Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

Aber auch das Bundesverkehrsministerium muss aus den Vorfällen lernen. Die von Verkehrsminister Scheuer gesetzte Frist zur Nachbesserung betroffener Pkw durch Software-Updates ist sicherlich ein erster Schritt, allerdings muss strukturell noch etwas passieren.

Das Kraftfahrtbundesamt wusste laut ARD schon seit 2015 von Abgasmanipulationen in Deutschland. Diese Erkenntnisse konnten aufgrund von Personalmangel nicht weiter verfolgt werden. Es liegt nun am Verkehrsminister, das Amt besser auszustatten, als es all seine Vorgänger getan haben. Dennoch bleibt die Hauptverantwortung bei den Autoherstellern.

Niemand will Fahrverbote. Daher muss endlich gehandelt werden. Menschen haben Vertrauensschutz und brauchen Schutz vor Wertverlust ihrer Fahrzeuge. Das ist ebenfalls eine Aufgabe der Politik.

Deshalb bin ich froh darum, dass Rheinland-Pfalz diese Aufgabe erkannt und Verkehrsminister Dr. Wissing durch das Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ gemeinsam mit den betroffenen Städten an einer passgenauen Lösung

gearbeitet hat.

Wenn jetzt noch das versprochene Geld aus Berlin kommt und die Konzerne ihre Versprechen halten, sind wir Freien Demokraten zuversichtlich. Wir werden gemeinsam mit den Partnern weiterhin dafür arbeiten.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit gut einem Jahr ist der Dieselskandal bekannt, und er nimmt immer neue Dimensionen an. Die Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler in dieser Woche ist ein weiterer Markstein.

Dieser Schritt der Staatsanwaltschaft ist meines Erachtens völlig richtig. Es geht bei den bewusst herbeigeführten Manipulationen an den Abgasvorrichtungen nicht um irgendwelche kleinen technischen Veränderungen, im Gegenteil – das mussten wir im Laufe der vergangenen Monate zur Kenntnis nehmen –, es ist beinharte Wirtschaftskriminalität. Es handelt sich um einen ganz massiven und bewussten Betrug, einen Massenbetrug an den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Es geht um Marktmanipulationen – im Übrigen auch zum Schaden der eigenen Aktionäre. Es geht um Urkundenfälschung – denn Typenzulassungen wurden falsch beurkundet. Und es geht schließlich um die Beugung des Rechts – der massenhafte Verstoß gegen Umweltgesetze. Ganz explizit geht es um die gesundheitliche Gefährdung – mindestens aber Belastung von Bürgerinnen und Bürgern in den Städten.

Am 27. Februar 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass deutsche Städte grundsätzlich nach geltendem Recht Dieselfahrverbote verhängen können. Das Urteil sah zudem Übergangsfristen und eine phasenweise Einführung von Fahrverboten vor. Es wurde schon erwähnt, in Hamburg gilt seit 31. Mai ein Dieselfahrverbot an zwei Straßenabschnitten.

Das Umweltbundesamt hat letztes Jahr festgestellt, dass Euro-5-Diesel auf der Straße durchschnittlich 906 mg Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. Damit haben sie fünfmal so hohe Emissionen, als nach dem Grenzwert von 180 mg erlaubt sind. Diese Zahlen machen noch einmal deutlich, es geht hier nicht um Kleinigkeiten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Beim Thema Fahrverbote kommt schnell der Vorwurf, man wolle die Autofahrer enteignen. Aber es ist die Bundesre

gierung – die letzte allemal, und derzeit ist es der Verkehrsminister –, die die Verantwortung dafür trägt, dass durch den massiven Wertverlust der betroffenen Fahrzeuge eine Quasi-Enteignung stattfindet, weil die Bundesregierung, allen voran immer die bayerischen Verkehrsminister, Dobrindt und jetzt Scheuer, die Autohersteller nicht zu einer Hardware-Nachrüstung verpflichten.

Unsere Landesregierung hat ein Paket zur Unterstützung der betroffenen rheinland-pfälzischen Städte aufgelegt, vor allem um die Umrüstung im Bereich ÖPNV zu unterstützen. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, aber er reicht nicht.

Laut Umweltbundesamt sind 72,5 % der verkehrsbedingten Stickoxidbelastungen durch Diesel-Pkw entstanden – so sie nicht der Euro-6-Norm entsprechen –, die somit für die Luft- und Gesundheitsbelastungen in den Städten verantwortlich sind. Tatsächlich machen Dieselbusse nur 4 % der Schadstoffbelastungen aus, Lkw und Lieferverkehr ca. 19 %, lokale Industrie 3 % und Heizung 7 %. Das sind Zahlen des Umweltbundesamts.

Man hat sich seitens der Bundesregierung bisher mit dem wachsweichen und für die Autoindustrie günstigen Angebot zufriedengegeben, dass den Betrugsautos lediglich ein Software-Update aufgespielt werden soll. Diese Updates sollen eine Verbesserung um 25 % bis 30 % bringen. Ich erinnere noch einmal an die Zahlen, die ich vorhin hinsichtlich der Belastungen vorgelesen habe. Es ist klar, damit wird das Problem nicht gelöst.

