Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

Aber das allein auf diese eine Methode zu schieben, ist nicht richtig und nicht in Ordnung. Das diskreditiert die Arbeit unser engagierten Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Das macht doch keiner!)

Das von Ihnen betitelte „Schreiben nach Gehör“ ist eine Methode von vielen, die unsere Lehrkräfte anwenden, um Kindern ganz differenziert und individuell fördernd das Lesen und Schreiben beizubringen. Genau das passiert in Rheinland-Pfalz. Es wird individuell auf vielen unterschiedlichen und differenzierten Wegen gefördert.

Lediglich an 14 von 960 Schulen wird nach einer Umfrage die Methode „Schreiben nach Gehör“ im Anfangsunterricht vorwiegend angewandt. Aber überall wird ein Methodenmix eingesetzt. An fast allen Grundschulen, nämlich an über 830 Grundschulen, wird von Anfang an die Fibel eingesetzt – auch das hat die Umfrage ergeben –, also genau das, was die Berichte, die wir zunächst aus dieser Studie kennen, auch sagen, was gut und richtig in unserer Schule wäre.

Die gut ausgebildeten Lehrkräfte bei uns wissen am besten, wie sie den Kindern Lesen und Schreiben beibringen. Sie sind die Experten in der Sache des Schreibenlernens für unsere Schülerinnen und Schüler. Das wollen wir auch so belassen.

Individuelle Förderung wird bei uns großgeschrieben. Das verstehen wir ganzheitlich. Das ist ausdrücklich so gewollt. Deswegen wollen wir auch die individuelle Förderung nicht einschränken und schreiben auch weiterhin keine Methode beim Lesen- und Schreibenlernen vor.

Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil wir auf keinen Fall irgendwie suggerieren wollen, dass unsere Lehrkräfte auf irgendeine Art und Weise eine schlechte oder falsche Arbeit machen. Das ist nicht so. Davor verwahren wir uns ganz ausdrücklich.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich schreiben alle unsere Grundschulkinder nach Rechtschreibregeln. Sie müssen diese Rechtschreibregeln auch am Ende der 4. Klasse als verbindliches Lernziel beherrschen. Das stimmt übrigens mit einstimmigen Beschlüssen der Kultusministerkonferenz überein.

Klar sind das Lesen- und Schreibenlernen eine große Herausforderung. Da gilt es, ständig Verbesserungen darzustellen und ständig die Herausforderungen anzunehmen. Aber den Grund für fehlende Rechtschreibleistungen in irgendeiner Weise einzig und allein nur bei der Rechtschreibmethode zu sehen, ist, glaube ich, zu kurz gegriffen. Da müssen wir schon tiefer in die Gesellschaft schauen, tiefer in familiäre Strukturen, tiefer in vielfältige Arten des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Wenn Sie jetzt eine Konsequenz fordern – Sie haben eben von konsequenter Sprachförderung gesprochen –,

dann können wir, glaube ich, ein ganzes Bündel an Maßnahmen aufgreifen, was an Sprachfördermaßnahmen gemacht wird.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Dazu ist eine Große Anfrage unterwegs! Darüber unterhalten wir uns in ein paar Wochen!)

Ich plädiere dafür, dass wir diese Studie, die wir bis jetzt nur aus Presseberichten kennen, erst einmal lesen und auswerten, bevor wir darüber sprechen, dass wir Konsequenzen daraus ziehen. Lassen wir also erst einmal die Profis reden und hören, was die Profis dazu sagen, wie Kinder Lesen und Schreiben lernen.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Die haben sich im ZDF schon dazu geäußert!)

Die Profis dafür sind unsere Grundschullehrkräfte.

Wenn der deutsche Lehrerverband sagt, die Methode ist abzuschaffen, dann kann man nur sagen, dass der Deutsche Lehrerverband die Grundschullehrkräfte in seiner Verbandstätigkeit wahrscheinlich nicht vertritt; denn VBE und GEW, also die Verbände, die die meisten Grundschullehrkräfte vertreten, setzen sich ganz klar von dieser Forderung ab.

Wir sind nicht immer einer Meinung mit dem, was der VBE sagt. Aber er sagt in diesem Fall, dass die Stärken und Schwächen der Methode längst erkannt wurden und ein Verbot keine Lösung darstellt und der Selbstverantwortlichkeit von Schule widerspricht. Auch die GEW sieht keine Notwendigkeit.

Lassen Sie mich ein Zitat einer Lehrkraft aus der Südwestpfalz in der Pirmasenser Zeitung vom 5. Juli 2018 bringen. Dort wird gesagt: „Da ist so viel Unsinn in dieser Hinsicht im Umlauf, dass ich nur lachen kann. (...) Das Schreiben nach Gehör ist eine von vielen Methoden. Sie müssen das so sehen: Wir haben Kinder mit sehr unterschiedlichen Grundvoraussetzungen. Es kommen Schüler zu uns, die bereits ganze Bücher lesen, andere können nicht einmal ihren Namen lesen oder schreiben.“ – Deshalb würden in dem Ort die Schüler mit jeweils der Methode, die am erfolgversprechendsten ist, unterrichtet.

(Glocke des Präsidenten)

Dazu gerne mehr in der zweiten Runde.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Paul.

Verehrte Kollegen, verehrtes Präsidium! Die AfD-Fraktion hat die Befreiung unserer Grundschüler von der Methode „Schreiben nach Gehör“ mehrfach gefordert, unter anderem im Januar 2017 mit einem Antrag im Plenum. Leider hat sich die CDU damals nicht getraut, diesem Antrag zuzustimmen. Nun führen wir heute immerhin eine Aktuelle

Debatte über eine unsägliche Methode, durch die viel Leid in die Familien getragen wird. So sagt das die Leiterin der Bonner Studie, welche die Grundlage für diese Debatte bildet.

