(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Nehmen Sie den Finger einmal runter! – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD – Glocke des Präsidenten)
(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sie finden bestimmt einen Platz für Ihren Finger, aber zeigen Sie nicht in meine Richtung!)
Herr Schweitzer, wenn das jetzt der Diskurs ist, wie es mit Ihnen beiden weitergeht, dann setzen Sie ihn bitte draußen fort, aber nicht hier.
Vielen Dank, Herr Präsident. Es ist mir ebenfalls wichtig klarzustellen, dass wir als gesamte Landesregierung mit allen Ressorts – alle Ressorts haben mit den Herausforderungen der Integration zu tun; Sie haben die Kindertagesstätten und die Schulen angesprochen – verantwortungsvoll und mit vollem Engagement daran arbeiten, dass die Menschen, die zu uns gekommen sind und hier bleiben werden, gute Angebote erhalten, auch in den Schulen und den Kindertagesstätten, damit die Integration schnell und gut gelingen kann.
Wird Überweisung beantragt? – Das ist nicht der Fall. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/5436 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der AfD abgelehnt.
Niemals wieder! Gedenkkultur in Rheinland-Pfalz fördern und erhalten Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/5409 –
Ohne Erinnerung keine Zukunft. Zum demokratischen Grundkonsens in Deutschland gehören die Aufarbeitung der NS-Terrorherrschaft und der SED-Diktatur, der deutschen Kolonialgeschichte, aber auch positive Momente unserer Demokratiegeschichte.
Deutschland ist aufgrund seiner Geschichte besonders dafür verantwortlich, die Erinnerung an die Folgen von Diktatur und Gewaltherrschaft wachzuhalten. Dies ist Teil unseres nationalen Selbstverständnisses. So beginnt das Kapitel Gedenken und Erinnern im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Gut so.
Wir haben in Rheinland-Pfalz allen Grund, stolz zu sein auf unsere demokratische Tradition. Tief verankert im Bewusstsein ist die Bedeutung des Hambacher Festes von 1832, aber wir gedenken auch der Vorkämpfer der Mainzer Republik, die nach dem Vorbild der Französischen Revolution am Ort unseres heutigen Landtags versuchten, demokratische Strukturen aufzubauen.
an die noch früheren Demokratiebestrebungen der sogenannten Schweitzer Republik um das südpfälzische Bad Bergzabern herum zu erinnern. Dort beschlossen bereits am 22. Januar 1793 die Gemeinden, bis zur Aufnahme in die Französische Republik einen Freistaat zu gründen. Die neue Volksvertretung nannte sich Schweitzerischer Landtag. Offenbar sind diese Traditionen fruchtbar bis in die Neuzeit.
Wir werden uns bemühen, im aktuellen pfälzischen Parlament, dem Bezirkstag Pfalz, diese Geschichte stärker aufzuarbeiten und zu popularisieren.
Gedenken und Erinnerungskultur haben vor allem die Opfer von Verfolgung im Blick, zur Zeit leider wieder mit einer Aktualität, die man vor einigen Jahren noch für undenkbar hielt. Man konnte sich nie und nimmer vorstellen, dass die Abkehr von der Erinnerungskultur zum Habitus des neuen Nationalismus geworden ist und – was am schlimmsten ist – diese Töne auch in unseren Parlamenten zu hören sind.
Eigentlich wurde Deutschland im Ausland dafür geschätzt, dass wir vorbildlich mit unserem Erbe umgehen, uns nicht in Ausflüchte und Relativierungen retten, sondern die mahnende Erinnerung, wie vorhin zitiert, Teil unseres nationalen Selbstverständnisses geworden ist.
Wenn wir heute über Verantwortung nachdenken, wissen wir natürlich, dass wir, die wir heute hier sitzen, die Vergangenheit nicht verschulden. Uns trifft trotzdem eine Art Schuld. Wir schulden es den Opfern, alles daranzusetzen, dass Verbrechen wie diese nie wieder möglich sind. Das allererste Mittel hierzu ist die wachgehaltene Erinnerung, heute besonders vielleicht an die Mitglieder der Weißen Rose, die vor 75 Jahren an diesem Tag hingerichtet worden sind.
Es darf sich nichts daran ändern, dass alle Schüler mit dem Thema Nationalsozialismus konfrontiert werden. Die Lehrerausbildung zu NS und Holocaust ist dafür deutlich verbesserungswürdig, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Von allen Menschen, die in Deutschland leben, ob sie zugezogen oder hier geboren sind, müssen wir erwarten dürfen, dass sie eine bedachtsame Haltung zu der Vergangenheit dieses Landes einnehmen. Ein positives Beispiel: Auszubildende des Steinmetzhandwerks von der Meisterschule für
Handwerker in Kaiserslautern haben auf dem Friedhof im südfranzösischen Gurs, wohin 1940 alle Juden der Pfalz deportiert worden waren, Grabsteine ausgebessert. Eine Auszubildende, Melanie Ohnemus, hat, gefragt nach ihren Eindrücken, gesagt, dass es angenehm war, diese Arbeit zu leisten.
