Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

In diesem Zusammenhang lässt sich auch der Meisterbonus nennen. Dieser ist Ansporn für die persönliche Weiterqualifizierung.

Die Strategie dieser Koalition besteht aus einer Mischung zielgerichteter Maßnahmen. Junge Menschen sehen sich zunehmend als Individuen, und dementsprechend ist es richtig, die Ansprache über vielfältige Wege zu organisieren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben jetzt viel dazwischengerufen. Ich kann bei dem Thema durchaus mitsprechen. Ich komme aus einer handwerklichen Familie, und ich habe selbst einen handwerklichen Beruf nach der Schule erlernt. Ich bin stolz darauf, und er hat mir in meinem Leben immer geholfen. Ich habe es nie bereut, dass ich das getan habe. Das erzähle ich jeder Schulklasse und jeder Besuchergruppe.

Deshalb unterstütze ich es, wenn wir sagen, wir müssen das Handwerk weiter fördern, wir müssen das Handwerk weiter unterstützen und alles dafür tun, damit die Herausforderungen in Zukunft gelöst werden. Daher lade ich ein, gemeinsam das Handwerk weiter zu stärken.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Licht, CDU: Dass es mehr „Winks“ gibt!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kol

legin Blatzheim-Roegler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollte man einmal ein bisschen weg von der Pauschalisierung: hier die Akademisierung, die eher negativ bewertet wird, dort die handwerkliche Ausbildung, die eher positiv bewertet wird.

Es kommt auch darauf an, wie sich das Kind, wie sich der junge Mensch entwickelt. Ich bin Mutter von vier Kindern. Da bekommen Sie die ganze Bandbreite mit, vom Studium bis zur handwerklichen Ausbildung. Von daher ist es – ich fordere das schon ein – auch Aufgabe der Eltern, ihre Kinder dahin zu begleiten, wo die Stärken sind. Nicht jedes Kind hat seine Stärken im Handwerk, aber auch nicht jedes Kind hat seine Stärken in einer gymnasialen Ausbildung oder in einem Studium.

Ja, die duale Ausbildung ist ein zentraler Pfeiler der Wirtschaft und Gesellschaft in Rheinland-Pfalz. Dies bewusst zu machen, diesen Prozess beispielsweise auch an den Gymnasien bewusst zu machen – was wir voll unterstützt haben –, ist Gott sei Dank in den letzten Jahren auch tatsächlich umgesetzt worden.

Wir haben mit der dualen Ausbildung in Deutschland wirklich ein Pfund in der Hand – das wurde auch schon gesagt –, welches garantiert, dass unsere Handwerksbetriebe auch einen sehr guten Nachwuchs bekommen. Aber angesichts der demografischen und der technologischen Entwicklung stehen die Handwerksbetriebe, aber auch die Berufsschulen vor vielfältigen Herausforderungen.

Nichtsdestotrotz, wenn man isoliert auf RheinlandPfalz blickt, besagt der DGB-Ausbildungsreport für das Jahr 2017, dass die Zahl der Ausbildungsverhältnisse bundesweit im letzten Jahr um 0,6 % stiegen, in RheinlandPfalz der Anstieg aber mit 1,2 % doppelt so hoch ausfiel. Weiterhin liegt der Zuwachs im Handwerksbereich, in dem im Moment der größte Fachkräftebedarf besteht – gerade dort wird auch immer wieder das Nachfolgeproblem thematisiert –, bundesweit bei 1,4 % und in Rheinland-Pfalz sogar bei 4,4 %. Das heißt doch, dass auch die Maßnahmen der Landesregierung und natürlich auch der Ausbilder sowie – dies wurde bereits angesprochen – von Ausbildungsmessen vor Ort ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass in Rheinland-Pfalz die Situation vielleicht nicht optimal ist, aber auf jeden Fall besser als in manch anderem Bundesland.

