Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf beabsichtigen die Regierungsparteien, die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen umzusetzen und diesen eine Rechtsgrundlage zu geben. Es handelt sich vornehmlich um folgende Punkte:

Erstens, Schmerzensgeldansprüche von Beamten: Auf diesen Punkt werde ich später noch detailliert eingehen.

Zweitens, Pflegezeit und Familienpflegezeit: Mit diesen Regelungen soll ein Rechtsanspruch auf Pflegezeit und Familienpflegezeit für Landesbeamte und Richter geschaffen werden, die auch eine Beurlaubung und Teilzeitbeschäftigungen vorsehen. Damit soll eine Verbesserung der Rahmenbedingungen von Pflege und Beruf herbeigeführt werden. Zur Abmilderung der finanziellen Folgen wird zugleich ein Anspruch auf finanzielle Vorschussleistungen geregelt.

Landesbeamte sollen im gleichen Umfang die Fürsorge erhalten, wie sie bereits im Pflegezeitgesetz und im Fa

milienpflegezeitgesetz für Arbeitnehmer geregelt wurde. Durch diese Neuregelung erhalten Beamte die gleichen Rechte wie Arbeitnehmer. Deren Rechte zum Erhalt von Krankengeld bei Begleitung unheilbar Kranker wurden bereits im Sozialgesetzbuch V geregelt. Es handelt sich um sachgerechte Anpassungsregelungen, um den Landesbeamten und Richtern die gleichen Möglichkeiten wie den Angestellten im öffentlichen Dienst zu eröffnen. Diese Vorgehensweise ist prinzipiell sachgerecht, nicht zu beanstanden und findet unsere prinzipielle Zustimmung.

Drittens, Sterbebegleitung: Für den gleichen Personenkreis wird eine Regelung zur Sterbebegleitung von schwerstkranken Angehörigen durch Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung geschaffen. In diesen Fällen soll auch eine vollständige Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge möglich sein.

Viertens sollen im Weiteren eine Altersteilzeitregelung, ein Wahlrecht für nicht pädagogisches Personal an Schulen sowie weitere Modifikationen zum Landesbeamtenversorgungsgesetz und Bestimmungen zur Urlaubsregelung geschaffen werden.

Eine besondere Bedeutung hat für uns der nunmehr gesetzlich geregelte Anspruch von Schmerzensgeldansprüchen von Beamten und Richtern gegenüber ihrem Dienstherrn. Durch diese Regelung haben die bei Ausübung ihres Berufs verletzten Beamten und Richter die Möglichkeit, bereits titulierte Schmerzensgeldansprüche zu realisieren. Diese Regelung ist in sich schlüssig und ermöglicht denen, die bei Ausübung des Dienstes verletzt wurden, ihren uneinbringlichen Schmerzensgeldanspruch nunmehr zu realisieren.

Die Kosten zur Regulierung der Schmerzensgeldansprüche werden jährlich auf 32.000 Euro geschätzt. Zunächst stellt sich für uns die Frage: Ist dieser finanzielle Ansatz realistisch? – Allein beim Einsatz in Hamburg wurden ca. 30 Polizeibeamte aus unserem Land verletzt. Es ist uns klar, dass es nicht nicht in jedem Jahr zu solchen Ausschreitungen kommen muss, aber die Angriffe hauptsächlich auf Polizeibeamte nehmen zu, sodass davon ausgegangen werden kann, dass weitaus mehr Geld zur Auszahlung bereitgestellt werden muss.

Nach eigenen Erfahrungen und Gesprächen mit Polizeibeamten war es bislang so, dass Ansprüche oft erst gar nicht geltend gemacht wurden. Wenn abzusehen war, dass eine Klage wegen Zahlungsunfähigkeit des Beschuldigten erfolglos erscheint und zudem der dafür benötigte Rechtsweg vorerst aus eigener Tasche zu bezahlen ist, wurde oftmals von einer Klage abgesehen.