Der ADAC – ich erwähnte es bereits bei einer früheren Rede zu diesem Thema im Plenum – hat in Zusammenarbeit mit dem baden-württembergischen Verkehrsministerium bewiesen, dass durch eine Hardware-Nachrüstung immerhin bis zu 90 % Verbesserungen erreicht werden. Die sogenannten SCR-Katalysatoren, die für die selektive katalytische Reduktion zuständig sind, wären vor allem für die Euro-5-Diesel geeignet. Davon gibt es mehr als genug.

Die Kosten dafür würden sich im Rahmen halten. Sie betragen ungefähr 3.000 Euro pro Pkw. Frau Wieland, ja, Sie haben recht, dafür muss es eine Zulassungsrichtlinie geben. Das ist völlig richtig. Die muss erarbeitet werden. Aber man muss einfach einmal anfangen. Deshalb rufen wir gerade den Bundesverkehrsminister auf, dass er endlich durchsetzen soll, dass diese Hardware-Nachrüstungen Pflicht werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Natürlich soll nicht der einzelne Autobesitzer die Kosten tragen, sondern diejenigen, die durch ihre kriminellen Machenschaften das Problem geschaffen haben, die dafür verantwortlich sind und sich, nebenbei bemerkt, über Jahre eine goldene Nase verdient haben.

Offensichtlich war ihnen völlig egal, dass sie damit auch den guten Ruf des „Made in Germany“ in Misskredit bringen.

(Glocke des Präsidenten)

Sie nehmen in Kauf, dass die deutsche Wirtschaft – das

betrifft auch unseren Mittelstand in Rheinland-Pfalz – verunsichert ist. Das geht nicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Verkehrsminister Dr. Wissing das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Automobilindustrie gehört zum industriellen Kern unserer Volkswirtschaft, sie steht für Innovation, für Beschäftigung und Wohlstand in unserem Land.

In der Bundesrepublik sind mehr als 800.000 Menschen unmittelbar in der Automobilindustrie beschäftigt, mehrere Hunderttausend Beschäftigte kommen in anderen Branchen, wie dem Maschinenbau oder auch der chemischen Industrie, hinzu.

Die deutsche Automobilindustrie ist eines der internationalen Aushängeschilder der deutschen Wirtschaft. Die uns allen bekannten Marken stehen für die außerordentlicher Qualität „Made in Germany“.

Genau dieses internationale Markenzeichen „Made in Germany“ läuft Gefahr, beschädigt zu werden. Dabei tröstet oder rechtfertigt auch nicht, dass eine Vielzahl europäischer Hersteller ebenfalls Einrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut haben, die zu Unterschieden bei der Messung auf dem Prüfstand und im Realbetrieb führen. Diese Praxis mag vielleicht sogar rechtens sein, legitim ist sie jedenfalls nicht.

Autos und ganz besonders so hochwertige wie die seitens der deutschen Automobilindustrie angebotenen sollten durch Technik begeistern und eben nicht mit Technik täuschen. Leider hat sich diese im Nationalen Forum Diesel in Berlin nicht gestellt und damit auch keinen finanziellen Beitrag zum Fonds der Automobilindustrie geleistet.

Eines muss klar sein: „Made in Germany“ muss höchste Qualitätsstandards erfüllen. Das gilt hinsichtlich der technischen Qualität der Produkte genauso wie hinsichtlich deren Rechtskonformität und natürlich auch der Umweltverträglichkeit.

Wo bestimmte Verbrauchs- und Abgaswerte draufstehen, müssen diese auch eingehalten werden. Gerade unsere Automobilindustrie, die sich stets zu Recht als technische Avantgarde verstanden hat, sollte diese Werte auf der Straße und nicht nur auf dem Prüfstand einhalten.

Deshalb muss im Rahmen der Aufarbeitung klar sein, dass Rechtsverstöße nicht zu akzeptieren sind und entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Dieser Tage ist in einem staatsanwaltschaftlichen Verfahren ein Bußgeld in Höhe von 1 Milliarde Euro verhängt worden. In unserer Wirtschaftsordnung wird damit klar, Schummeln lohnt sich nicht.

Eine freie Wirtschaftsordnung braucht nicht nur Vorschriften, sie braucht auch Verantwortung – Verantwortung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern, den Beschäftigten, aber auch gegenüber der Umwelt. Wo sich die Wirtschaft der Verantwortung verweigert, zwingt sie den Staat, ihr Grenzen vorzugeben und immer tiefer in die Unternehmenspolitik einzugreifen. Das Ende eines solchen Prozesses ist mehr Bürokratie, weniger Freiheit und Flexibilität. Das kann auch nicht im Interesse der Unternehmen sein.

