Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich Frau Abgeordneter Kohnle-Gros von der Fraktion der CDU das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Emotionen gegen Emotionen. Ich versuche, mich mit einigen sachlichen Dingen dazwischen zu bewegen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion, ich glaube, Sie unterliegen bei der Auslegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts an der Stelle einem Missverständnis. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr wohl gesehen und daraus auch Schlussfolgerungen abgeleitet, dass man das entstandene Kind im Mutterleib nicht gegen die Mutter und nicht allein sein Lebensrecht schützen kann. Das heißt, das Bundesverfassungsgericht hat an dieser Stelle Regeln aufgestellt, die dann auch umgesetzt worden sind, dass wir uns als Staat, als Gesellschaft im individuellen Fall, wenn es um das entstandene Leben geht, mit der Mutter – im optimalen Fall auch mit dem Vater – zusammen darum kümmern müssen, dass dieses Leben erhalten werden kann.

(Beifall der CDU)

Das war der Auskunftspunkt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

Es gibt dann in § 218 StGB den generalpräventiven Ansatz, dass wir sagen, Abtreibung wird bestraft. Das ist das Signal an die Gesellschaft. Zunächst einmal ist das Tötung, die nicht sein soll.

Dann kommen die Regeln, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat: Wie machen wir es denn, damit wir den Anspruch auf Lebensrecht und die Situation, in der sich die Mutter befindet, gut miteinander in Einklang bekommen? –

Daraufhin kam die Beratungsregelung als Lösungsmöglichkeit. Sie sprechen überhaupt nicht über die Paragrafen im Strafgesetzbuch. Die Beratungspflicht ist in § 219 StGB dezidiert geregelt. Da steht das, was die Kollegin versucht hat, mit ihren Worten zu sagen, nämlich dass zum Leben beraten werden muss. In Absatz 1 heißt es ausdrücklich: „Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann (...).“

Dann folgt, wie die Beratung ablaufen muss, wer sie durchführt, wie gut das organisiert sein muss, welche Hilfestellungen – von der Kollegin wurde das schon angesprochen – angeboten werden müssen. Zum Schluss heißt es: „Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einmal in das Schwangerschaftskonfliktgesetz hineinschauen, kommt der andere Aspekt, nämlich wie im Vorfeld der Situation, dass Frauen schwanger werden – vielleicht ungewollt oder in einer Situation, in der sie eben Rat und Beratung brauchen, um das Kind zu bekommen oder um es im nicht so schönen Fall nicht zu bekommen –, umzugehen ist. An erster Stelle steht in § 1 Abs. 1, dass der Staat – dezidiert zum Beispiel über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – Materialien zusammenstellt und zur Verfügung hält, um an jeglicher Stelle im öffentlichen Bereich – damit sind natürlich auch Schulen, Jugendgruppen und wer auch immer gemeint – im Vorfeld über Sexualität, über den verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität, bevor man verheiratet ist, beispielsweise in der Schule, aufzuklären. Dabei geht es auch darum, welche Fragestellungen sich für das Kind daraus ergeben.

Genau diese Beratung und Aufklärung muss auch wieder zum Leben stattfinden. Sie findet sogar in größerem Rahmen statt, als Sie das jetzt zugestehen wollen. Sie findet wirklich statt. Wir haben sogar Erfolge erzielt; denn die Frühschwangerschaften – erinnern Sie sich einmal daran, was das vor einigen Jahren für ein Thema war – konnten wir ein gutes Stück zurückführen, weil eben in den Schulen – im Religionsunterricht, aber auch in anderen Fächern – genau das getan wird, nämlich dass zu Fragen der Schwangerschaft, der Schwangerschaftsverhütung, der Verhütung insgesamt tatsächlich beraten wird.

Mir scheint es so, dass Sie ein Stück weit negieren wollen, dass es das gibt, dass das stattfindet, dass es staatlich gelenkt und finanziert ist. Vielleicht kann man sagen, das könnte man noch ein bisschen besser machen und da könnte man noch ein bisschen mehr Geld hineingeben, aber dafür kämpft die CDU-Fraktion seit Jahren. Wenn wir da Ihre Unterstützung erhielten, hätten wir nichts dagegen.