Die politischen Maßnahmen der Landesregierung dazu liegen beispielsweise in dem Angebot eines Schulentwicklungsprojekts EQuL. Weiterhin wurde schon gesagt, die Fachkräftestrategie trägt dazu bei. Es gibt ein Projekt „Berufsschule 2020“, das über einen Zeitraum von zwei Schuljahren mit vielfältigen pädagogischen, organisatorischen und technischen Möglichkeiten erprobt wurde, und es gibt natürlich auch noch die Coaches für betriebliche Ausbildung, Feriencamps oder die Woche der beruflichen Bildung.

Ich möchte noch einmal auf das Thema der Aktuellen Debatte zu sprechen kommen, den Nachwuchsmangel im Handwerk. Das Nachwuchsproblem beschränkt sich nicht nur auf das Handwerk, sondern es betrifft auch andere Ausbildungsberufe. Daher sollten wir uns vielleicht in Erinnerung rufen, dass – wenn wir über Fachkräftemangel reden – eigentlich jedem klar sein müsste, dies schreit geradezu nach einem praxisnahen Einwanderungsgesetz. So kann es doch nicht etwa sein, dass es einem qualifizierten Asylantragsteller, der hier einen Job oder eine Ausbildung gefunden hat, nicht möglich ist, innerhalb des Asylverfahrens in die Erwerbsmigration zu wechseln. Diesen Spurwechsel zuzulassen, ist längst überfällig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich ein Zitat von Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, in der WELT vom 17. August zitieren: „Es wäre doch geradezu widersinnig, wenn man genau die abschiebt, die in unseren Betrieben zu diesen gesuchten Fachkräften ausgebildet worden sind.“ Er betont: „Im Handwerk suchen wir händeringend Fachkräfte.“ Ja, wir brauchen die Zuwanderung. Das wollten viele allzu lange nicht wahrhaben. Wir brauchen Arbeitsmigration mit einem jährlichen Kontingent und einem Punktesystem, und darüber muss man sich verständigen.

(Glocke der Präsidentin)

Wir brauchen natürlich weiterhin auch die Kraft, unseren Kindern, unseren jungen Menschen die duale Ausbildung immer wieder als eine hervorragende Möglichkeit nahezubringen,

(Glocke der Präsidentin)

um gut ins Leben zu starten.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP - Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Dr. Wissing.

Besten Dank, Frau Präsidentin! Zunächst einmal ist es ein sehr wichtiges Thema, mit dem sich der Landtag heute auseinandersetzt; aber es ist auch ein Thema, das nicht ganz einfach zu lösen ist. Es ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die wir überall vorfinden. Wir kennen alle die Ursachen, und es ist nicht ganz einfach, gegenzusteuern.

Authentisch können dies Leute tun, die selbst ein Handwerk gelernt haben, wie Herr Kollege Wink oder andere. Aber wenn ich beispielsweise für die duale Ausbildung und für das Handwerk werbe, muss ich zugestehen, dass ich selbst auch keine gemacht habe. Deswegen finde ich es

immer gut, wenn wir alle ganz ehrlich und offen darüber reden, wie die Situation ist.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Ich finde, das gehört dazu.

Ich begegne des Öfteren Unternehmern, die mir sagen: Herr Minister, Sie müssen für mehr Straßenbauarbeiter sorgen. – Ich rege dann an, jeden selbst zu fragen, welche Ausbildung er gemacht hat und zu welchem Beruf er seine Kinder motiviert. – Wir müssen uns ehrlich machen in diesen Fragen, das ist das wichtigste.

Ich finde die Debatte gut, weil sie sachlich ist und man sich nicht gegenseitig Schuldvorwürfe macht. Mit Sicherheit ist nicht ein Politiker daran schuld, sondern es ist eine gesellschaftliche Entwicklung.

