Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich Sie nach der Mittagspause wieder begrüßen darf.
Situation der Physiotherapie in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 17/5127/5608/5935 –
Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Enders von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Enders.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir besprechen, nachdem das beim letzten Mal verschoben worden ist, die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Situation der Physiotherapie in Rheinland-Pfalz.
In Rheinland-Pfalz, in unserem Bundesland, bezahlten im Schuljahr 2017/2018, das bald zu Ende ist, 629 der 1.614 Auszubildenden der Physiotherapie Schulgeld, nämlich deswegen, weil sie ihre Ausbildung an privaten Schulen absolvieren und die schulgeldfreien Plätze in Schulen von Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen noch immer nicht ausreichen.
In ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage verweist die Landesregierung zwar auf einen anerkennenswerten sukzessiven Ausbau schulgeldfreier Physiotherapieschulen in den vergangenen Jahren, allerdings bleibt das weit hinter dem eigentlich eigenen Anspruch zurück;
denn im damals noch Sozialpolitischen Ausschuss genannten Ausschuss im Februar 2015 ist es in der Vorlage 16/4982 noch so formuliert worden, dass die Abschaffung des Schulgeldes das kurz- und mittelfristige Ziel der Landesregierung sei. Zum damaligen Zeitpunkt waren nur drei von 19 Schulen schulgeldfrei.
Ich darf aus dieser Vorlage mit Erlaubnis der Präsidentin einmal zitieren: „Es ist das kurzfristige Ziel, dass sämtliche Physiotherapieschulen des Typs B schulgeldfrei werden, indem die Krankenkassen die gesamten Betriebskosten der Schulen übernehmen. Sie werden damit zu Schulen des Typs A. Mittelfristiges Ziel ist es, dass auch die Schulen des Typs C zu Schulen des Typs A werden, um alle bedarfsnotwendigen Ausbildungsplätze in der Physiotherapie schulgeldfrei zu stellen.
Das hört sich gut an. Bereits im Jahr zuvor, 2014, hatte die CDU-Landtagsfraktion die Forderung nach Abschaffung
des Schulgelds erhoben. Dieser Forderung haben wir jetzt mit der Großen Anfrage noch mehr Nachdruck verliehen.
Oktober letzten Jahres hat dann die Landesregierung, wieder auf Antrag nach § 76 Abs. 2 GOLT der CDU-Fraktion, im Gesundheitsausschuss vorgetragen, dass das Ziel nach zwei Jahren teilweise erreicht worden sei. 12 von 19 Schulen – das ist anerkennenswert – sind zum damaligen Zeitpunkt schulgeldfrei gewesen. Aber damit wird das Ungleichgewicht größer, weil jetzt diejenigen der sieben Schulen, die nicht schulgeldfrei sind, noch stärker benachteiligt sind.
Angesichts der Bedeutung der Physiotherapie im Gesundheitswesen und auch der Bedarfsentwicklung ist die Belastung von Auszubildenden mit Schulgeld an sieben von 19 Schulen für die nächsten zwei Jahre unserer Ansicht nach nicht mehr verantwortbar.
Diese ungleiche Behandlung ist auch deswegen nicht gerecht, weil damit an sieben Schulen ein beträchtlicher Anteil der Schüler benachteiligt ist. Dazu muss man wissen – das wissen Außenstehende nicht –, dass das Schulgeld in diesem Ausbildungsberuf, bei dem man anschließend kein Spitzenverdiener ist, teilweise bis zu 479 Euro im Monat beträgt.
Deswegen sagen wir, hier ist die Option, die die Landesregierung in der Beantwortung unserer Großen Anfrage gibt, im Schuljahr 2020/2021 – kurz vor der Landtagswahl – die komplette Schulgeldfreiheit zu haben, einfach zu lang.
Um noch auf weitere Punkte dieser Großen Anfrage und ihrer Beantwortung einzugehen: Es ist festzustellen, dass die Landesregierung einräumt, dass es bei der Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage zu einer Fachkräftelücke, wie in vielen Berufen im medizinischen Bereich, von rund 1.100 fehlenden Fachkräften kommt.
Von den Verbänden, mit denen ich viele Gespräche geführt habe, weiß ich, für viele Physiotherapiepraxen wird es zunehmend schwieriger, zeitnah Fachkräfte zu finden. Das bedeutet für die Patienten Wartezeiten.
Man kann nur hoffen, dass dann irgendwann die komplette Schulgeldfreiheit den Beruf wirklich attraktiver macht; denn die Vergütungssituation in diesem Beruf ist nach wie vor nicht lukrativ.
Abschließend will ich sagen, dass die Landesregierung noch heute auf die Tätigkeit einer Arbeitsgruppe, einer AG, verweist, wie die bedarfsnotwendigen Ausbildungsplätze schulgeldfrei angeboten werden können. Das zeigt, dass Sie in der Tat im Rückstand gegenüber dem Handlungsbedarf sind, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Die Physiotherapie nimmt heute bereits eine bedeutende Rolle im Gesundheitswesen unseres Landes ein. Der Fortschritt in der Medizin, in der Hochleistungsmedizin, in einer älter werdenden Bevölkerung, aber auch die Herausforderungen eines Industrielandes bedeuten einen immer größeren Nutzen des Heilberufs der Physiotherapeuten, der unbestritten ist. Sie haben in den letzten 20 bis 30 Jahren in der Bevölkerung einen ganz hohen Stellenwert bekommen; denn der ganzheitliche Ansatz und die oftmalige Alternative zur Arzneimittelgabe verstärkt diese hohe Akzeptanz.