(Beifall der CDU)

Um ein bisschen konkreter zu werden: Sie haben wirklich ein Problem mit Ihrem Gesetzentwurf. Sie vermischen Dinge miteinander. Sie merken selbst anhand Ihrer Argumentation, dass das, was Sie jetzt machen, nicht so ganz glücklich ist.

Ich will nur einmal so viel sagen: Ich glaube, ein Windhundprinzip bei der Antragstellung gibt es sonst nirgendwo, nämlich dass der, der zuerst kommt und bestellt, den Zuschlag bekommt. Wir wissen nicht, wen Sie bei den Verbänden und Organisationen eigentlich meinen. Wir wissen auch nicht genau, wie diese Aufklärungsarbeit tatsächlich ablaufen soll. Deshalb ist Vorsicht bei diesem Gesetzentwurf geboten. Das kam gerade auch schon bei der Kollegin ein Stück weit durch.

Deswegen würde ich Sie bitten, dass Sie noch einmal genau überlegen, ob das wirklich das ist, was Sie meinen, und ob das ein Gesetzentwurf ist, der einer guten Beratung hier überhaupt zugänglich ist; denn der Gesetzentwurf ist nicht das, was man sich unter einer gut beschriebenen Rechtslage oder Situation, die Sie einer Lösung zuführen wollen, vorstellen kann.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind sehr skeptisch, ob dieser Gesetzentwurf wirklich das bewirken kann, was Sie sagen. Zu den ganzen unbestimmten Rechtsbegriffen, dass nicht ganz geklärt sei, ob der Staat oder jemand anderes zuständig sei, bitte ich Sie, sich auch noch einmal gut zu überlegen, ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Abgeordneter Kohnle-Gros erteile ich Herrn Abgeordneten Frisch das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Kollegin Kohnle-Gros, Sie haben die Rechtslage genau so beschrieben, wie ich das getan habe. Es gibt die drei Säulen: Die Beratung, die Hilfsangebote, und es gibt die Bewusstseinsbildung. Das hat das Bundesverfassungsgericht ganz klar gesagt.

Es geht uns ausschließlich um die dritte Säule. Ich glaube, da sind wir beieinander. Wir haben das vorher in einem langen Prozess abgefragt. Dabei kam heraus – Sie haben sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht, einmal die einzelnen Drucksachen einzusehen –, dass es in den Schulen zum Beispiel nur sehr allgemeine Ansätze gibt.

(Zuruf der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es heißt zum Beispiel in einer Antwort der Landesregierung, es gebe Anknüpfungspunkte im Lehrplan Gesellschaftslehre Klassen 7 bis 8. Im Lehrplan Sozialkunde

sei das Thema Familie in Gesellschaft und Staat von Bedeutung. Der Lehrplan naturwissenschaftlicher Fächer ermögliche eine Behandlung im Themenfeld „Erwachsen werden“. Das sind völlig schwammige und unverbindliche Aussagen. Ein bisschen konkreter ist es im Lehrplan Evangelische/Katholische Religion für die Sekundarstufe II dargestellt. Da heißt es als Lernziel, die Menschenwürde als Grundwert in aktuellen ethischen Konflikten zur Geltung bringen. –

(Präsident Hendrik Hering übernimmt den Vorsitz)

Ich bin ein Mann der Praxis. Sie wissen vielleicht nicht, dass Schulen heute kompetenzorientiert arbeiten. Dann ist ein solches Lernziel eben an verschiedenen Themen zu erreichen; das heißt keineswegs, dass die Themen Lebensschutz und Lebensrecht des Ungeborenen auch nur ansatzweise angesprochen werden. Das kann genauso gut an irgend einem anderen ethischen Problem aufgezeigt werden. Dann haben wir das eben gerade nicht.

Wir haben gefragt, was die Landesregierung in anderen öffentlichen Bereichen macht. Dazu wurde auf Internetinformationen der Landeszentrale für Gesundheitsförderung über Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und eine gesunde Lebensweise in dieser Zeit verwiesen. Das ist alles gut und schön, nur mit diesem Thema hat das eigentlich nur am Rande zu tun. Das ist eben nicht das, was das Bundesverfassungsgericht gemeint hat, als es gesagt hat, wir müssen Lebensrecht und Schutzbedürftigkeit im Bewusstheit der Menschen erhalten und beleben.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Sie müssen sich aber auf Ihre Vorrednerin beziehen und nicht auf das, was in Ihrem Antrag steht! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das tut er doch!)

