Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

(Beifall im Haus)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Frisch von der Fraktion der AfD das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Großen Anfrage der SPD-Fraktion wurden mit bemerkenswerter Akribie 82 Fragen zusammengestellt, deren Beantwortung sich wie ein werbewirksames Handbuch des Familienministeriums liest. Man hat geradezu den Eindruck, die Fraktion habe einen Praktikanten damit beauftragt, einen umfassenden Überblick über alle familienpolitischen Aktivitäten in Rheinland-Pfalz zu erstellen, dessen Inhalte als gewünschte Antworten zu betrachten, um dann abschließend die passenden Fragen dazu zu formulieren.

(Beifall der AfD – Abg. Marco Weber, FDP: Unverschämt!)

Dass dies nicht unbedingt dem scharfen Instrument einer parlamentarischen Großen Anfrage gerecht wird, liegt auf der Hand. Kritische Fragen fehlen weitgehend. Das meiste bleibt an der Oberfläche oder verliert sich in wenig relevanten Details. Echten Erkenntniszuwachs bringen die Antworten – von einigen interessanten Statistiken abgesehen – nicht, und dieses Defizit wird auch nicht dadurch behoben, dass wir uns heute im Landtag damit befassen.

Zweifellos fördert die Anfrage vieles zu Tage, was an wertvoller Arbeit mit und für Familien in unserem Land geleistet wird. Ich denke etwa an die Frühen Hilfen oder das Mehrgenerationenwohnen, die Bildungs- und Beratungsangebote, die Familienzentren oder die zahlreichen Pflegestützpunkte. Aber die meisten dieser hilfreichen Initiativen gibt es schon lange. Zudem verdanken sie ihre Existenz weniger der Landesregierung als vielmehr dem großen, in der Regel ehrenamtlichen Engagement unzähliger Frauen und Männer.

(Beifall der AfD)

Ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt, auch wenn es dazu keiner Großen Anfrage bedurft hätte.

Immer dort, wo die Antworten über das Deskriptive hinausgehen, fordern sie Widerspruch heraus. So fügt sich der hier verwendete, völlig überdehnte Familienbegriff nahtlos in die Dekonstruktion des klassischen Familienbildes ein, die wir von der Landesregierung kennen.

Wenn Familie überall da ist, wo in den entsprechenden Bezügen familiäre Aufgaben übernommen werden, dann ist jede Kita, jede Schulklasse und jedes Seniorenheim eine Familie. Und wenn alles Familie ist, dann ist nichts mehr Familie, und dann fehlt auch der Gegenstand dessen,

was Artikel 6 Grundgesetz unter den besonderen Schutz des Staates stellt und deshalb eine gegenüber anderen Formen des menschlichen Zusammenlebens privilegierte Förderung verdient.

(Beifall der AfD)

Vor allem aber stellt sich die Frage, wie ernst es die Landesregierung mit Absichtserklärungen meint, die in direktem Widerspruch zu ihrem tatsächlichen Handeln stehen. So behauptet sie in ihrer Antwort, man wolle die Lebensbedingungen in den ländlichen Regionen weiter stärken und für eine familienfreundliche Infrastruktur sorgen. Gleichzeitig jedoch schließt die Landesregierung kleine Grundschulen und leistet damit einer weiteren Schwächung des ländlichen Raumes Vorschub.

Man berichtet stolz über die Investition von dreistelligen Millionenbeträgen in den Ausbau der außerfamiliären Kinderbetreuung und setzt sich für eine bedarfsgerechte Erweiterung von Kita-Öffnungszeiten ein. Man rühmt sich dafür, dass man in den vergangenen acht Jahren die Zahl der Ganztagesplätze verdoppelt hat, und spricht gleichzeitig vom Kindeswohl und davon, den Familien mehr Zeit füreinander zu ermöglichen. Wie das zusammengehen soll, bleibt ein Rätsel. Die Quadratur des Kreises ist dagegen ein Kinderspiel.

Die Landesregierung betont, Familien leisteten einen unschätzbar großen Beitrag für unsere Gesellschaft. Ihre Fürsorge für Kinder und pflegebedürftige Angehörige sei unverzichtbar für unser Gemeinwesen. Das stimmt, aber warum lehnt sie dann unseren Antrag auf ein Landeserziehungsgeld ab, das genau diese Leistungen endlich anerkennen und finanziell angemessen entschädigen würde?

(Abg. Martin Haller, SPD: Weil es grottenschlecht ist!)