Die Physiotherapie ist nicht wegzudenken, gerade beim Anstieg der altersbedingten Erkrankungen. Bei der Grundgesunderhaltung, aber auch im betrieblichen Gesundheitsmanagement spielen Physiotherapeuten eine wichtige Rolle. An dieser Stelle geht der Dank der SPD-Fraktion ausdrücklich an die engagierten Fachkräfte und an die Weiterbildungsstätten der physiotherapeutischen Schulen für ihren hohen persönlichen und fachlichen Einsatz.
Was den Fachkräftebedarf angeht, so hat sich im Gesundheitswesen allgemein, aber auch bei den Physiotherapeuten bereits im Branchenmonitoring 2010 eine Fachkräftelücke gezeigt. Damals hat die SPD-Landtagsaktion mit den physiotherapeutischen Verbänden eine Fachdiskussion geführt. Wir haben uns damals schon entschlossen, auf die Initiative Schulgeldbefreiung hinzuarbeiten. Das wurde vom Ministerium stets unterstützt, um die Bedarfslücke in der Ausbildung zu schließen.
Mit insgesamt 9.262 Physiotherapeuten, die im Land tätig sind, haben wir einen erfreulichen Höchststand an Fachkräften erreicht, die in 2.121 Praxen tätig sind. Meine Damen und Herren, das ist ein Anstieg von 16 % – mehr Physiotherapeuten als jemals zuvor.
Lassen Sie mich bei der Schulgeldbefreiung eine Parallele zu der Altenpflege ziehen. 2003/2004 hat das Land Rheinland-Pfalz damals die Schulgeldbefreiung in der Altenpflege erreicht. Das war auch ein langer Prozess, dem bis heute aber noch nicht alle Bundesländer in Deutschland gefolgt sind.
heute schon an schulgeldbefreiten Schulen machen zu können, ist gegeben. Das ist sehr gut. Zu den Gebühren bei den Schulen, bei denen noch Gebühren anstehen, hat Herr Dr. Enders bereits etwas gesagt.
Für uns ist es Ziel, dass immer mehr Physiotherapeuten in absehbarer Zeit an allen Schulen schulgeldbefreit ihre Ausbildung machen könne. Deswegen begrüßen wir als SPD-Fraktion und auch als Koalition ausdrücklich die erfolgreichen Bemühungen des Ministeriums unter der Führung von Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler. Ausbildungsstätten für Physiotherapeuten und Heilberufe sollen und müssen künftig schulgeldfrei sein. Das ist der richtige Weg.
Um das zu erreichen, mussten die bisher privaten Schulen in Rheinland-Pfalz in den Ausbildungsstättenplan Rheinland-Pfalz mit dem Ziel aufgenommen werden, die Krankenhäuser als Träger zu gewinnen und somit durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz die Kosten der Ausbildung durch die Krankenkassen refinanzieren zu können.
Aktuell sind bereits 12 von 19 Physiotherapieschulen schulgeldfrei. Das Ziel ist es, bis 2022 alle von diesen Gebühren zu befreien.
Dabei – das ist wirklich ein Kraftakt – danke ich ausdrücklich allen Partnern, den Krankenkassen, den Schulen und natürlich den Krankenhäusern als Träger, und nicht zuletzt dem Ministerium für diese intensive Begleitung.
Um künftig mehr Augenhöhe angesichts dessen zu erreichen, dass die Anwendung per Rezeptierung verordnet wird, ist die akademische Ausbildung eingeführt worden, die mit insgesamt 273 Studienplätzen in Rheinland-Pfalz ausgestattet ist. Das sind wichtige Rahmenbedingungen, um der Forderung der Physiotherapeuten zu einem Direktzugang, den wir grundsätzlich unterstützen, der aber auf Bundesebene geregelt werden muss, gerecht zu werden.
Ziel muss es für uns sein, die Attraktivität im Beruf zu steigern, die Arbeitsbedingungen und die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dazu gehört natürlich auch eine bessere Entlohnung. Mit der Honorarerhöhung von 5,7 % nach SGB V Abs. 2 und 4 hat es schon eine Vergütungserhöhung gegeben, aber zum Beispiel wäre es auch ein Ansatz aus unserer Sicht, die Vergütung der Wegezeit anzuheben, sodass die Menschen regional vor Ort, zu Hause besucht und gut betreut werden können.
Eine Kammer für Heilberufe ist auch immer wieder eine Frage, auch in der Großen Anfrage beschrieben. Die SPDFraktion hat sich jüngst mit den physiotherapeutischen Verbänden zusammengesetzt und noch einmal die Frage nach einer Verkammerung gestellt, ob das gewünscht sei. Wir haben ausdrücklich erfahren, dass das nicht gewünscht ist.
Meine Damen und Herren, Physiotherapeuten leisten eine wichtige Arbeit. Wer das noch nicht am eigenen Leib ver
spürt hat, wird das womöglich noch tun. Wir wünschen Physiotherapeuten alles Gute. Die Ausbildungsfreiheit kommt.