Problematisch für den Geschädigten ist, dass es zur Geltendmachung von Schmerzensgeld zunächst notwendig ist, dass die Geschädigten ihre Ansprüche selbstständig durchsetzen müssen. Das bedeutet, dass nicht unerheblicher persönlicher und finanzieller Aufwand betrieben werden muss, um einen Prozess zu führen. Dadurch wird zwar gewährleistet, dass kein Missbrauch dieser sehr guten Regelung erfolgt, und sichergestellt, dass die Forderung auf einer fundierten juristischen Grundlage beruht, dennoch ist es zunächst notwendig, dass der Geschädigte selbst finanzielle Aufwendungen vorzunehmen hat. Das sind bei

einem Schmerzensgeldanspruch von ca. 2.000 Euro ungefähr 750 Euro an Gerichts- und Anwaltskosten. Diese Kosten würden erst nach zwei Jahren ausgeglichen. Hier könnte man einmal darüber nachdenken, ob der Dienstherr nicht von Anfang an die Klage betreibt, bei Zahlungsunfähigkeit des Beschuldigten die Schmerzensgeldzahlung übernimmt und dann von Landesseite aus versucht, den Titel zu vollstrecken. Das wäre einmal ein deutliches Signal für unsere Beamten und Richter.

(Beifall der AfD)

Ein weiteres Problem in dieser Angelegenheit ist die Frage nach Schadenersatzansprüchen, die ein Beamter oder Richter gegen einen Beschuldigten hat, wenn Kleidung oder persönliche Gegenstände zu Schaden gekommen sind. Auch hier können durch Zahlungsunfähigkeit des Beschuldigten Defizite entstehen.

Ein weiterer Punkt, auf den in diesem Gesetz gar nicht eingegangen wird, ist die Frage, was mit den verletzten Beamten und Richtern ist, in deren Fällen kein Beschuldigter festgestellt werden konnte. Diese haben keine Möglichkeit, auf Schmerzensgeld zu klagen. Eine Entschädigung gibt es in diesen Fällen nicht.

Ebenfalls nicht angesprochen wird die Tatsache, dass dann, wenn ein zahlungsunfähiger Verurteilter einen körperlichen Schaden verursacht hat, den der Geschädigte für den Rest seines Lebens erlitten hat, dieser dadurch eventuell sogar aufgrund von Dienstunfähigkeit einen finanziellen Schaden zu tragen hat.

(Glocke der Präsidentin)

Die AfD-Fraktion wird das Gesetz wohlwollend begleiten, da es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. Ein Meilenstein in der Fürsorge für die Beamten und Richter ist es aber sicherlich nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Wir werden im Innenausschuss darüber diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Becker.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle und zu später Stunde beschäftigen wir uns mit dem Entwurf eines Landesgesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften. Meine Damen und Herren, das ist ein Gesetzentwurf, der eigentlich wichtiger ist, als der Titel und die Platzierung auf der Tagesordnung vermuten lassen, geht es hier doch um eine besondere Ausprägung der Fürsorgepflicht, die wir gegenüber unseren Beamtinnen und Beamten haben.

Genauso wie diese als Repräsentanten des Staats – in un

serem Fall des Landes –, für uns einstehen, ist es unsere Pflicht, auch für diese einzustehen, wenn sie zu Schaden kommen. Somit ist dieser Gesetzentwurf eine konsequente Ergänzung der weiteren Vorschriften, die wir im Bereich des Dienstunfallschutzes und des Rechtsschutzes für Landesbedienstete bereits haben.

Meine Damen und Herren, das nun ausklingende Jahr war geprägt von großen Einsätzen für unsere Polizei. Mit Schrecken denken wir an die Krawalle des G20-Gipfels zurück, bei dem eine nicht unerhebliche Zahl von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten verletzt wurde. Wir waren beruhigt, dass der Tag der Deutschen Einheit in Mainz ohne Zwischenfälle vorüberging und uns allen als gelungene weltoffene Veranstaltung in Erinnerung bleiben kann. Dafür mussten aber auch in unserer Landeshauptstadt über 7.000 Polizistinnen und Polizisten eingesetzt werden.

Daneben gab es eine große Vielzahl weiterer Einsätze wie Demonstrationslagen oder Fußballeinsätze, die den Alltag unserer Polizei prägen. Am meisten ist aber – das gerät leider oftmals ein wenig ins Abseits des öffentlichen Interesses – der polizeiliche Alltag davon geprägt, was unsere Polizistinnen und Polizisten der Schutz- und Kriminalpolizei im täglichen Dienst erfahren und erleben. Sie erfahren sowohl Licht als auch Schatten. Überwiegend werden sie als Freund und Helfer wahrgenommen, doch leider werden sie auch viel zu oft selbst zu Opfern rechtswidriger Angriffe. Meine Damen und Herren, genau in dieser Situation dürfen wir die Beamtinnen und Beamten nicht alleinlassen.