Warum hat sie sich in der Vergangenheit auf Bundesebene der Einführung einer Mütterrente verweigert? Warum haben die Sozialdemokraten als langjähriger Teil der Bundesregierung nicht dafür gesorgt, dass die Erziehungsleistung von Eltern auch bei der Rente endlich eine gerechte Berücksichtigung erfährt? „Damit die Rente nicht klein ist, wenn die Kinder groß sind“ hieß es auf einem SPD-Plakat. Richtig, liebe Kollegen zu meiner Linken. Warum um alles in der Welt haben Sie aber in der Regierungsverantwortung nichts für das getan, was Sie hier vollmundig fordern?

(Beifall der AfD)

Weiter heißt es in der Antwort der Ministerin: „Die Förderung von Familien und die Verwirklichung familien- und kinderfreundlicher Lebensbedingungen ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung.“ Gut so, aber weshalb setzt sie dann ausschließlich auf eine doppelte Berufstätigkeit von Müttern und Vätern? Was tut die SPD bundespolitisch dagegen, dass Eltern heute oft zwei oder drei Jobs brauchen, um ihre Familie zu ernähren?

Stattdessen will die Landesregierung – ich zitiere – das Erwerbspotenzial von Männern und insbesondere von Frauen besser ausschöpfen. – Kinder möglichst früh und mög

lichst lange in die Kita, Eltern möglichst umfassend in die Produktion, das ist das Gegenteil einer familien- und kinderfreundlichen Politik. Das bedeutet zu Ende gedacht die totale Unterwerfung der Familie unter das Diktat einer globalisierten Arbeitswelt.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Große Anfrage enthält mehr Sonntagsreden und wohlfeile Lippenbekenntnisse als Hinweise auf eine gute und strategisch auf das Wohl der Familien ausgerichtete Politik. Aber auch hier gilt: An ihren Taten werdet ihr sie erkennen.

Niemand wird wohl ernsthaft behaupten, die Situation der Familien sei heute besser als früher. Trotz eines beispiellosen und teuren Netzwerks an Hilfs- und Unterstützungsangeboten leiden Familien in vielfacher Hinsicht Not. Nicht nur die rasant wachsenden Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe und der stetige Ausbau von Schulsozialarbeit und schulpsychologischen Diensten sind ein deutliches Indiz dafür. Das, was sich Familienpolitik nennt, kuriert an Symptomen, anstatt die eigentlichen Ursachen anzugehen, und trägt so mehr zur Schwächung als zur Stärkung von Familien bei.

(Beifall der AfD)

Auf Dauer wird der Staat jedoch überfordert, wenn er die Aufgaben der Familien sukzessive übernimmt und sie zunehmend entkernt.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wären wir in der Schule, müsste man die Große Anfrage und die Antwort darauf wie folgt bewerten: Reine Fleißarbeit, zu erheblichen Teilen von anderen erbracht, klammert wichtige Probleme aus und verbleibt weitgehend im Oberflächlichen, bietet keine wirklichen Lösungsansätze,

(Glocke des Präsidenten)

wird den aktuellen Herausforderungen in keiner Weise gerecht und genügt deshalb den gestellten Ansprüchen nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Weber von der Fraktion der FDP das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Die zu besprechende Große Anfrage beschäftigt sich mit der Situation der Familien in Rheinland-Pfalz. Hierzu muss man zunächst definieren, was man unter Familie versteht. Für uns Freie Demokraten ist der Begriff Familie vielfältig und weicht vom klassischen Mutter-Vater-Kind-Denken ab.

(Abg. Simone Huth-Haage, CDU: Bei allem anderen auch!)

Mit dem Wandel der gesellschaftlichen Realität hat sich auch der Familienbegriff gewandelt. Die Politik hat sich dem anzupassen. Man muss deutlich machen, die Politik muss sich der gesellschaftlichen Realität anpassen, und nicht umgekehrt.

Inzwischen sehen wir eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebens- und Partnerschaftsentwürfen in Deutschland und in Rheinland-Pfalz, nämlich neben den klassischen Familien auch zunehmend Patchwork- und Regenbogenfamilien, nicht eheliche Lebenspartnerschaften, aber auch Mehrkind-Familien und eine zunehmende Anzahl von Alleinerziehenden. All diesen verschiedenen Formen mit ihren individuellen Bedürfnissen wollen wir gleichwertig durch eine zielgerichtete Familienpolitik Perspektiven in Rheinland-Pfalz bieten. Mit den Partnern in der Ampelkoalition sind wir dabei in guter Gesellschaft.

Es darf in dem Zusammenhang nicht vergessen werden, dass sich Familienpolitik aus der Sicht vieler verschiedener Politikfelder zusammensetzt. In der Antwort auf die Große Anfrage wird ausführlich dargestellt, wie die Landesregierung ganzheitlich und ressortübergreifend Angebote sichert, fördert und bereitstellt, um Rheinland-Pfalz als familienfreundliches Bundesland zu erhalten. Ich möchte davon einige Punkte herausgreifen, die uns als FDP-Fraktion besonders wichtig sind.

