dazu leisten wollen. Wir wollen in Rheinland-Pfalz auch die Grundlagen dafür schaffen, dass wir uns bundesweit von Atom und Kohle verabschieden können, um ein Fundament dafür zu haben, in die erneuerbaren Energien einsteigen zu können.

Interessanterweise – da lohnt ein Blick in die Große Anfrage sowie die Ergebnisse und Zahlen – haben wir diese ambitionierten Ziele mit Vehemenz erreichen können. Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele präsentieren.

Der Anteil der erneuerbaren Energien ist bei der Stromerzeugung in Rheinland-Pfalz vom Jahr 2011 bis heute von knapp 30 % auf fast 50 % angestiegen. Das heißt, wir sind im Vergleich der Binnenländer in einem Spitzenbereich unterwegs. Wir sind weit vor Bayern und Baden-Württemberg. Wir können behaupten, wir sind überdurchschnittlich gut im Bereich Umsetzung der Energiewende. Das bestätigen die Zahlen im Wind- und Solarbereich.

Im Windbereich ist es uns gelungen, vom Jahr 2011 her kommend mit 2,2 Milliarden Kilowattstunden dies auf 5 Milliarden Kilowattstunden mehr als zu verdoppeln heute. Das haben wir, nebenbei gesagt, mit nur knapp 40 % mehr Anlagen erreicht. Da sieht man die erfolgreiche Lernkurve, die allein in den letzten vier bis fünf Jahren stattgefunden hat. Mit viel weniger Anlagen können wir in RheinlandPfalz deutlich mehr Strom erzeugen.

Bei der Photovoltaik sieht es ähnlich gut aus. Hier kommen wir im Jahr 2011 von 900 Millionen Kilowattstunden und sind jetzt bei 1,6/1,7 Milliarden Kilowattstunden. Das ist auch hier fast eine Verdoppelung der Leistung. Das bedeutet, dass inzwischen fast 90.000 Bürgerinnen und Bürger oder Gewerbetreibende in Rheinland-Pfalz über Photovoltaikanlagen im Freiland oder auf ihren Dächern verfügen. Das bedeutet eine Umverteilung von oben nach unten. Das wollen wir mit der Energiewende auch betreiben. Wir wollen nicht, dass wenige große Energiekonzerne die großen Gewinne bei der Energiewende einfahren, sondern wir wollen, dass die Wertschöpfung im Land Rheinland-Pfalz ankommt.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Abg. Michael Frisch, AfD: Bei Hartz-IV-Empfängern, die hohe Strompreise zahlen müssen!)

Neben dem Klimaschutz geht es uns natürlich auch um die Wertschöpfung. Wir wollen die Wertschöpfung im Land Rheinland-Pfalz generieren.

Ich möchte in Erinnerung rufen. 3,5 Milliarden Euro sind 2015 für die fossilen Energieträger aus dem Land Rheinland-Pfalz abgeflossen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass wir diese Wertschöpfung nicht selbst im Land generieren.

Es ist interessant, sich eine weitere Zahl aus der Großen Anfrage anzuschauen. Wir haben den Anteil des selbst erzeugten Stroms in Rheinland-Pfalz deutlich steigern können. Bei der Jahrtausendwende waren wir noch bei gut 20 %. Jetzt sind wir bei über 60 % selbst erzeugtem Strom in Rheinland-Pfalz. Das bedeutet ganz konkret, dass wir jetzt schon erhebliche Wertschöpfungspotenziale in Rheinland-Pfalz generiert haben. Ich möchte das auf den Landkreis Rhein-Hunsrück herunterbrechen, weil da konkrete Zahlen vorliegen. Wir haben 1,3 Milliarden Euro Investition im Bereich der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2015 allein im Landkreis generieren können.

(Zuruf der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD)

Dazu kommt eine jährliche Wertschöpfung von über 40 Millionen Euro allein über Pachteinnahmen, Grundsteuer, den Betrieb und die Wartung der Anlagen. Also kommen noch einmal über 40 Millionen Euro hinzu, die die Kommunen zum Beispiel für Infrastrukturmaßnahmen, bildungsoder sozialpolitische Maßnahmen einsetzen können. Das sind genau diese Kreisläufe, die für uns ganz wichtig sind. Wir sagen, wir wollen Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz. Wir wollen Innovation im Land Rheinland-Pfalz. Wir wollen die Wertschöpfung für die Bürgerinnen und Bürger und für die Kommunen generieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Neben dieser Erfolgsgeschichte im Bereich des Ausbaus der erneuerbaren Energien möchte ich noch kurz auf die Herausforderungen eingehen. Auch das können Sie der Großen Anfrage entnehmen. Es geht darum, Sektorenkopplung zu betreiben, also die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr miteinander zu verbinden, um nicht nur in allen Bereichen auf eine CO2-Emission von null zu kommen, sondern um heute schon die Frage nach den Speichern beantworten zu können. Wir können sie heute schon beantworten. Das möchte ich kurz im Bereich der Gaserzeugung deutlich machen.

50.000 Kilometer Hochdruckgasleitungen haben wir in Deutschland, 500.000 Kilometer Verteilnetze. Jeder zweite Haushalt ist im Gasbereich angeschlossen. Wir verfügen im Gasbereich schon heute über ein Speichervolumen in einer Größenordnung, mit der wir die Energieversorgung für drei Monate in den Zeiten der sogenannten Dunkelflaute sicherstellen können.

(Glocke des Präsidenten)

Aber dem Schreckgespenst, das vor allen Dingen von der AfD, aber zum Teil auch leider von der CDU an die Wand geworfen wird, wir wären nicht in der Lage, die Energieerzeugung zu 100 % zur Verfügung zu stellen, können wir heute schon entgegentreten. Auch deswegen ist die Sektorenkopplung so wichtig: Strom, Wärme und Verkehr.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schneider von der Fraktion der CDU.