Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Herber, ich hatte mich schon ein bisschen gewundert, warum Sie jetzt ausgerechnet diesen Antrag stellen. Diese absolute Aktualität habe ich die ganze Zeit nicht gesehen. Dann habe ich mir gedacht: Was hat er vor? Er will Unfrieden in dieser Koalition stiften. Darum haben Sie noch nicht einmal herum geredet. Sie haben das sogar vorangestellt.
Hören Sie mir einfach gut zu. Ich werde Ihnen deutlich machen, weder das eine stimmt noch äußert sich die FDP irgendwie nicht klar zu ihren Positionen. Da lernen Sie etwas über Vertragstreue und über Koalitionsfähigkeit. Hören Sie einfach zu.
Die CDU hat einen Antrag zur Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer gestellt. Die AfD hat sich diesem Antrag mit einem Alternativantrag grundsätzlich angeschlossen. Allerdings muss ich Ihnen leider bestätigen: mit einer weitaus unseriöseren Begründung und mit dem Antrag, auch die Kaukasus-Staaten Armenien, Georgien und Aserbaidschan mit in die Liste aufzunehmen. Die Auffassung, die wir als FDP im Hinblick auf die Einstufung der sogenannten Maghreb-Staaten vertreten, ist bekannt. Sie ist absolut bekannt, und Sie haben auch recht.
Die FDP-Fraktion im Bundestag hat kürzlich einen Antrag auf Einstufung der in Rede stehenden Länder als sichere Herkunftsländer gestellt. Die Bundestagsfraktion verweist hierbei darauf, dass 2017 in Deutschland 222.683 Asylanträge gestellt wurden. Dies ist mit Ausnahme der Jahre 2015 und 2016 der höchste Wert seit 1993. Dies wiederum führt zu sehr langen Wartezeiten, da die Behörden heillos überlastet sind. Bekanntermaßen befinden sich unter den Asylbewerbern auch eine Vielzahl aus Algerien, Marokko und Tunesien. Deren Anträge haben aber geringe bis keine Aussicht auf Erfolg.
Vor diesem Hintergrund sind wir nach wie vor der Auffassung, die zur Verfügung stehenden Mittel sollten auf jene Bewerber konkretisiert werden, deren Anspruch auf asylrechtlichen Schutz begründet erscheint und Aussicht auf Erfolg hat. Durch die Einstufung von weiteren Ländern als sichere Herkunftsstaaten könnten Asylverfahren beschleunigt und Rückstände abgebaut werden. Die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer würde im Ergebnis zu einer Entlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der Justiz, der Polizei sowie der Länder und Kommunen führen.
Wir halten an dieser Auffassung fest, weisen aber auch ausdrücklich darauf hin, dies ist nur ein Teilaspekt, und die Verhandlung belastbarer Rückführungsabkommen mit weiteren relevanten Staaten ist unabdingbare Aufgabe der Bundesregierung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich habe es gerade gesagt: Ich war verwundert. Jetzt wundert mich gar nichts mehr. Sie wollen Unfrieden in diese Koalition bringen. Es wird Ihnen nicht gelingen.
Es ist kein Geheimnis – ich habe es noch einmal sehr deutlich gemacht –, wir konnten uns in diesem Punkt in der Koalition nicht einig werden. Deshalb hat sich RheinlandPfalz im Bundesrat der Stimme enthalten. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart, und daran halten wir uns alle.
Liebe CDU-Kollegen, Verträge müssen gehalten werden. Dies sagt nicht nur ein althergebrachter juristischer Grundsatz, das ist auch unser Verständnis von vertrauensvoller Zusammenarbeit innerhalb einer Koalition. Nur so kann eine Koalition funktionieren. Hier herrscht nicht das Recht des Stärkeren, sondern das Prinzip der Einigkeit.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, mit diesem Prinzip regieren wir äußerst erfolgreich seit nunmehr zwei Jahren.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, dies ist die eingangs erwähnte Auffassung der FDP-Fraktion. Wir werben auch für diese Position. Gleichwohl ändert dies ausdrücklich nichts an dem Punkt, dass wir zu den Vereinbarungen in unserem Koalitionsvertrag stehen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon wieder diese Debatte. Es ist ein bisschen eine Schaudebatte, die in regelmäßigen Abständen veranstaltet wird. Herr Kollege Herber, auch wir haben nach wie vor gute Argumente, warum wir dagegen sind. Auch wir können diese Argumente so lange wiederholen, bis auch bei Ihnen vielleicht die Einsicht wächst, dass wir die richtigen Argumente haben.
Ich kann Sie beruhigen: Es gibt keinen Streit in der Koalition. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Es gibt hier genauso wenig Streit wie auf der anderen Rheinseite in Hessen,
wo sich auch der Ministerpräsident Volker Bouffier bei der entsprechenden Abstimmung im Bundesrat enthalten hat, weil man es im Koalitionsvertrag entsprechend vereinbart hatte.