Der Bereich der frühkindlichen und schulischen Bildung ist aus mehreren Gründen entscheidend. Zum einen leistet Bildung, die für alle zugänglich ist, einen entscheidenden Beitrag zur Chancengerechtigkeit für spätere Generationen. Dies wird in Rheinland-Pfalz beispielsweise durch die gebührenfreie Kita ab dem zweiten Lebensjahr gefördert. Zum anderen wird durch entsprechende Angebote der Kinderbetreuung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. Die Entscheidung für ein Kind darf nicht zum Karrierekiller oder gar zum Armutsrisiko werden. Gerade für Alleinerziehende gilt das verschärft. Deswegen unterstützen wir den stetigen und bedarfsgerechten Ausbau der Betreuungsinfrastruktur.

Auch Konzepte zur Beratung und Unterstützung von Familien von früh an und in den unterschiedlichsten Lebenslagen sind uns ein Anliegen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Dazu zählen unter anderem die Schwangeren- und Familienberatung sowie die Frühen Hilfen und Familienhebammen. Aber auch in prekären Lebenssituationen, beispielsweise finanzieller oder psychischer Natur, sind Hilfen durch ein breites Unterstützungsnetzwerk, das durch Landesmittel gefördert wird, gewährleistet.

Uns ist dabei ganz wichtig, dass sich die Angebote nicht nur auf die städtischen Ballungszentren beschränken. Gerade in einem Bundesland wie Rheinland-Pfalz gilt es zu beachten, dass der ländliche Raum nicht vergessen wird. Daher ist es das Ziel, Familienunterstützungsangebote flächendeckend und bedarfsgerecht bereitzustellen. Die Beantwortung der Großen Anfrage zeigt, dass dies in vielen Bereichen bereits erreicht ist und in anderen Bereichen intensiv angegangen wird.

Dennoch ruhen wir uns als Regierungskoalition nicht auf dem Erreichten aus. Deswegen haben wir beispielsweise im letzten Plenum den Antrag zur Stärkung der Jugendpolitik und Jugendarbeit oder genauso im Sommer dieses Jahres den Antrag zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut eingebracht und uns dabei von ausgewiesenen Experten begleiten lassen. Dies werden wir auch in Zukunft fortführen, um Rheinland-Pfalz als lebenswerten Standort für Familien zu erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Köbler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf aus der Antwort auf die Große Anfrage den Familienbegriff der Landesregierung zitieren: „Familie ist überall da, wo in verbindlichen, persönlichen Beziehungen Verantwortung füreinander übernommen wird (...).“ Ich finde, das ist ein sehr guter Familienbegriff, weil er es einfach trifft. Es kommt auf die verbindliche und persönliche Beziehung an, in der Verantwortung füreinander übernommen wird. Das ist genau der Familienbegriff des Grundgesetzes, den wir als Politik zu unterstützen und zu stärken haben.

Wir haben knapp 600.000 Familien in Rheinland-Pfalz. Ich finde, das ist von angesichts knapp 4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern eine stolze Zahl. Auch wenn diese Zahl im abgefragten Zeitraum leicht rückläufig ist, so ist doch zu sehen, dass die Geburtenrate in Rheinland-Pfalz – das ist schon angesprochen worden – wieder gestiegen ist und wir nach neuen Zahlen auch im Jahr 2016, zumindest was die Zahl der Entbindungen in Rheinland-Pfalz angeht, einen deutlichen Anstieg haben. Es kommen also wieder mehr Kinder auf die Welt. Die Familienministerin weiß, wovon ich spreche. Da gibt es eine kleine demografische Trendwende, die, glaube ich, nur zu begrüßen ist und uns noch einmal mahnt, dass das Thema Familie wirklich ganz oben auf die Tagesordnung gehört.

Es geht dabei eben nicht darum, Familienformen gegeneinander auszuspielen, sondern um eine moderne Familienpolitik. Es geht auch nicht darum, den Menschen ihr Leben oder ihre Art, Familie zu gestalten, in irgendeiner Form vorzuschreiben, sondern darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass Familien selbstbestimmt ihre Lebensentwürfe frei wählen können. Genau da muss man ansetzen.

Dazu gehört Selbstbestimmung und die Entscheidung über die Frage, wie und wo ich Kindererziehung mache. Dazu gehört aber auch, dass die Verwirklichung im Beruf und natürlich auch der materielle Lebensunterhalt abgesichert sind und es eben nicht sein kann, dass in einem reichen Land wie Deutschland nach wie vor Kinderkriegen das Armutsrisiko Nummer 1 ist.