Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

Für die Landesregierung erteile ich Staatsministerin Spiegel das Wort. Bitte schön, Frau Spiegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um eines in dieser Debatte direkt klarzustellen, selbstverständlich erfassen wir Daten systematisch als Landesregierung und als Integrationsministerium. Wir werten diese Daten auch fachgerecht aus, und wir haben somit auch einen guten Überblick über Daten. Aber – und auch das gehört zur Debatte dazu – im Rahmen unserer Zuständigkeit sind uns Grenzen gesetzt; denn Fakt ist, dass das Ausländerzentralregister das zentrale Datenmanagement für Flüchtlinge in Deutschland wahrnimmt. Das ist in der Verantwortung des Bundesinnenministeriums. Wir haben den Bund schon oft angemahnt, dass das Datenmanagement hier dringend verbessert werden könnte. Übrigens mahnen wir das gemeinsam mit den anderen Ländern ständig an.

Fakt ist auch, wir führen als Land eigene Datenerhebungen durch, weil wir die vorhandenen Daten des Bundes als unzureichend erachten. Und damit erheben wir mehr Daten und nicht weniger Daten als andere Bundesländer, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Matthias Joa, AfD: Aber die falschen! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Schlimmer geht’s immer!)

Wir wissen Bescheid über die Zahl der Asylanträge. Wir wissen, wie viele Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind. Wir wissen, wie viele Männer, Frauen, Kinder und Babys in den Erstaufnahmeeinrichtungen in den Kommunen sind. Wir wissen ebenso Bescheid über die Anzahl der Menschen, deren Asylverfahren abgeschlossen ist und wie sie sich über die Städte und Landkreise verteilen. Wir wissen, wie viele Rückführungen es gibt. Wir wissen, wie viele freiwillige Rückführungen es gibt. Wir wissen, wie viele Personen eine Duldung haben und in welcher Kommune sie wohnen und aus welchen Gründen sie in Rheinland-Pfalz geduldet sind, und wir wissen, wie viele Menschen wir im Rahmen von Dublin-Verfahren in eine anderes EU-Land überstellt haben. Und wir wissen auch, welche meldepflichtigen Erkrankungen unter Asylsuchenden aufgetreten sind. Genau deshalb konnten wir auch falsche Behauptungen der AfD widerlegen, dass Asylsuchende angeblich überdurchschnittlich oft meldepflichtige Krankheiten hätten;

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hepatitis!)

denn das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren. Das Gegenteil ist der Fall. Bei vielen Krankheiten, wie Rotavirus, Keuchhusten, beim Norovirus oder Salmonellen liegt der Anteil von Asylsuchenden bei null Prozent, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hepatitis, Tuberkulose! – Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Selektive Wahrnehmung!)

Sie sehen also, die Aufgaben im Bereich Integration und Migration werden ordentlich erledigt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu unseren Aufgaben gehört es aber auch – auch das möchte ich deutlich machen –, wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange, was ein gutes Datenmanagement angeht. Deshalb haben wir es uns auch gemeinsam mit dem Bund und gemeinsam mit den anderen Bundesländern auf die Fahne geschrieben, dass wir ein kontinuierliches Verbessern unseres Datenmanagements herbeiführen wollen. Das tun wir, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir stimmen uns dazu eng mit den anderen Ministerien ab. Wir arbeiten gut und Hand in Hand in dieser Frage zusammen. Außerdem sind wir natürlich im Gespräch mit den kommunalen Ausländerbehörden vor Ort. Wir arbeiten auch mit diesen eng zusammen, und wir sind mit der Bundesebene, mit dem BAMF, aber auch mit dem Bundesinnenministerium, hierzu im Gespräch; denn – das hatte ich eben gesagt – die zentrale Datenbank für Flüchtlinge im Ausländer- und Asylwesen ist das Ausländerzentralregister des Bundes. Hier mahnen wir wirklich regelmäßig an, dass es noch Optimierungsbedarfe gibt; denn es ist uns bewusst – auch das gehört dazu –, dass selbstverständlich die Zusammenführung vieler Daten noch verbessert werden muss. Das ist im Übrigen auch ein Dauerthema auf den Fachministerkonferenzen, und es ist auch das Anliegen von anderen Bundesländern.

Wir haben den Bund gebeten – und auch das ist ein wichtiger Punkt –, dass er endlich Straftaten im Ausländerzentralregister aufnimmt. Aber der Bund hat es abgelehnt. Auch das gehört zur Debatte dazu, das hier zu erwähnen, meine Damen und Herren.

Wir haben eine gute Datenbasis, mit der wir sogar die Defizite des Bundes ausgleichen, und wir starten natürlich regelmäßig eigene Erhebungen bei den rheinlandpfälzischen Ausländerbehörden. Das betrifft Daten, die wir als unbedingt notwendig erachten, wie etwa die freiwilligen Ausreisen, die Erteilung von Aufenthaltstiteln zum Familiennachzug, die Daten zu straffälligen Duldungs- und Gestattungsinhabern oder eben die Zustimmung zur Visumserteilung zu subsidiär Schutzberechtigten. Der Bund ist bis jetzt nicht in der Lage, genau solche Daten automatisch mit zu erfassen. Hier bin ich auf Herrn Seehofer gespannt, ob und wann es ihm gelingt, das Datenmanagement zu optimieren.

Und nur weil wir in Rheinland-Pfalz in diesen Bereichen auch aktive Abfragen starten, haben wir gewisse Daten vorliegen. Aber – und auch das möchte ich betonen –, man muss sich bewusst sein, dass jede einzelne Erhebung bei den kommunalen Ausländerbehörden vor Ort zu einer erheblichen Arbeitsbelastung führt. Wir wissen um die große Belastung der Ausländerbehörden generell. Deshalb setzen wir auf klare Prioritäten, welche Daten wir abfragen,

meine sehr geehrten Damen und Herren;

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

denn wir wollen die kommunalen Ausländerbehörden vor einer zusätzlichen Belastung schützen.

