Protokoll der Sitzung vom 25.10.2017

Nun sind wieder einmal die Spätfolgen zu besichtigen. Die Ergebnisse der IQB-Studie liegen uns schwarz auf weiß vor. Dabei wurden in dieser Studie die Masseneinwanderungen von 2015/2016 zum größten Teil überhaupt noch nicht berücksichtigt.

Es ist weiter zu befürchten, dass die gewünschte Frühdigitalisierung an den Grundschulen die Probleme insbesondere in der Kategorie Zuhören künftig noch verstärken wird. Ein großer Teil der rheinland-pfälzischen Grundschüler beherrscht in der vierten Klasse die wesentlichen Kulturtechniken nicht oder nicht ausreichend.

Die Situation ist dramatisch. Fast ein Viertel unserer Viertklässler verfehlt bei der Rechtschreibung den Mindeststandard. Sie können also nicht einmal mehr Wörter wie Mond, Mama und Milch alphabetisch ordnen, wohlgemerkt, in der vierten Klasse. Man fühlt sich in die Zeit der Alphabetisierungskampagnen im Brasilien der 1960er-Jahre zurückversetzt.

(Beifall bei der AfD – Unruhe bei der SPD)

Doch, so ist es. Die stetige Verschlechterung der Rechtschreibung ist also keineswegs ein Mythos, wie Sie im Bildungsausschuss immer wieder verlauten lassen, Frau Brück. Sie ist bittere Realität, der wir uns nun stellen müssen, sehr richtig, Frau Ministerin Hubig, ohne Denkverbote: Es ist höchste Zeit.

Jeder weiß, nach wie vor sind Sprachweite und gute Rechtschreibung im Bewerbungsverfahren mittelständischer Unternehmen regelrechte K.-o.-Kriterien. Von ihnen hängt der berufliche Erfolg ab.

Angesichts des Abschneidens unserer Schüler drängen sich Fragen auf. War es richtig, 2008 die Diktate in der Grundschule im Grunde abzuschaffen und durch Lückentexte zu ersetzen?

(Zurufe von der SPD)

Wird ein Rahmenplan Grundschule der aktuellen Lage noch gerecht, in dem es lediglich heißt, der lehrerzentrierte Unterricht habe nach wie vor seinen Platz? Wie gnädig. Gerade jetzt müssten unsere Lehrer das Heft des Handelns doch beherzt in ihre Hände nehmen und viel stärker im Unterrichtsgeschehen präsent sein. Sie müssten jetzt im Zentrum einer Bildungsoffensive stehen. Stattdessen haben wir einen Rahmenplan, der verquaste und zugleich verräterische Vorgaben wie die eigenaktive Regelbildung der Schüler macht, also erst einmal den „Zwerk“ mit k durchgehen lassen.

Ich zitiere weiter: Erste schriftliche Ausdrucksformen respektieren und dann behutsam zur Norm übergehen. – Es ist schließlich erst einmal egal. Das passt schon. Man lässt unsere Kinder also erst einmal im Ungewissen. Wer aber unter dem Lob des Lehrers den Zahnarzt gleich ein Dutzend Mal zum „Zanaz“ verhunzen durfte, hat es später schwer.

(Heiterkeit bei der AfD)

Offen gesagt, für derlei weltfremde Mätzchen fehlt uns nun die Zeit. Die entsprechenden Ergebnisse sind dramatisch.

(Beifall der AfD)

Reinhard Schwab vom Hessischen Philologenverband sagt: Lässt man in den ersten beiden Grundschuljahren

Kinder schreiben, wie sie sprechen, und korrigiert nicht, besteht die Gefahr, dass sie sich im Rahmen dieser Schreibanarchie Wörter falsch einprägen. (... ) Kinder sollten von Anfang an die richtige Rechtschreibung lernen und regelgetreues Schreiben einüben. – Unsere Kinder brauchen gerade jetzt klare Regeln und Struktur. Üben, üben, üben, das ist das Gebot der Stunde.

(Beifall der AfD)

Dieser Rahmenplan ist stellenweise grotesk, zu Teilen ein Zeugnis linker Bildungsesoterik. Er ist aus der Zeit gefallen, bildungspolitisches Altpapier.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Es muss gefragt werden, warum die Landesregierung das restlos gescheiterte Schreiben nach Gehör nicht einfach aus unseren Schulen verbannt. Ob Englisch oder Französisch, kein Mensch würde auf die Idee kommen, Fremdsprachen nach dieser Methode zu erlernen.

Hamburg und Baden-Württemberg haben bereits Konsequenzen gezogen. Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen wollen nachziehen. Bemerkenswert ist, in Hamburg und Nordrhein-Westfalen zählt die FDP zu den schärfsten Kritikern des Schreibens nach Gehör. Ganz anders in Rheinland-Pfalz, hier lässt sie sich zum Leidwesen unserer Schüler immer wieder für linke Bildungspolitik einspannen.

(Beifall der AfD – Zurufe von der FDP: Oh!)

Ja, es ist so. Dabei wäre es doch die Rolle einer bürgerlichen Kraft, die längst erforderliche Wende anzustoßen. Keine Denkverbote, genau das ist richtig, Frau Ministerin Hubig. Wir nehmen Sie beim Wort. In unserem Antrag, über den wir morgen beraten werden, haben wir eine Reihe konstruktiver Vorschläge gemacht. Unser Rat: Überlasten Sie die Grundschulen nicht. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche, ab jetzt volle Konzentration auf die Rechtschreibung.

