Protokoll der Sitzung vom 22.06.2018

(Zuruf von der CDU: Nichts ist besser geworden!)

Immerhin, die Auswahl des Titels deutet schon einmal darauf hin, dass sich in diesem Bereich durchaus etwas getan hat. Kollege Herber hat im vorigen Jahr den Antrag der CDU begründet und die Intention offen genannt. Steter Tropfen höhlt den Stein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dieser Stein liegt aber nicht in Mainz, er liegt in Berlin.

Die Liste der sicheren Herkunftsländer ist nur vordergründig ein rheinland-pfälzisches Thema. Die Staaten Algerien, Tunesien und Marokko auf diese Liste aufzunehmen, findet die Zustimmung der FDP. Das wissen Sie. Das haben sowohl Frau Cornelia Willius-Senzer als auch Monika Becker in ihren Reden vom 25. Januar 2017 bzw. 22. März 2018 ausführlich begründet.

(Zuruf des Abg. Johannes Zehfuß, CDU)

Ich komme gleich noch dazu, Augenblick.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat dazu in diesem Frühjahr einen eigenen Antrag im Bundestag gestellt. Ja, wir Freien Demokraten sehen Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer. Wir stehen zu unserer Meinung und werben auch dafür;

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

dennoch gab es in der Abstimmung des Bundesrats im März 2017 keine Mehrheit. Im Bundesrat enthalten sich regelmäßig Koalitionsregierungen der Stimme, wenn einer der Koalitionspartner eine andere Meinung vertritt. Das ist parlamentarischer Brauch. Daran hält sich auch die CDU.

(Zurufe von der CDU)

Genauso ist es. Sie enthalten sich ebenso mit Ihren Koalitionspartnern. Warum also ignorieren Sie mit Ihrem Antrag diese Realität in Rheinland-Pfalz?

(Zuruf des Abg. Johannes Zehfuß, CDU)

Interessanter ist doch vielmehr die Frage, wann es endlich Rücknahmeabkommen mit Algerien, Tunesien und Marokko gibt. Jetzt zitiere ich Cornelia Willius-Senzer aus ihrer Rede vom 25. Januar 2017: „Selbst wenn wir Asylanträge aus den Maghreb-Staaten schneller ablehnen könnten, scheitert eine schnelle Rückführung doch vor allem an der mangelnden Rücknahmebereitschaft dieser Staaten.“ – Ich zitiere weiter: „Es kann doch nicht sein, dass die Herkunftsstaaten sich weigern, für ihre Staatsbürger Ersatzpapiere auszustellen und so Rückführungen verhindern.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Genau!)

Es kann doch nicht sein, dass manche Staaten Rückführungen nur in Linienflugzeugen zulassen und dann auch noch beschränkt auf bestimmte Fluggesellschaften und mit sehr überschaubaren Höchstgrenzen.“

Meine Damen und Herren, wir alle wissen doch, das ist der Stein, der aus dem Weg zu räumen ist. Das ist der Ansatzpunkt, über den wir das Grundrecht des Asyls auf die Antragsteller fokussieren können, die tatsächlich persönlich verfolgt wurden. So steht es in unserem Grundgesetz.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, deshalb muss doch der Appell von Mainz nach Berlin gehen. Frau Bundeskanzlerin, hier sind Sie gefragt.

Ja, steter Tropfen höhlt den Stein, lieber Dirk Herber. Ist das jetzt der Job von Horst Seehofer?

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Helfen Sie doch bitte mit, dass der Bund die notwendigen Voraussetzungen schafft, um abgelehnte Asylbewerber tatsächlich rückführen zu können.

(Beifall der Abg. Helga Lerch, FDP, und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, erst dann sind auch wir in Rheinland-Pfalz überhaupt in der Lage, notwendige Rückführungen zu intensivieren.

Im Hinblick auf Ihren Antrag sollten wir noch einen Blick auf die Fakten werfen. Im ersten Quartal 2016 wurden in unserem Bundesland 9.000 asylsuchende Menschen registriert, im ersten Quartal 2018 waren es 1.881. Rein rechnerisch ist es gar nicht möglich, Rückführungen zu intensivieren.