Dann habe ich weiter gefragt, wie es mit weiteren, darüber hinausgehenden Maßnahmen aussehe. Dann kam die Antwort: Der Landesregierung sind – ich zitiere wörtlich – „keine weiteren öffentlichen Einrichtungen bekannt, die unmittelbar das Bewusstsein vom Lebensrecht ungeborener Kinder stärken und erhalten“. Wenn Sie sagen, es bestehe kein Bedarf, dann muss ich sagen, er ist gegeben. Das ist eindeutig nachgewiesen. Deshalb hoffen wir, dass wir, wenn Sie sagen, ein bisschen mehr könnte möglich sein, auch bei der finanziellen Unterstützung, im Ausschuss noch einmal darüber beraten und vielleicht einen Weg finden, hier gemeinsam einen Fortschritt zu erzielen.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ja!)

Sie sprechen die Verbände an. Im Gesetzentwurf ist klar enthalten, dass sie Gewährleistung bieten müssen, genau diese Ziele umzusetzen. Natürlich ist es dann Aufgabe der zuständigen Landesbehörde, etwa des Familienministeriums, zu prüfen und die Gelder nach gesetzlichen Vorschriften zu vergeben.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und würde mich auch sehr freuen, wenn wir hier im Interesse der betroffenen Kinder, aber auch der betroffenen Frauen, ein

Stück weiter kämen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kohnle-Gros zur Erwiderung auf die Kurzintervention.

Ich will noch einmal auf die Schule bzw. auf Jugendverbände und andere Punkte eingehen, weil Sie mir das vorhalten.

Es ist nicht nur die Schule, die diese Aufklärung und Beratung nicht nur für Schülerinnen und Schüler im Unterricht, sondern auch für Eltern gibt, sondern es sind auch die Schwangerenkonfliktberatungsstellen, die mit ihren Angeboten dort vor Ort sind. Ich kenne es dezidiert aus der Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind. Bei uns sind die Caritas und der SkF sehr aktiv und gehen tatsächlich in Schulen. Ich habe gerade erst den aktuellen Bericht gelesen. Auch in Jugendverbänden erreicht man allein über 400 Kinder über diese eine Schwangerschaftsberatungsstelle, weil dort das Angebot unterbreitet und darüber geredet wird. Wie dieser Tage in der Zeitung zu lesen war, ist in der Diakonie Pirmasens donum vitae aktiv – um eine größere Bandbreite zu nennen. Sie sind für ihre schulischen und außerschulischen Kinder- und Jugendangebote belobigt worden.

Ich glaube, es wird viel gemacht. Es wird mehr gemacht, als man denkt, wenn jemand Interesse hat, ob es Schülerinnen und Schüler sind oder vom Elternhaus her. Ich meine, es wäre gegeben, ich spüre, dass dieses Bewusstsein gegeben ist.

Natürlich können Sie nicht nur monothematisch mit dem Lebensschutz und dem Verfassungsrecht des ungeborenen Lebens kommen, sondern Sie müssen, natürlich altersgerecht, über den Körper, über Sexualität und über Verantwortung als Eltern aufklären. Das wird meines Erachtens geleistet. Wenn wir das alles ein Stück weit unterstützen, wo wir derzeit stehen, dann ist das eine gute Sache.

Ihnen geht es um die dritte Säule. Ich bin nicht sicher, ob es diese dritte Säule wirklich irgendwo gibt. Ich meine, das Bundesverfassungsgericht hätte das so entschieden, wie ich das dargestellt habe. Deswegen sehe ich den Gesetzentwurf nicht wirklich als zielführend, auch weil er nicht wirklich gut gemacht ist.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion spricht deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Willius-Senzer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist ein wichtiges. Im Herbst letzten Jahres kam die Debatte wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein – der § 219 a.

Es ist richtig, dass wir diese Debatte führen, dies aber sachlich, differenziert und mit Respekt für beide Seiten; denn es handelt sich hier um ein höchst sensibles Thema.

Dieser vorliegende Gesetzentwurf – Drucksache 17/6029 – ist nichts anderes als ein plumper Versuch, den § 219 a ins Gegenteil zu verkehren.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Was für eine unanständige Unterstellung! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Anständigkeit ist nicht Ihr Wort! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ihres schon gar nicht!)