(Beifall der AfD)

Führen Sie einen verbindlichen Grundwortschatz von 1.200 Wörtern ein. Dieser kommt den Kindern nämlich auch in allen anderen Fächern zugute und bildet eine Grundlage für das Erlernen von Fremdsprachen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Teilnehmer des Tagesseminars für Volontäre des Trierischen Volksfreundes und Mitglieder des SPD-Ortsvereins Hackenheim bei Bad Kreuznach. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die IQBBildungstrends liegen uns seit dem 13. Oktober vor, also erst wenige Tage. Wir hatten Zeit, uns mit den wichtigsten Elementen dieser Studie zu beschäftigen.

Ich möchte einen Punkt ganz besonders herausgreifen, der als signifikant bezeichnet wird. Dabei geht es um das Zuhören. Als ich das zum ersten Mal hörte, fragte ich mich: Was muss man leisten, um Zuhören überhaupt messen zu können? Welche Analyse steckt dahinter? Wer liest vor? Wo sitzt der Zuhörende? Wie ist der Weg vom Hören zum Zuhören, zum Verstehen?

Die Frage vom Sender zum Empfänger hat mich wirklich umgetrieben. Ich dachte an die Zeit, als es in Schulen noch Nacherzählungen gab. Damals gab es ein Gerangel, wo der Schüler sitzt. Sitzt er ganz vorne, versteht er den Lehrer besser. Wie artikuliert der Lehrer überhaupt? Hat der, der weiter hinten sitzt, schlechtere Chancen beim Zuhören?

Mittlerweile haben wir seit ein oder zwei Jahren im Abitur die sogenannten Listening Comprehensions. Das heißt, über Technik wird Zuhören auch vermittelt bzw. geschult. Hier gleicht die Technik unter Umständen Defizite aus, die beim Zuhören in der herkömmlichen Form überhaupt nicht gegeben sind. Sitzt der Zuhörende am Fenster? Hat er einen lauten Nachbarn? Wie laut spricht der Lehrer? Das sind alles Fragen, die nicht nach der Methode fragen, die dieser Studie zugrunde liegt.

Genau das ist es, was wir im Bildungsausschuss aufgreifen wollen. Dort waren wir uns gestern einig. Wir haben gesagt, wir wollen die Verfasserin dieser Studie in den Bildungsausschuss einladen und hören, welche Methode zugrunde gelegt wird, damit wir in Rheinland-Pfalz wissen, was hier beim Zuhören signifikant falsch ist. Wie wurde das überhaupt ermittelt?

Ich darf noch hinzufügen, ich habe einmal nachgeschaut, wie Zuhören überhaupt definiert wird: etwas akustisch wahrnehmen, hinhörend folgen, mit Aufmerksamkeit hören. – Wie wird diese Aufmerksamkeit umgesetzt? Wird sie verschriftlicht? Der Zuhörende muss dann irgendetwas schreiben, dann wird eine Schreibkompetenz abverlangt. Oder, andersherum gefragt: Wird derjenige, der zuhört, gefragt, was er gehört hat? Dann wird eine Redekompetenz, eine Kommunikationskompetenz, abgefragt. Es sind also sehr unterschiedliche Kompetenzen. Das erschließt sich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Deshalb bin ich froh, wenn wir die Expertin bei uns im Bildungsausschuss haben. Eine Analyse der Studie scheint mir dringend vonnöten.

Das Ministerium greift die Notwendigkeiten der Verbesserungen auf. Das wurde auch gestern deutlich. Es wird Fachgespräche sowie Weiterbildungen von Lehrerinnen und Lehrern geben, aber auch die Eltern- und Lehrerverbände werden hinzugezogen. Wer jetzt allerdings glaubt, die Lösung der genannten Probleme der letzten 20 Jahre, die geschildert wurden – es hat sich angeblich aufgebaut –, wären zu lösen, indem man den Frontalunterricht wieder einführt, hat keine Ahnung von Pädagogik.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Uwe Junge und Dr. Jan Bollinger, AfD)

Frontalunterricht ist wichtig und richtig,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Aha!)

aber er ist nur ein Teil der pädagogischen Wirklichkeit. Es geht nicht darum, ihn völlig zu verbannen. Das ist der Punkt dabei.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch etwas muss ganz deutlich gesagt werden: Grundschulen in Rheinland-Pfalz haben bundesweit die kleinsten Klassen und damit gute Grundlagen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler.

(Zuruf der Abg. Simone Huth-Haage, CDU)

Ich zitiere die Ministerin, die gestern im Ausschuss sagte: Wir können nicht zufrieden sein. – Deshalb wird der Vertretungspool aufgestockt werden. Es werden zeitnah Gespräche geführt werden. Um positiv zu enden, im Kompetenzbereich Lesen zahlt sich die langjährige Leseförderung im Land aus.

(Glocke des Präsidenten)

Das Ministerium hat die Botschaft verstanden. Es bleibt zum Schluss die Frage, ob das Thema nicht weit über die Schulen hinausgeht, Stichwort Familien und Gesellschaft.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Köbler das Wort.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Herr Köbler sagt jetzt, welche Botschaft verstanden wurde!)

Wir werden es erfahren.