Nicht zuletzt sollten wir auch die vielen menschlichen Tragödien nicht aus dem Blick verlieren. Menschen aus vielen Ländern machen sich auf den Weg und gehen große Risiken ein auf der Suche nach einer besseren Zukunft bei uns. In ihrem Antrag spricht die CDU von der Duldungspraxis. Es gibt durchaus Gründe, den Aufenthalt von geflüchteten Menschen zu dulden, auch wenn der Asylantrag abgelehnt wird. Rheinland-Pfalz hat sich hier immer sehr verantwortungsbewusst gezeigt.

(Zuruf des Abg. Dirk Herber, CDU)

Das Modell „freiwillige Rückkehr vor Abschiebung“, zunächst vielfach kritisiert, hat inzwischen viele Nachahmer gefunden.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anerkennungsquote beim Asyl für Bewerber aus den Maghreb-Staaten oder auch aus Afghanistan ist erfahrungsgemäß sehr gering.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, klar ist auch, wir können nicht alle Menschen bei uns aufnehmen,

(Glocke der Präsidentin)

aber wir können Perspektiven eröffnen. Deshalb fordert die FDP seit vielen Jahren ein modernes Einwanderungsgesetz. Dies muss ich hier noch einmal eindringlich sagen.

An die Adresse der CDU gerichtet:

(Glocke der Präsidentin)

Setzen Sie sich bei der Bundesregierung dafür ein, dass sie endlich die Voraussetzungen für eine geregelte Einwanderung schafft. Dann ließe sich weltweit im Internet klar nachlesen, unter welchen Bedingungen ein Aufenthalt in Deutschland überhaupt möglich ist.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Kollegin Katharina Binz das Wort. – Bitte schön, Frau Binz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das letzte Mal haben wir im letzten November zu diesem Thema diskutiert aufgrund einer Aktuellen Debatte der CDU. Seitdem hat sich nichts geändert, Abschiebungen scheitern nicht an der Zuständigkeit, sondern an anderen Faktoren. Sie scheitern am Gesundheitszustand, am persönlichen Zustand,

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Oder dass man nicht weiß, wo sie sind, Frau Kollegin!)

an fehlenden Rücknahmeabkommen oder an anderen Hindernissen. Diese können Sie mit einer Landeszuständigkeit nicht einfach aus dem Weg räumen.

Das Land stellt allerdings alle Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung, die es braucht, um auch mit komplexen Fällen gut umzugehen, und wir reden oft von komplexen Fällen. Sie versuchen einmal mehr, diese Komplexität der ganzen Integrations- und Asylpolitik mit kurzen und knackigen Forderungen auszublenden. Das hilft Ihnen sicher dabei, schnittige Anträge zu schreiben und schnittige, aufregende Reden zu halten,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber es ist keine Realpolitik, und es hilft nicht dabei, die realen Herausforderungen zu bewältigen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der FDP)

Wir haben in Rheinland-Pfalz ein gutes System. Es wird ständig auf Verbesserungen überprüft. Ich verweise auf das AERBiT-Projekt des Innenministeriums gemeinsam mit dem Integrationsministerium. Ein gutes Drittel der Abschiebungen geschieht direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen. Die freiwillige Rückkehr, ein Modell aus RheinlandPfalz, wird mittlerweile bundesweit praktiziert und vom Bund unterstützt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Gut, dass auch hier endlich ein Umdenken stattgefunden hat.

Ich komme zu Ihrer Forderung, die Duldungen einzuschränken. Sie fordern, die Ermessensspielräume der Duldungen abzuschaffen und weniger Duldungen auszusprechen. Dann sagen Sie doch einmal, für welche Gruppen Sie in Zukunft keine Duldungen mehr aussprechen wollen. Das lassen Sie offen. Dazu würde ich von Ihnen einmal Butter bei die Fische fordern und über alle Fälle zu sprechen und nicht nur über die Straffälligen, sondern über alle

Menschen, die davon betroffen wären.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Duldungen ergeben sich aus § 60 Aufenthaltsgesetz. Dort ist ganz klar geregelt, in welchen Fällen eine Duldung erteilt wird, was auch bedeutet, es besteht weiterhin eine Ausreisepflicht, die Abschiebung ist lediglich ausgesetzt. Auch das möchte ich noch einmal betonen.