Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Heiko Sippel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war jetzt in der Aktuellen Debatte wie ein Blick zurück. Es könnte das Bild einer Justiz vermittelt werden, bei dem man sich schon die Frage stellen kann: Ist unsere Justiz noch leistungsfähig? – Wenn ich eine Presseinformation der CDU-Landtagsfraktion vom 16. Januar überschrieben mit „In der Justiz brennt es lichterloh“ lese – Herr Henter, sie ist von Ihnen –,

(Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

dann bitte ich Sie schon zu überdenken, ob Sie durch Ihre Wortwahl nicht das Gegenteil von dem erreichen, was Sie heute hier vorgeben. Sie helfen der Justiz damit nicht, sondern Sie belasten durch diese völlige Überspitzung das Vertrauen in die Funktionalität unserer Justiz.

(Beifall bei SPD, FPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, die Bediensteten in der Justiz machen eine hervorragende Arbeit. Mit großem Einsatz sorgen Sie dafür, dass der Rechtsstaat trotz erheblich steigender Belastungen in unserem Land gut funktioniert. Ja, es stimmt auch, das Personal ist knapp bemessen. Es wird von allen sehr viel abverlangt. Das räume ich unumwunden ein. Selbstverständlich begrüßen wir daher jede realisierbare Möglichkeit zur Personalverstärkung und -entlastung. Was die Regierung und uns als regierungstragende Fraktionen von der Opposition – von Ihnen von der CDU, und die AfD wird die Forderungen sicherlich nachher mit unterstützen – unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir auch Verantwortung für die Finanzierbarkeit zu übernehmen haben. Das ist der große Unterschied.

Mehr zu fordern ist einfach. Das haben Sie bei den Beratungen zum Doppelhaushalt schon getan. Was Sie jedoch seinerzeit dabei vergessen haben, war die Gegenfinanzierung. Das ist Ihre Doppelstrategie. Die Haushaltspolitiker fordern einerseits noch mehr Sparanstrengungen. Sie unterstützen die Schuldenbremse in der Verfassung. Andererseits fordern die Fachpolitiker in allen Ressorts mehr Personal, mehr Leistungen, mehr Beförderungen, mehr Geld und Sie, Herr Baldauf, 2015 und 2008 in einer Zeit der Finanzkrise, Steuersenkungen, die dazu geführt hätten, dass der Spielraum auch für die Länder weiter eingeengt wird. Herr Baldauf, besonders verantwortungsvoll und überzeugend ist das alles nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die Regierungskoalitionen haben dennoch immer wieder gezeigt, wir lassen die Justiz nicht allein. Ein Blick in den Doppelhaushalt 2017/2018: Wir haben zwölf Richterstellen, sechs Stellen für Servicekräfte in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Entlastung in Asylverfahren, 31 Stellen für Servicekräfte zur Einführung der Digitalisierung in der Justiz und 16 Anwärterstellen für Rechtspfleger neu geschaffen.

Zehn Stellen wurden in Planstellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger umgewandelt. Es gab fünfzehn

zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte, um die Strafjustiz bei den Landgerichten und auch die Landeszentralstelle Cybercrime bei der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz zu unterstützen.

Stellenanhebungen sind in beträchtlichem Umfang erfolgt. Aktuell hat der Minister auch dafür gesorgt, dass zwanzig Anwärterinnen und Anwärter im Strafvollzug zusätzlich eingestellt werden können.

Bei Ihren Deckblättern zur Haushaltsplanaufstellung 2017/2018 waren es fünf Amtsanwälte, die Sie über das, was Sie realisiert haben, hinaus gefordert haben. Viel mehr war es nicht.

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr richtig!)

Herr Baldauf, wenn ich Sie an Ihren eigenen Taten messen sollte, bräuchte ich eine ziemlich kurze Messlatte.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Entlassung von Tatverdächtigen aus der Untersuchungshaft aufgrund der langen Verfahrensdauer ist gewiss keine Lappalie. Aber auch hier ist wichtig, den Blick differenziert anzulegen. Es gilt die richterliche Unabhängigkeit bei der Geschäftsverteilung.

Wichtig ist zu sagen, dass sich die Fallzahlen bei den Landgerichten sehr gravierend unterscheiden. Wenn man einmal auf die letzten Jahre zurückblickt, kann man feststellen, dass zusätzliche Richterstellen geschaffen wurden, um die Strafgerichtsbarkeit bei den Landgerichten zu entlasten. Das Ministerium hat, gerade was Landau anbelangt, das Besetzungsverfahren zur Einrichtung einer weiteren Strafkammer bereits Mitte 2017 unverzüglich umgesetzt. Die gleiche Entlastung gilt auch für das Landgericht in Koblenz.

Zum Strafvollzug – hierauf kommen wir noch zu sprechen – haben wir in der Anhörung auch erfahren, dass es dort hohe Belastungen gibt. Darüber müssen wir reden. Es geht um den Abbau von Überstunden. Wir hatten seinerzeit in der Zeit der SPD-Alleinregierung weit über hundert Stellen neu geschaffen. Die eine oder andere musste wieder reduziert werden. Wir haben die Schuldenbremse gemeinsam beschlossen.

Wichtig ist auch zu sehen, dass sich die Gefangenenzahlen in diesem Zeitraum deutlich nach unten verändert haben. Wir hatten innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraums ein Viertel weniger Gefangene. Das hat sich auch auf die Personalsituation ausgewirkt.

Die Anhörung hat aber auch gezeigt, dass wir beim nächsten Haushalt über die Personalausstattung reden müssen.

