Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

und hätten Sie sich von der AfD auch nicht billig bei anderen mit diesem Antrag bedient, sondern mit den Bedingungen in unseren Kommunen wirklich auseinandergesetzt. Dort und in unserer Landesregierung wird dem Thema mit der notwendigen Sensibilität und hoher Fachkompetenz begegnet.

Wenn nun aber die Debatte über den Antrag länger dauert als Ihre vorherige Beschäftigung mit der Antragstellung, dann zeigt sich auch, Sie sollten selbst sehen, Ihre Schlampigkeit wird einem Mandat nach meinen Maßstäben nicht gerecht. Mit Ihnen aber über Maßstab und Niveau zu diskutieren, ist eigentlich müßig.

(Zuruf des Abg. Damian Lohr, AfD – Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

Die Zeit nutzen wir besser und kümmern uns weiter um die Menschen. Wir lehnen Ihren Antrag daher natürlich ab.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Kessel von der Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Obdach- und Wohnungslosigkeit ist ein Thema von hoher sozialpolitischer Relevanz, das gerade im Hinblick auf immer knapper werdenden bezahlbaren Wohnraum besondere Aufmerksamkeit erfordert. In dem zu beratenden Antrag wird nicht zwischen Wohnungs- und Obdachlosigkeit unterschieden. Als wohnungslos gilt, wer nicht über mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügt oder Eigentümer einer Wohnung ist. Als obdachlos gilt, wer auf der Straße oder unter Brücken lebt.

Vor allem in den letzten Jahren hat sich die Wohnraumsituation durch den verstärkten Zuzug in die Ballungsräume und durch die Zuwanderung nach Deutschland deutlich verschärft. Bezahlbarer Wohnraum ist besonders in den Städten zur Mangelware geworden. Zusätzlich wird dieser Engpass noch dadurch verstärkt, dass Asylberechtigte und Flüchtlinge mit ihrer Anerkennung den Anspruch verlieren, von den Kommunen untergebracht zu werden und eigentlich aus ihren bisherigen Unterkünften ausziehen müssten.

Viele Kommunen gestehen wegen des fehlenden Wohnraumbestands den anerkannten Asylbewerbern jedoch den Status als von der Obdachlosigkeit bedroht zu sein zu, damit diese in den Kommunalunterkünften bleiben können und nicht obdachlos werden. Trotz der angespannten Wohnraumsituation besteht in Rheinland-Pfalz im Bereich der Obdachlosenunterbringung eine bedarfsdeckende Infrastruktur. Das verdanken wir vorrangig der großartigen

Arbeit der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und der Kommunen als örtlichen Trägern der Sozialhilfe.

(Beifall bei der CDU)

Dafür möchten wir allen Helferinnen und Helfern an dieser Stelle nochmals herzlich danken. Der Applaus kam etwas zu früh.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Öffnung von Flüchtlingsunterkünften für die temporäre Unterbringung von Obdachlosen betrifft, besteht nach Ansicht auch der kommunalen Spitzenverbände kein Handlungsbedarf. Wir brauchen zur Bewältigung der Obdachund Wohnungslosigkeit keine Experimente, sondern ganzheitliche und sachgerechte Lösungen. Dazu können der längere Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen bei Zugewanderten ohne Bleibeperspektive bis zur rechtskräftigen Entscheidung ihres Asylantrags, die Förderung des Neubaus von bezahlbarem Wohnraum oder auch die Wohnsitzauflage bei Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in den ersten drei Jahren nach ihrer Anerkennung gehören.

Der Antrag der AfD beseitigt in keiner Weise die Ursachen der Obdach- und Wohnungslosigkeit. Wir lehnen den Antrag ab, da er ausschließlich darauf abzielt, Obdachlose, Wohnungslose und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sehr gut!)

Gegen diese Zielsetzungen sprechen wir uns mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Karte kam leider zu spät. Sie muss während der Rede gezeigt werden.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sie haben es gesehen!)

Nun hat für die Landesregierung Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag zur temporären Unterbringung von Obdachlosen greift ein Thema auf, das in der Sache sehr wichtig ist und in der Tat, wie von meinen Vorrednern gesagt, sozialpolitisch eine sehr große Bedeutung hat, nämlich die Frage nach der ausreichenden und richtigen Versorgung von Wohnungslosen mit Wohnraum und geeigneten Unterstützungsangeboten. Leider aber geht die AfD dieser wichtigen sozialen Frage weder seriös noch

verantwortungsvoll nach.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die AfD verkürzt diese soziale Frage einzig und allein auf den Aspekt der Unterbringung. Sie unterstellt, die Versorgungssituation sei unzureichend und stellt noch die abenteuerlich anmutende Schlussfolgerung in den Raum, die Probleme obdachloser Menschen ließen sich doch einfach durch Zweckentfremdung von Flüchtlingsunterkünften lösen.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese verkürzte, unsachliche und stark vereinfachte Darstellung entlarvt doch, um was es Ihnen mit Ihrem Antrag geht, nämlich einzig und allein um die schnelle Schlagzeile.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich dagegen an Fakten orientieren und Folgendes klarstellen: Auch in den Wintermonaten gibt es in Rheinland-Pfalz eine ausreichende Versorgungsstruktur. Der Landesregierung sind weder Problemanzeigen noch Anfragen von Kommunen bekannt, die darauf schließen lassen, Kommunen könnten konkret überfordert sein.

