Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

Die Nutzung von Handys an Schulen ist in Rheinland-Pfalz nicht generell verboten, im Schulgesetz gibt es dazu keine Regelung. Jede Schule kann frei entscheiden, wie sie damit umgeht.

Warum sehen wir Handlungsbedarf? – Weil diese Regelung praxisfern ist. Die Nutzung von Handys, die schlichtweg Aufmerksamkeitsvampire sind – so die F.A.Z. sehr treffend –, nimmt rasant zu und erreicht inflationäre Ausmaße. So hat sich die Zahl der Handybesitzer unter den Grundschulkindern zuletzt innerhalb von nur drei Jahren von 7 auf 18 % mehr als verdoppelt. Den Schulen fehlt die Rückendeckung durch eine landesweite Regelung.

Um Konflikten mit Schülern und Eltern aus dem Weg zu gehen, scheuen viele Schulen eine strengere Handhabung. Konfliktscheue der Lehrer und Schulleitungen ist sowieso ein grundsätzliches Problem. Es ist nicht effizient und auch nicht sinnvoll, wenn jede Schule für sich einen aufwendigen Kampf mit hitzigen Diskussionen und Widerständen führen muss.

Was wollen wir? – Wir wollen eine Regelung wie in Bayern, das ein Handyverbot im Schulgesetz festgeschrieben hat, zunächst auf die Grundschulen beschränkt, nach einer einjährigen Pilotphase gegebenenfalls eine Ausdehnung bis auf die 7. Klasse.

(Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP)

Das Handyverbot gilt für das gesamte Schulgelände, für den Unterricht und den Pausenhof. Das berechtigte Interesse der Eltern, ihre Kinder auf dem Schulweg erreichen zu können, bleibt von diesem Handyverbot selbstverständlich unberührt. Außerdem ist die Handynutzung zu Unterrichtszwecken weiterhin erlaubt.

Was streben wir damit an? Was ist unser Ziel? – Erstens eine Erhöhung der Unterrichtsqualität. Eine Studie der London School of Economics belegt dies. Um 6,4 % seien die Leistungen gestiegen. Dieser Lernzuwachs hätte sonst fünf zusätzliche Schultage erforderlich gemacht. Interessant: Verbessert hätten sich vor allem die Leistungen der leistungsschwächeren Schüler.

(Abg. Marco Weber, FDP: Das ist falsch!)

Es zeigt sich nicht nur in dieser Untersuchung, dass der Nachwuchs aus gebildeten Haushalten eher in der Lage ist, sinnvoll mit einem Smartphone umzugehen als Schüler aus bildungsfernen Schichten. Das muss man sich vor Augen halten.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist immer ein guter Einwand!)

Die F.A.Z. brachte es am 19. August 2018 auf den Punkt. Ich zitiere: Das Phänomen des übermäßigen Handygebrauchs führt sogar zu einer sozialen Spaltung. –

Zweitens eine Stärkung der sozialen Kompetenz. Wenn ein Handyverbot für das gesamte Schulgelände gilt, stärkt man auf dem Pausenhof die soziale Kompetenz der Kinder und mindert das Mobbingrisiko. Der Vereinzelung wird entgegengewirkt, weil Gespräche, Spiele und ganz allgemein der Austausch in der Gruppe mehr an Raum gewinnen.

Das steigert die soziale Kompetenz und die Kommunikationsfähigkeit der Kinder und fördert damit im hohen Maße auch die Klassengemeinschaft.

(Beifall der AfD)

Die in Wiesbaden lebende Diplompädagogin Uta ReimannHöhn beschäftigt sich praktisch und wissenschaftlich mit den Themen „Kindererziehung“ und „Schule“. Sie arbeitet als Lerntherapeutin und ist Autorin zahlreicher Sachbücher und Unterrichtsmaterialien.

Sie schreibt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Je häufiger Kinder die Gelegenheit haben miteinander zu spielen, entweder angeleitet im Kindergarten oder im freien Spiel zu Hause, desto mehr entwickelt sich ihre Kommunikationsfähigkeit. Eine Vielfalt sozialer Fähigkeiten werden dabei erworben: Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, das Ertragen von Enttäuschungen und das Verständnis für andere.“

Das gilt in ähnlicher Weise natürlich auch für Grundschulkinder. Denken Sie an den Pausenhof. Nur durch reale Kontakte können sich soziale Fähigkeiten wirklich entwickeln. Dazu passt, dass gerade im sogenannten Silicon Valley, dort, wo die digitalen Medien entwickelt werden und omnipräsent sind, erste private Kindergärten und Grundschulen existieren, die ganz bewusst frei von Handys, Smartphones oder Tablets sind.