Aber wir können auch nicht einfach nur zuschauen. Deswegen müssen wir uns überlegen, wie wir diesen Fachkräftebedarf, den wir im Handwerk haben, künftig decken können. Sie sagen, wir müssen den Meisterbrief verteidigen. – Das tut die Landesregierung. Ich war Ende 2016 gemeinsam mit den Handwerkskammern in Brüssel, und wir haben dort Gespräche mit der EU-Kommission geführt. Wir haben auch eine öffentliche Veranstaltung in Brüssel dazu gemacht, um klarzumachen, wir als Land, wir als Landesregierung stehen ohne Wenn und Aber zum Meisterbrief. Ich habe dort auch den Satz gesagt: Es wäre besser gewesen, man hätte uns die HGB-Bilanz gelassen, manches an den Finanzmärkten wäre nicht passiert. Und die duale Ausbildung werden wir uns nicht nehmen lassen,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Das werden wir noch sehen, wie der Widerstand dagegen ist!)

weil wir nicht wollen, dass dieses Idealmodell aus Deutschland weggeschoben wird und wir am Ende vielleicht eine genauso negative Entwicklung im Bildungsbereich haben. –

Also, wir kämpfen für die duale Ausbildung. Am 7. September treffe ich mich in Koblenz mit den Handwerkskammern und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, und auch dort geht es genau um das EU-Dienstleistungspaket und den Meisterbrief. Da sind wir als Landesregierung klar.

Die Frage ist natürlich schwierig: Wie bekommen wir mehr Menschen in die duale Ausbildung? – Die Durchlässigkeit ist gegeben. Der Meister ist dem Bachelor vollkommen gleichgestellt. Wer sich heute für eine duale Ausbildung entscheidet, entscheidet sich nicht gegen eine akademische; er kann jederzeit wechseln. Es ist einfach nur die Frage: Will man mehr praktisch oder mehr theoretisch arbeiten? – In den Köpfen der Menschen ist das aber in der Breite noch nicht angekommen.

Wir wollen die berufliche Ausbildung stärker in den Vordergrund rücken. Deswegen veranstaltet die Landesregierung auch eine Woche der beruflichen Bildung, in der wir auf die Attraktivität des Handwerks hinweisen. Wir haben – das ist schon erwähnt worden – die Coaches für betriebliche

Ausbildung geschaffen. Das Wirtschaftsministerium unterstützt gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und den Kammern junge Menschen, damit sie passgenau in die Ausbildungsberufe kommen. Und dass die Ausbildung, wenn sie einmal begonnen wird, möglichst nicht beendet wird. Diese unmittelbare Hilfeleistung ist typisch für uns in Rheinland-Pfalz. Dies sind nicht theoretische Pakete, sondern ein Coach, der mit dem Azubi oder mit dem Ausbilder spricht und fragt: Wenn etwas nicht funktioniert, wie können wir helfen, woran liegt es? – Das findet in Rheinland-Pfalz statt.

Die Landesregierung stellt dafür 700.000 Euro zur Verfügung und die Bundesagentur für Arbeit und die Kammern jeweils noch einmal die gleiche Summe, und wir haben einen beachtlichen Erfolg damit. Im Jahr 2017 hatten wir 5.800 Handwerksbetriebe, die durch die Coaches betreut wurden, und 1.456 junge Menschen. Über 500 wurden unmittelbar durch Coaches in die Ausbildung vermittelt, und 301 Personen gelangten in ein Langzeitpraktikum, in die sogenannte Einstiegsqualifizierung.

Wir tun aber noch mehr. Am Ovalen Tisch findet ein enger Austausch statt. Es gibt dort viele Konzepte, die besprochen werden. Und wir haben auch den Aufstiegsbonus eingeführt, ebenfalls ein klares Bekenntnis zum Meister bzw. zur Meisterin. Wir haben den Aufstiegsbonus I eingeführt mit einer Anerkennungsprämie von 1.000 Euro für jeden, der die Qualifikation macht, und weiterhin den Aufstiegsbonus II für denjenigen, der sich für die Selbstständigkeit entscheidet und ein Handwerksunternehmen gründet oder übernimmt.