Über das positive Wort mag man zuerst überrascht sein in diesem Zusammenhang, aber genau das könnte ein Weg sein, Jugendliche für Gedenkarbeit zu gewinnen und ohne persönliche Schuldgefühle emotional zu berühren.
Wir sichern zu, dass Stätten und Geistesgüter der Erinnerung als sichtbare und ideelle Teile unseres Landes geschützt und gestärkt werden. In dem Zusammenhang herzlichen Dank der Landeszentrale für politische Bildung und allen, darunter viele lokale Initiativen, die sich ehrenamtlich engagieren. Mein besonderer Dank gilt der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen mit Dieter Burgard als ihrem Vorsitzenden.
(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!)
Besondere Verantwortung haben wir für die Erinnerung an den Westwall. Wir haben eine Landesstiftung „Grüner Wall im Westen – Mahnmal ehemaliger Westwall“ gegründet, die die Anlagen erhält, aber auch perspektivisch politischhistorische Bildungsarbeit unterstützen kann.
Gedenken muss sich immer messen lassen an unserer Bereitschaft, Verantwortung für eine humane, demokratische Gegenwart und Zukunft zu übernehmen und dafür einzustehen. Nur eine Gesellschaft, die ihre Minderheiten schützt, die Individualität statt vermeintlicher Gruppeneigenschaften in den Mittelpunkt stellt, in der die Würde des Menschen der höchste Zweck ist, kann von sich hoffen, gegen nationalistische und rassistische Perversionen gewappnet zu sein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erinnern heißt, nicht vergessen. Erinnern heißt Gedenken. Erinnern heißt auch, sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, gerade wir Deutschen mit den gerade uns eigenen dunklen Kapiteln.
In Rheinland-Pfalz gedenken wir alljährlich am 9. November und am 27. Januar den Verbrechen des Nationalsozialismus. Wie wichtig, zeitlos und immer noch aktuell das ist, zeigen Äußerungen von sogenannten Geschichtsrevi
Was müssen wir tun, um die Erinnerungskultur vor Banalisierung, Relativierung und Verharmlosung oder sogar Verleugnung zu schützen?
Meine Damen und Herren, das ist die zentrale Frage, der wir uns angesichts der wachsenden zeitlichen Distanz zum historischen Geschehen und einer Zunahme des Antisemitismus in Deutschland stellen müssen. Über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es kaum noch Zeitzeugen, die uns aus erster Hand über ihre Erlebnisse berichten können.
Was bedeutet das für unsere Erinnerungskultur? Je weniger Holocaustüberlebende und je weniger noch lebende Naziopfer es gibt, desto schwieriger wird die Annäherung an das Unfassbare, und desto wichtiger werden diejenigen Institutionen, an denen das Wissen um die historische Wahrheit – und ich sage auch, das Gewissen darum – vermittelt wird.
Schulen und Gedenkstätten: Gedenken braucht Wissen. Schulen vermitteln jenes Wissen, das notwendig ist, damit sich die jüngere Generation mit unserer Vergangenheit kritisch auseinandersetzt
und sich nicht – um das unglückliche Wort Martin Walsers zu zitieren – genervt von der „Dauerpräsentation unserer Schande“ abwendet. Gedenken braucht Wissen. Ich sage es noch einmal: Das gilt auch für jene, die Wissen vermitteln.
Unsere Lehrer – ich sage da, nicht nur unsere Geschichtslehrer – müssen so geschult sein, dass sie antisemitischen Vorurteilen, Verharmlosungen und Relativierungen entschieden entgegentreten und sie mit überzeugenden Argumenten im Klassenzimmer entkräften können, besonders auch vor dem Hintergrund einer immer heterogeneren Schülerschaft. Das ist ein Thema, das nun an Aktualität und eine gewisse Brisanz gewonnen hat.
Angesichts der Zuwanderung von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es in unseren Klassenzimmern immer mehr Schülerinnen und Schüler, die von ihrer Herkunft her überhaupt nichts mit der deutschen Geschichte zu tun haben. Manche von ihnen kommen aus Ländern, in denen Antisemitismus und Hass auf Israel verbreitet sind, ja vielleicht sogar Teil einer Gedenkkultur sind. Wo derartige Haltungen bei unseren jungen Menschen in den Klassenzimmern vorhanden sind und nachwirken, haben wir alle die Verpflichtung, ihnen die historische Wahrheit zu vermitteln und sie auf die Werte unserer demokratischen Gesellschaft zu verpflichten.