Wenn Sie hier in Mainz am Dom vorbei über den Leichhof gehen, kommen Sie an einer Kneipe vorbei – eine nette Kneipe, in der auch das Mainzer Fußballidol Jürgen Klopp gelegentlich einkehrte –, das L’Arcade. Dort hängt im Fenster Folgendes: No WiFi – redet miteinander.

(Abg. Marco Weber, FDP: Da hat der Fraktionsvorsitzende aber etwas anderes getwittert!)

Recht so. Das muss auch das Motto für unsere Grundschüler sein.

(Beifall der AfD)

Deswegen bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen und den Unterricht zu stärken, mehr Aufmerksamkeit für die vier Kernkompetenzen – ein großes Thema für die Grundschule.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Johannes Klomann.

(Abg. Johannes Klomann, SPD: Für die Koalition!)

Ah ja, für die Koalition, danke schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unbestreitbar, dass Unterricht nur dann gelingt, wenn sich Schülerinnen und Schüler konzentrieren und nicht abgelenkt sind. Ich wage zu behaupten, seitdem es Schulen, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler gibt, werden Schülerinnen und Schüler abgelenkt, und es gibt die Lehrkräfte, die dagegen vorgehen, sei es gegen das Schwätzen oder sich auf Zettelchen Nachrichten zukommen zu lassen, und heute sind das eben die Handys.

Wir sind der Auffassung, genau wie die Lehrkräfte, so wie es bislang keine Schulgesetzänderung brauchte, wenn Schülerinnen und Schüler geschwätzt oder gestört haben, so brauchen wir auch heute keine Schulgesetzänderung, die etwas versucht zu regeln, was längst Praxis ist. Dass die Grundschulen in der Lage sind, damit umzugehen, glauben wir nicht, sondern wir wissen es.

Ich habe die Leiterin einer Grundschule in meinem Wahlkreis gefragt, wie sie die Sache handhabt. Sie hat mir den Elternbrief zu dem Thema geschickt, der bereits seit 2011 an die Eltern geschickt wird. Ich zitiere aus diesem Brief: Liebe Eltern, grundsätzlich sind wir der Meinung, dass Handys in der Schule überflüssig sind; denn die Kinder können jederzeit vom Sekretariat aus zu Hause anrufen, Sie können Ihre Kinder im Notfall ebenfalls über das Sekretariat erreichen. Hinzu kommt, dass moderne Handys nicht ungefährlich sind, da sie das Fotografieren und den Zugang zum Internet ermöglichen. Wir verschließen uns aber auch nicht der Realität und wissen, dass es vor allem berufstätigen Eltern eine Beruhigung ist, wenn sie ihr Kind nach der Schule überall erreichen können.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wir haben daher auf einer Gesamtkonferenz folgende Regelungen beschlossen, die auch mit dem Schulelternbeirat abgesprochen wurden:

Erstens, auf dem Schulgelände bleibt das Handy ausgeschaltet im Ranzen.

Zweitens, sollte ein Handy klingeln, benutzt oder gezeigt werden, wird es in der Schulleitung deponiert und nur an die Eltern wieder abgegeben.

Drittens, für verlorene oder gestohlene Handys kann die Schule keine Verantwortung übernehmen. –

Schulen können durchaus Dinge selbst regeln. Es muss nicht alles im Schulgesetz geändert werden.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, es gibt noch einen anderen Indikator, der zeigt, dass die Lehrerinnen und Lehrer bereits jetzt für Disziplin in ihren Klassen sorgen. Wir erleben dies jedes Mal, wenn wir Plenum haben und uns mit Schulklassen unterhalten; denn die Schülerinnen und Schüler wundern sich, dass wir einfach so während der Plenarsitzung auf unser Handys starren, WhatsApp-Nachrichten schreiben, surfen, unsere Kalender aufrufen oder sonst etwas machen. Sie wundern sich, dass uns das erlaubt ist, während es den Schülerinnen und Schülern in der Klasse verboten ist.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Weil wir nicht in der Schule sind, Herr Klomann!)

Theoretisch müsste man, um ein gutes Beispiel für die Schülerinnen und Schüler zu geben, eher die Geschäftsordnung des Landtags ändern und ein Handyverbot im Landtag fordern,

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Wir sind nicht in der Schule!)

aber natürlich wäre das falsch; denn ich bin mir zu 1000 % sicher, wenn es das gibt,

(Heiterkeit des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

dass alle Abgeordneten gelernt haben, verantwortungsvoll mit dem Handy und ihrem Laptop umzugehen.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Wir werden den Antrag ablehnen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Demuth das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte nicht gedacht, dass ich als CDU-Abgeordnete einmal die progressivste Rede zu diesem Thema halte, aber ich freue mich. Ich habe mich im Vorhinein mit meiner Fraktion gefragt, ob ein Handyverbot an den Grundschulen im Zeitalter der Digitalisierung wirklich sinnvoll ist.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Gerade!)