Auch in den nicht abgeschlossenen Jamaika-Verhandlungen ist es nicht, wie Sie dargestellt haben, zu einem solchen Beschluss gekommen, sondern diese Frage war bis zum Abbruch offen.
Kommen wir also dazu, warum wir dagegen sind. Zum einen ist es die Menschenrechtslage in den drei Staaten. Es herrscht dort Kriminalisierung und keine Rechtssicherheit für Homosexuelle. Es herrscht dort Drangsalierung und Verfolgung von Journalisten und von Oppositionellen. Sogar die internen Leitfäden des BAMF kommen in der Bewertung der Lage in den drei Maghreb-Staaten zu anderen Ergebnissen, als das die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf tut.
In den Herkunftsländerleitlinien des BAMF heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: In Algerien ist die Verfolgung seitens des Staates sowie anderer Akteure nicht auszuschließen. – Über Marokko heißt es: Trotz des rechtsstaatlichen Rahmens gibt es immer wieder Berichte über auch schwere Folter und Meldungen, dass Foltervorwürfen nicht nachgegangen wird. In Tunesien wird, wie auch in den anderen beiden Staaten, Homosexualität von Staats wegen kriminalisiert und ist strafbar. –
Wenn das keine Verfolgung ist, was ist denn dann Verfolgung? Diese Aussagen – ich wiederhole – sind aus den Leitlinien des BAMF, einer Behörde, die dem Bundesinnenministerium unterstellt ist und ihre Informationen durch das Auswärtige Amt bezieht. Diese Leitlinien widersprechen klar dem Gesetzestext, der dem Bundesrat vorliegt. Wenn das so ist, kann man einem solchen Gesetz auch nicht zustimmen.
An dieser Stelle lohnt noch einmal ein Blick in das Urteil des Verfassungsgerichts von 1996, in dem geurteilt wurde, welche Bedingungen für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat erfüllt sein müssen. Danach müsse in den betreffenden Staaten die – ich zitiere erneut – „Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen“, das heißt, also auch für Oppositionelle und Journalisten.
Wenn die Lage in diesen Ländern so ist: Was senden wir für ein Signal einmal an diejenigen, die sich vor Ort für freie Presse und demokratische Kultur einsetzen, und was senden wir auch für ein Signal an die Regierenden, die diese Verfolgung dort durchsetzen? Ich glaube, das ist kein gutes Signal, das wir mit unseren demokratischen Werten senden sollten. Unsere demokratischen Werte sollten uns mehr wert sein.
Maghreb-Staaten sichere Herkunftsstaaten werden, dann sind Asylanträge aus diesen Ländern offensichtlich unbegründet. Das bedeutet, Widerspruchsfristen werden verkürzt. Das kommt dann vielleicht zu einer Verkürzung der Verfahren, wobei die Länge der Verfahren heute gar nicht mehr unser Problem ist. Es ist aber so, wenn die Klagefristen verkürzt werden, liegt genau an der Stelle der Hase im Pfeffer; denn genau das führt dazu, den Menschen, die individuelle Verfolgung anführen könnten, wird es damit schwer bis unmöglich gemacht, diese nachzuweisen und darzulegen. Das Ganze heißt nicht, jeder, der aus diesen Staaten in den letzten Jahren hier Asyl beantragt hat, wurde auch tatsächlich verfolgt. Das zu prüfen, ist weiterhin Aufgabe des BAMF. Das wird aber auch getan, und es muss individuell geprüft werden. Das wird auch so getan.
Mit Problemen bei der Abschiebung wie zum Beispiel fehlenden Pässen oder unklaren Identitäten hat die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten ohnehin nichts zu tun. Diese Probleme bleiben weiter bestehen, ganz zu schweigen davon, dass immer noch wirksame Rücknahmeabkommen fehlen. Es scheint einmal mehr der Versuch zu sein, politisch den Schwarzen Peter weiter zu schieben, um davon abzulenken, dass es der Bundesregierung bislang immer noch nicht gelungen ist, zu solchen Abkommen zu kommen;
denn diese Abkommen wären eine konkrete Lösung für ein konkretes Problem. Weitere konkrete Lösungen sind zum Beispiel Informationskampagnen, wie sie in den Westbalkanstaaten sehr gut funktioniert haben;
Alle diese Gründe führen dazu, dass wir weiterhin dabei bleiben, wir lehnen diese Einstufung als sichere Herkunftsstaaten ab.
Frau Kollegin Binz, was Sie hier vertreten, hat mit einer seriösen und verantwortungsvollen Politik für die Bürger überhaupt nichts mehr zu tun.
Ich frage mich mittlerweile, wer vertritt hier überhaupt noch die Bürger und Steuerzahler von Ihrer Partei.