Wir sind auch mit den Feriencamps mit einem eigenen Konzept unterwegs. Dies ist ein wichtiges Feld der Nachwuchsgewinnung. Wir fördern seitens des Wirtschaftsministeriums Feriencamps für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen, die die Möglichkeit haben, die ganze Vielfalt des Handwerks während der Sommerferien kennenzulernen. Dies hat auch noch eine sozialpolitische Komponente; denn viele Familien wissen nicht, wie sie ihre Kinder sechs Wochen lang betreuen lassen können, wenn Mutter und Vater arbeiten. Aber wir wollen auch die Zeit nutzen, um jungen Menschen während dieser Betreuungsphase Einblicke ins Handwerk zu geben, und das wird sehr gut angenommen.

Als ich das Projekt gestartet habe, hat man mir gesagt, das sei in anderen Bundesländern schon gescheitert, aber bei uns funktioniert es. Es lohnt sich also auch manchmal, Dinge in Rheinland-Pfalz erneut auszuprobieren, die andernorts nicht geklappt haben. Bei uns funktioniert es sehr gut. Im Sommer haben 580 junge Menschen in RheinlandPfalz das Feriencamp besucht, und wir werden in den Herbstferien noch einmal 160 Schülerinnen und Schüler haben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie begeistert die jungen Menschen sind und wie erfolgreich dieses Programm läuft.

Wir haben auch einen Anstieg der Ausbildungsverhältnisse im rheinland-pfälzischen Handwerk zu verzeichnen. Im Jahr 2017 haben 252 Menschen mehr einen Ausbildungsvertrag unterschrieben als im Vorjahr. Also, es tut sich etwas. Es sind viele kleine Maßnahmen: die Coaches, die

Feriencamps, all diese einzelnen Dinge, die aber offensichtlich Früchte tragen. Es sind immerhin 3,3 % mehr, die in die handwerkliche Ausbildung gegangen sind, und diese Steigerung freut uns natürlich.

Wir werden als Landesregierung nicht nachlassen, diesen Kurs fortzusetzen. Ich versichere Ihnen, wir sind in einem permanenten Austausch. Die Themen Fachkräftesicherung, duale Ausbildung und Auszubildende für das Handwerk zu finden, stehen ganz im Fokus der Landesregierung.

Heute ist auch schon einmal das Mittelstandskonzept der Landesregierung angeklungen. Wir machen nichts anderes als Mittelstandspolitik. Natürlich ist die Fachkräftesicherung gerade auch im Handwerk angesichts des großen Bedarfs eine unserer vornehmsten Aufgaben. Wir sind in permanentem Austausch mit den Handwerkskammern und mit allen Akteuren, um zu erfahren, an welcher Stellschraube wir noch ein bisschen drehen können, um die Situation zu verbessern.

Insofern sind alle willkommen, die weitere Vorschläge machen. Ganz wichtig ist, dass wir jede Gelegenheit nutzen, die Attraktivität, die Vielfalt, die Kreativität und den Chancenreichtum der Handwerksberufe immer wieder zu betonen. Dazu bietet auch die Woche der beruflichen Bildung in diesem Jahr eine gute Gelegenheit. Rheinland-Pfalz hat ein sehr erfolgreiches Handwerk. Wir wissen, was wir am Handwerk haben, und wir haben alle gemeinsam eine Verantwortung dafür, dass die Gesellschaft die duale Ausbildung als besonderen Wert für uns alle wahrnimmt.

Herzlichen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgrund der Redezeit der Landesregierung haben alle Fraktionen zusätzlich zu ihrer Redezeit von 2 Minuten noch 45 Sekunden. Herr Abgeordneter Baldauf hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Wissing, zunächst einmal möchte ich sagen, so finde ich Debatten gut, wenn man konstruktiv überlegt, in welche Richtung es geht. Es ist ein Problem, das wir nicht von jetzt auf nachher lösen.