Wenn Beamte Opfer eines Angriffs werden – egal ob physisch oder verbal –, kann ihnen der Dienstherr bereits bei der Erlangung von Ansprüchen beistehen, indem er beispielsweise Rechtsschutz gewährt. Doch oftmals endet ein derartiges Verfahren damit, dass die Klägerin oder der Kläger zwar einen titulierten Anspruch erlangt, diesen jedoch mangels Vermögen auf der Beklagtenseite nicht vollstrecken lassen kann. So ist es eben nur konsequent, wenn wir denen, die uns schützen, auch Schutz angedeihen lassen und deren Ansprüche übernehmen.

Wir verbinden dies mit der Hoffnung, dass die Fälle der Übergriffe auf unsere Beamtinnen und Beamten abnehmen werden. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, nicht etwa deshalb, weil man nicht zahlen will.

Eine weitere Änderung, die wir heute besprechen, ist von ebenso hoher Bedeutung. Die Pflege von nahen Angehörigen – vom Staatssekretär wurde das ausgeführt – nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. In diesen besonders schwierigen Zeiten für die Familien gebieten es die Menschlichkeit und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, den Beamtinnen und Beamten nach Kräften beizustehen. Die Möglichkeit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist hier ein absolut probates Mittel und ein weiterer Baustein in den Bemühungen der Landesregierung, den Betroffenen in dieser Ausnahmesituation unter die Arme zu greifen. Insofern bedarf es aus meiner Sicht hierzu keiner weiteren Ausführungen. Wir begrüßen und unterstützen diesen Ansatz aus tiefster Überzeugung, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Kollege Dr. Braun.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich kann ich mich in vollem Umfang dem Statement von Frau Becker anschließen. Sie haben das alles inhaltlich vorgetragen und so bewertet, dass das kaum zu toppen ist, nämlich das es ein Herzensanliegen von uns allen ist, dieses Gesetz umzusetzen.

Manchmal hat man – das ist heute so – um 18:30 Uhr ein Gesetz auf der Tagesordnung, das vielen Menschen helfen kann, das zunächst einmal wenig Aufmerksamkeit erhält, das aber im Landtag, glaube ich, von allen begrüßt wird und in der Praxis den einzelnen Menschen hilft. Das wollen wir in der Politik erreichen. In dem Fall haben wir es geschafft, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, um den Beamtinnen und Beamten zu helfen, die sich in einer Notlage befinden, egal ob sie nun angegriffen wurden oder sich in einer unverschuldeten Notlage innerhalb der Familie befinden. All das ist praktische Hilfe, die wir leisten wollen und können. Ich möchte mich dafür herzlich bei denen bedanken, die das Gesetz gemacht haben und dann umsetzen werden, nämlich beim Innenministerium.

Wir haben es in unserer Koalition so vereinbart, dass wir das angehen wollen. Versprochen und jetzt gehalten! Es ist nicht nur so, dass Beamtinnen und Beamte über das Geld alimentiert werden. Das ist das eine. Es geht aber auch darum, dass der Arbeitgeber – in diesem Fall das Land – bzw. die Arbeitgeberin eine Fürsorge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Das ist hier jetzt vorbildlich umgesetzt. Man kann sich immer mehr wünschen, aber das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich glaube, wir können stolz sein, wenn wir das innerhalb der nächsten Jahre umgesetzt haben, weil viele schon sehr lange darauf warten, dass sie in dieser Richtung unterstützt werden. Es sind wirklich die, die unterstützt werden, die es dringend brauchen, ihren Einsatz für dieses Land geleistet haben und ihren Einsatz für ihre Familien leisten. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir dieses Gesetz gemeinsam voranbringen können.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und bei der SPD)

Damit ist die erste Beratung abgeschlossen. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/4747 – an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen. Besteht Einverständnis? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Die Sitzung ist beendet. Wir sehen uns morgen früh um 09:30 Uhr wieder.

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