(Abg. Uwe Junge, AfD, kehrt in den Plenarsaal zurück)

Darüber hinaus geht die AfD – schön, dass Herr Junge wieder da ist – von falschen Annahmen

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: Hat er nicht gehört!)

bezüglich der Kapazitäten in Flüchtlingsunterkünften aus. Sie behaupten, und Sie haben das gerade am Rednerpult wiederholt, 6.000 Plätze stehen zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, da würde ich wohl sagen, Hausaufgaben nicht gemacht. In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit 3.380 Plätze, von denen 70 % belegt sind. So viel zu den Fakten und den Kapazitäten.

(Vereinzelt Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, die Unterbringung von Obdachlosen in Flüchtlingsunterkünften ist der völlig falsche Weg, um diesen Menschen wirksam zu helfen; denn im Falle wohnungsloser Menschen ist es in der Regel nicht damit getan, ihnen nur ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern sie brauchen auch gute fachliche Unterstützung und Begleitung. Wohnungslosigkeit ist doch gewissermaßen nur das Symptom für tiefergehende und komplexere Problemlagen.

So ist die Wohnungslosigkeit mit vielen anderen Problemen charakteristisch verwoben. Die relevantesten Risikofaktoren, die zur Wohnungslosigkeit führen, sind die Arbeitslosigkeit, Trennung und Scheidung, Überschuldung, Alkoholabhängigkeit oder auch mangelnde soziale Bindun

gen. Dadurch kommt es dann bei vielen beispielsweise zu Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen sowie Angst- und Belastungsstörungen. Hier darf es doch dann keine Fehlplatzierung der Wohnungslosen in Flüchtlingsunterkünften geben.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf alles das stellt der Antrag der AfD aber nicht ab.

Meine Damen und Herren, statt Polemik braucht es geeignete Einrichtungen und betreutes Wohnen mit Fachkräften der Wohnungslosenhilfe. Genau diese Hilfen entwickelt die Landesregierung gemeinsam mit den Kommunen und den Wohlfahrtsverbänden kontinuierlich weiter. Dazu gibt es beispielsweise aktuell unsere Modellprojekte zur Dezentralisierung von stationärem Wohnen oder Modellprojekte zum Schnittstellenmanagement oder die Einführung der Wohnungsnotfallstatistik.

Meine Damen und Herren, in der Zuständigkeit des Landes als überörtlicher Sozialhilfeträger befinden sich 19 Resozialisierungseinrichtungen mit 430 Plätzen für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten und 98 Wohngemeinschaftsplätze an 14 Standorten im ganzen Land für umherziehende Wohnungslose und Haftentlassene.

In der Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte als örtlicher Träger der Sozialhilfe befinden sich alle anderen weiteren Formen der ambulanten Wohnungslosenhilfe, insbesondere für Übernachtungseinrichtungen, Fachberatungsstellen oder auch Streetwork.

Dann haben wir noch die Zuständigkeit der Städte und der Verbandsgemeinden bzw. deren Ordnungsbehörden, die für Formen der Obdachlosigkeit zuständig sind, der mit schnellen Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu begegnen ist, wenn die Obdachlosigkeit eine Gefahr für Leib und Leben darstellt. Dann prüfen die Kommunen in eigener Zuständigkeit, ob es zu einer Einweisungsverfügung in einen Ersatzwohnraum kommt. Das ist der Punkt, den Herr Junge in seiner Rede betont hat.

Sehr geehrter Herr Junge, auch hier muss ich Sie enttäuschen; denn auch für diese Fälle ist nicht die Fehlplatzierung der Betroffenen in Flüchtlingsunterkünften der richtige Weg. Richtig ist hier die ortsnahe Unterbringung durch die Kommunen. Das ist der richtige Ansatz.

Meine Damen und Herren, von daher kann ich nur noch einmal festhalten: Sowohl das Land als auch die Kommunen gehen bereits jetzt sehr gewissenhaft und verantwortungsvoll mit diesem wichtigen sozialpolitischen Thema um. Der Antrag der AfD verkürzt dagegen die Problematik und suggeriert vor allen Dingen Lösungen, die keine sind. Statt Schlagzeilen kommt es hier auf Verantwortung an. Die übernehmen wir gemeinsam mit den Kommunen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler erteile ich Herrn Junge von der AfD-Fraktion das Wort.