Meine Damen und Herren, deshalb gilt es selbstverständlich auch, den Kunden, den Verbraucher in den Blick zu nehmen. Millionen von Kunden haben einen Pkw mit Dieselantrieb in gutem Glauben erworben, dass sie ein modernes, effizientes und umweltverträgliches Fahrzeug gekauft haben. Einen Pkw kauft man nicht nebenbei, für viele Haushalte und Familien ist das eine außerordentliche Anschaffung, die im Schnitt nur alle sieben oder acht Jahre erfolgt. Deshalb gilt hier besonders: Jeder Kunde, der einen Diesel-Pkw und eine rechtswidrige Abschaltvorrichtung mit erworben hat, muss vom Hersteller ein Fahrzeug bekommen, das rechtskonform ist und der Typengenehmigung entspricht.

Wenn das nur mit einer Hardware-Nachrüstung zu bewerkstelligen ist, dann müssen die Hersteller diese Nachrüstung durchführen. Meine Damen und Herren, dieser Grundsatz muss stets gelten. Jeder Kunde hat ein Recht darauf, ein den Vorschriften entsprechendes Produkt zu erhalten.

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema drohende Fahrverbote sagen. Die Dieseldebatte ist eng mit der Thematik Mobilität und Luftreinhaltung und der hierzu angekündigten EU-Klage aufgrund zu hoher Stickoxidwerte sowie dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2018 über mögliche Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in den Städten verbunden.

Unter der Voraussetzung der Prüfung, insbesondere der Wahrung der Verhältnismäßigkeit, können Städte danach Fahrverbote in Erwägung ziehen. Ich habe bereits zu Beginn der ganzen Diskussion um die Luftschadstoffproblematik in den Städten betont, dass wir dieses Thema besonders ernst nehmen und es mir persönlich wichtig ist. Deshalb wurde in diesem Zusammenhang von meinem Haus das Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ aufgelegt; denn der Landesregierung war von Anfang an klar, dass für den Schutz der Menschen und der Wirtschaft und zur Abwendung massiver Schäden für die von Grenzwertüberschreitung betroffenen drei rheinland-pfälzischen Städte Mainz, Koblenz und Ludwigshafen ein sofortiges Handeln geboten ist.

Ich habe bereits mehrfach im Plenum berichtet, dass die Landesregierung mit dem Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ die Städte nach besten Kräften unterstützt, damit die Stickoxidbelastung zeitnah sinken kann und die Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden. Das Bundesprogramm „Saubere Luft“ verfolgt die gleiche Zielrichtung.

Wie die aktuellen Messwerte belegen, sind wir in Rheinland-Pfalz dem Ziel einer Einhaltung der Stickoxidwertgrenzen einen wichtigen Schritt näher gekommen.

Nach den am 31. Mai vom Umweltbundesamt veröffentlichten finalen Ergebnissen der Stickstoffoxidmessungen ist die Belastung der Luft mit Stickstoffoxid in 2017 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Die Zahl der Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen nahm bundesweit von 90 auf 65 ab.

Mit den nun vorliegenden endgültigen Ergebnissen wurde die erste Schätzung vom Jahresanfang mehr als bestätigt. Die Zahl der Städte mit Grenzwertüberschreitungen ist noch einmal zurückgegangen.

Besonders erfreulich aus rheinland-pfälzischer Sicht ist, dass das Ergebnis für Koblenz bestätigt wurde und in 2017 der Grenzwert von 40 mg pro Kubikmeter eingehalten werden konnte.

Auch die positive Entwicklung der Messwerte in Mainz und Ludwigshafen mit den erkennbaren Minderungen der Emissionen wurde nun bestätigt. Der Grund dürfte in den Software-Updates und im zunehmenden Anteil von Pkw und Lkw liegen, die die Euro-6- bzw. 6-Schadstoff-Norm erreichen. In Mainz wird sicherlich auch die Inbetriebnahme der aus Landesmitteln geförderten Mainzelbahn eine Rolle spielen.

Zu der jetzt angekündigten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist aus rheinland-pfälzischer Sicht Folgendes festzustellen: Die positiven Entwicklungen der Messwerte beim Luftschadstoff Stickstoffoxid belegen, dass die rheinlandpfälzischen Städte Mainz, Koblenz und Ludwigshafen bei der Einhaltung der Grenzwerte auf einem guten und richtigen Weg sind. Gemeinsam mit den Städten sind wir zuversichtlich, dass die Maßnahmen im Zuge des Aktionsprogramms „Saubere Mobilität“ des Landes in diesem Jahr umgesetzt werden können und eine weitere Minderung der verkehrsbedingten Luftschadstoffemissionen erreicht wird.

Im Zusammenhang mit dem weiter wachsenden Anteil schadstoffarmer Fahrzeuge im realen Betrieb, den Software-Updates an Abgasreinigungssystemen bestimmter Euro-5-Fahrzeuge und der vorgezogenen Außerbetriebsetzung von älteren Pkw durch die Umweltprämien der Hersteller sowie weiteren vom Bund, leider eher schleppenden, aber doch geförderten Maßnahmen ist auch in diesem und im kommenden Jahr damit zu rechnen, dass die Emissionen spürbar zurückgehen werden.