Zu den Untergetauchten, die eben angesprochen worden sind: Das ist für mich so ein Beispiel, weshalb es in der Debatte enorm wichtig ist, dass wir uns an die Fakten halten und faktenbasiert miteinander diskutieren.

(Zuruf von der AfD: Touristen!)

Sie haben nach der Zahl gefragt. Eigentlich heißt es korrekt „Personen ohne Behördenkontakt“. Darauf haben Sie eine Antwort bekommen, nämlich knapp 3.000. Ich habe genau zugehört, es wurde in der allerersten Rede von Ihnen, Herr Joa, auf einmal von 5.000 bis 6.000 Personen gesprochen.

(Abg. Matthias Joa, AfD: Hochgerechnet!)

Das ist nicht seriös, so mit den Fakten im Land umzugehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zurufe von der AfD)

Entschuldigung, Sie wissen doch genau, dass Sie damit hier auch eine Stimmungsmache betreiben; denn wenn wir uns die Zahlen anschauen – und das ist in allen Bundesländern so, dass wir Personen ohne Behördenkontakt haben –, dann wissen wir auch, dass ein Großteil dieser Personen in andere Bundesländer und in andere EU-Länder weitergereist ist.

(Abg. Michael Frisch AfD: Woher wissen Sie das? Woher weiß sie das?)

Dann ist es einfach infam, hier eine andere Zahl einfach so in den Raum zu stellen, die doppelt so hoch ist wie das, was wir Ihnen an Fakten geliefert haben. Bitte bleiben Sie in dieser Diskussion auch bei den Fakten, die wir Ihnen geliefert haben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Um einen Überblick über den gesamten Integrationsbereich zu erhalten, erstellen wir übrigens in jeder Legislaturperiode einen Zuwanderungs- und Integrationsbericht. Darin werten wir zahlreiche Daten aus allen Ressorts aus, und wir analysieren diese. Bereits im Vorfeld dieses Berichts prüfen wir immer, welche Daten für unsere politischen Entscheidungen und Weichenstellungen noch wichtig sind. Das werden wir selbstverständlich auch diesmal tun. Ich kann Ihnen den im Moment letzten veröffentlichten – das sind nicht nur drei Seiten – Zuwanderungs- und Integrationsbericht zeigen, unseren fünften. Das werden wir selbstverständlich auch in dieser Legislaturperiode wieder tun. Damit verbessern wir unser gutes Datenmanagement kontinuierlich, und damit wollen wir auch die Daten vor

liegen haben, die wir für eine gute Integrationspolitik in Rheinland-Pfalz brauchen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Matthias Joa, AfD, begibt sich auf den Weg zum Rednerpult)

Sie müssen einen kleinen Moment warten. Mir liegen zwei Kurzinterventionen vor. Ich habe jetzt nicht gesehen, wer zuerst war? – Herr Abgeordneter Joa hat das Wort. Bitte schön.

Geehrte Präsidentin, liebe Kollegen! Frau Spiegel, ich bin ja froh, Sie haben mittelbar zugegeben, dass erhebliche Defizite bei der Strukturierung bestehen

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?)

und exemplarisch beim Thema „Untergetauchte“. Die Hälfte der Ausländerbehörden hat überhaupt nur geantwortet. Und die Frage ist doch: Warum ist dies so? Gibt es keine einheitliche Anforderung? Gibt es keine einheitliche Vorgehensweise?

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie hat es eben gerade erklärt! – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Frau Spiegel hat es eben gerade erklärt!)

Hat die Landesregierung nicht einen Anspruch darauf, das zu erfahren? Das ist doch der Job, den Sie zu tun haben.

Und beim Thema „Statistik“, Frau Spiegel, noch eine Anmerkung. Sie haben im Ausschuss am 18. Januar bezüglich der Frauenhausstatistik gesagt – ich zitiere hier das Sitzungsprotokoll noch einmal –:

„Es werde keine Statistik über die Anzahl der abgewiesenen Frauen erhoben; allerdings habe sich diese Frage vor zwei oder drei Jahren auch nicht gestellt.“ – Und weiter: „Es sei wichtig, dass Statistiken geführt würden, da sich die Situation erheblich (...) verändert habe.“

Frau Ministerin, wenn Sie in diesem Fall einen erweiterten Statistik- und Fragebedarf erkennen, beim Thema „Asyl“ jedoch nicht, dann scheint Ihre Wahrnehmung für Veränderung offensichtlich überaus selektiv zu sein;

(Beifall der AfD)

denn nirgendwo haben sich die Verhältnisse doch stärker gewandelt als beim Thema „Zuwanderung und Migration“. Das können wir doch nicht bestreiten. Deswegen müssen wir die Datenlücken jetzt schließen. Die migrationsbedingten Herausforderungen und Probleme unserer Tage können wir nicht mit vergangenen Lösungen nach vorne bringen.

(Zurufe von der SPD)

Frau Spiegel, letztlich geht es nicht darum, dass wir Sie in allen Punkten hier schlechtreden wollen.

(Zuruf von der SPD: Machen Sie aber!)

Nein, es geht darum, dass wir wichtige Punkte, bei denen wir Defizite haben, die sich auf die Kommunen vor Ort massivst auswirken,

(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist keine Kurzintervention!)

nicht unter den Teppich kehren und wir anfangen, diese aufzuarbeiten.

(Beifall der AfD)

Mir liegt zunächst eine weitere Kurzintervention des Abgeordneten Baldauf vor. Ist das richtig?