(Glocke der Präsidentin)

Die Gefangenenzahlen sind nicht weiter gesunken, wie wir das erwartet haben. Sie haben ein relativ hohes Niveau erreicht. Deshalb müssen wir weiter reden, aber bitte differenziert und in aller Sachlichkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Lohr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU hat mit dieser Debatte ein Thema gewählt, das theoretisch jeden Monat als Aktuelle Debatte gewählt werden könnte, da der Zustand mit der großen Personalnot und den vielen Überstunden bei der Justiz kein temporäres, sondern ein chronisches Problem ist. Das Thema verliert nie an Aktualität.

Kommen wir zur Personalsituation. Diese ist – das ist wenig überraschend – stark angespannt. Es fehlen im stark zweistelligen Bereich Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger. Auch bei den Justizvollzugsbediensteten und den Justizwachtmeistern besteht akuter Handlungsbedarf.

Aufgrund des Personalmangels häufen sich in RheinlandPfalz vor allem in den Justizvollzugsanstalten Abertausende Überstunden an. Dies sorgt für eine eklatante Überbelastung der Justizmitarbeiter und führt zu einer hohen Zahl an Krankheitsfällen. Statt 4 % Krankheitsausfälle, wie es in den meisten Branchen üblich ist, betragen die Werte in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten gerne einmal das Zwei- bis Vierfache, also gerne einmal 16 %. Wir müssen auch über die Arbeitsbedingungen reden, unter anderem über die angemessene Ausstattung der Beamten und auch über die angemessene Bezahlung.

Herr Minister Mertin, Sie haben im Rechtsausschuss bereits mitgeteilt, dass Ihr Haus unter anderem die Einführung des EKA-Schlagstockes für die Justizwachtmeister prüft. Dies ist aus Sicht der AfD-Fraktion eine lobenswerte, aber nicht ausreichende Maßnahme, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Das Einstiegsgehalt der Justizwachtmeister liegt bei 2.200 Euro brutto. Angesichts des Risikos, dem man sich in diesem Beruf ausgesetzt fühlt, wird deutlich zu wenig für die Leistung gezahlt, gerade wenn man beispielsweise allein eine Familie ernähren muss.

Meine Damen und Herren, das Land Rheinland-Pfalz sollte ein familienfreundlicher Arbeitgeber sein. Das ist in diesem Fall nicht gegeben. Auch die immer größer werdende Mehrbelastung durch neue Herausforderungen ist nicht zu unterschätzen. So gibt es in den Anstalten verstärkt Drogenprobleme, und die Gewalt gegen Justizvollzugsbeamte nimmt ein immer schlimmeres Ausmaß an.

Auch eine interessantere Zahl lässt noch aufhorchen. So lagen die Kosten für Dolmetscher in den Justizvollzugsanstalten im Jahr 2014 noch etwa bei 15.000 Euro. Zwei Jahre später, im Jahr 2016, waren sie mit 64.000 Euro mehr als viermal so hoch. Man kann an dieser Stelle von eigens importierten Problemen sprechen, denen man nicht mit Scheuklappen begegnen sollte.

(Beifall der AfD)

Natürlich werden gleich wieder übliche Floskeln kommen, wie:

1. Es ist nicht genug Geld da.

2. Der Haushalt gibt keine besseren Möglichkeiten her.

3. Wir haben im direkten Vollzug Nachwuchsprobleme.

Auf diese Punkte ist Folgendes zu entgegnen:

1. Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein finanzieller Weg.

2. Dann muss der nächste Haushalt in diesem Bereich erheblich nachgebessert werden.

3. Nachwuchsprobleme löst man, indem man in den betroffenen Berufen wieder attraktivere und familienfreundlichere Bedingungen schafft. Dann wird es auch sicher etwas mit den Neubewerbern.

(Beifall der AfD)

Ein stabiler Rechtsstaat zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass er über eine gut ausgestattete und funktionstüchtige Justiz in allen Bereichen verfügt. Die Probleme der Justiz sind eindeutig lösbar. Sie sollen definitiv nicht an den Finanzen scheitern. In Zeiten der Rekordsteuereinnahmen dürfte genug Geld für diese wichtige Kernaufgabe des Staates zur Verfügung stehen.

Abschließend möchte ich mich im Namen der AfD-Fraktion bei allen Justizbeamten bedanken, die selbstverständlich das Beste aus der stark verbesserungswürdigen Situation herausholen.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Roth.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU hat beantragt, dass wir an der Stelle über die aktuelle Situation in der Justiz in unserem Land sprechen. Das ist ein wichtiges Thema, das wir zuletzt auch mit einer Anhörung im Rechtsausschuss zum Teilbereich des Strafvollzugs begleitet haben. Allerdings haben wir dort auch besprochen, dieses wichtige Thema nicht zum Spielball der Politik zu machen. Deshalb irritiert mich die heutige Debatte doch ein wenig.

Dennoch ist vorweg zu sagen – das tue ich, ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen –, dass das Justizministerium gegenwärtig Maßnahmen treffen muss, die die Entscheidungen aus einer Zeit betreffen, als das Ministerium noch unter anderer Führung stand. Diese Entscheidungen mögen zu der damaligen Zeit richtig und opportun gewesen sein. Nunmehr bedürfen sie allerdings einer Korrektur.

Das Ministerium hat im gesamten Bereich der Justiz und

bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im vergangenen Jahr sehr viel bewirkt und in Gang gesetzt. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass dies alles im Rahmen einer Schuldenbremse steht und passiert. Alle Ressorts haben sich verpflichtet, ihren Beitrag hierzu zu leisten. Dennoch leistet das Justizministerium Großes, um im Rahmen der Möglichkeiten die gut funktionierende Justiz in unserem Land auch weiterhin nach Kräften zu unterstützen.