Die aktuelle Studie kommt zu dem Schluss, dass Schülern, die nach der Fibel-Methode lernen, deutlich weniger Rechtschreibfehler unterlaufen als denjenigen, die mit der Methode „Schreiben nach Gehör“ konfrontiert werden. Una Röhr-Sendlmeier, die Leiterin der Bonner Untersuchung, erklärt:

Erstens: „Kinder lernen beim Fibel-Lehrgang sehr strukturiert.“ Zweitens: „Schüler, die zu Hause weniger Anregungen bekommen und Schüler, die nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind, profitieren sehr von dem strukturierten Lernprinzip.“ Drittens: „Die Alphabetschrift hat sich (...) über einige Hundert Jahre entwickelt. Dass Kinder sich dieses System allein aneignen sollen, ist eine völlige Überforderung“ und weltfremd.

(Beifall der AfD)

Viertens: „Gerade die Kinder, deren Eltern nicht helfen können, fallen“ bei der Methode des Schreibens nach Gehör „hinten runter“.

Der Befund der Bonner Studie bekräftigt die Kernaussagen von Sprachwissenschaftler Funke. Dessen Metaanalyse ergab, dass die praktizierte Methode „Schreiben nach Gehör“ in der 2. bis 4. Klasse für einen signifikanten Rückstand in der Rechtschreibung gegenüber den Kindern sorgt, die nach der klassischen Fibel-Methode gelernt hatten.

Susanne Gaschke bringt es in Ihrem Kommentar auf welt.de auf den Punkt. Sie schreibt: „Es gehört zu den Wahnsinnigkeiten des deutschen Bildungswesens, dass man keine wissenschaftliche Studie braucht, um irgendeine esoterische Unterrichtsmethode flächendeckend einzuführen (...). Eine von Anfang an unsinnige Methode wieder zu deaktivieren, ist hingegen ohne empirisches Waffenarsenal kaum möglich.“ – So ist es.

(Beifall der AfD)

Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium hatte nämlich keine Bedenken gehabt, die Einführung der umstrittenen Schreiben-nach-Gehör-Methode auch ohne wissenschaftliche Bestätigung zu erlauben. Umgekehrt forderte es wissenschaftliche Erkenntnisse, um deren Abschaffung zu legitimieren. Das ist Bildungsesoterik hier bei uns.

(Beifall der AfD)

Uns liegt schon seit Längerem die Metaanalyse von Funke vor. Nun liegt die Bonner Studie vor. Was wollen Sie eigentlich noch?

Bundesbildungsministerin Karliczek meinte, die Bonner Ergebnisse müssten schnell in der Praxis Anwendung finden. Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter, forderte ebenfalls Konsequenzen. Und das Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz? – Laut einem gestrigen Artikel im Trierischen Volksfreund wird kein Handlungsbedarf gesehen. Es wird so getan, als ginge die Debatte Rheinland

Pfalz nichts an. Es ist aber so.

Dort wird abgelenkt mit der in die Irre führenden Behauptung, an lediglich 14 von 960 Grundschulen werde zunächst ausschließlich nach dieser Methode gelernt. Es soll suggeriert werden, „Schreiben nach Gehör“ spiele in Rheinland-Pfalz kaum eine Rolle. Die Opposition würde eine Phantomdebatte führen. Das entspricht natürlich nicht den Tatsachen.

Eine Große Anfrage der CDU hatte ergeben, dass in Rheinland-Pfalz im Schuljahr 2014/2015 in der 1. Klasse 98 % und in der 2. Klasse 96 % mit Elementen des lautorientierten Schreibens arbeiteten, also mit Bildungsesoterik konfrontiert waren.

Die Methode ist also keinerlei Randphänomen, sondern allgegenwärtig, wenn auch nicht überall in ihrer totalen Ausprägung – zum Glück, weil sonst die Rechtschreibleistungen, die wir hier ohnehin schon kritisiert haben, noch schlechter wären.

Laut einer Veröffentlichung von Professor Stein liegt Rheinland-Pfalz im Bundesländervergleich auf dem zweiten Platz, wenn man untersucht, wie hoch im zweiten Halbjahr der 2. Klasse der Anteil von Phasen im Schreibunterricht ist, in denen Rechtschreibung nicht beachtet werden muss. „Schreiben nach Gehör“ ist in hohem Maße mitverantwortlich für das katastrophale Abschneiden der rheinland-pfälzischen Grundschüler im IQBBildungstrend 2016.

Fast ein Viertel unserer Viertklässler verfehlt bei der Rechtschreibung den Mindeststandard. Doch das Bildungsministerium sieht noch immer keinen Handlungsbedarf – dies zum Schaden unserer Kinder und deren Eltern, die mit großem Engagement versuchen, die Defizite, die die Schule hinterlassen hat, auszugleichen.

Verlassen Sie sich aber darauf, wir werden nicht länger ruhen, bis diese esoterische Methode abgeschafft ist. Wir stehen an der Seite der Schüler, die sich nachher im Leben durch eine gute Rechtschreibung beweisen müssen, und an der Seite der Eltern, die nur noch den Kopf schütteln über diese Methode in einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Bildungspolitik, die zu weiten Teilen linke Ideologie ist.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Roth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Anfang ein Zitat – mit Erlaubnis –: „Darüber hinaus ist es wichtig, erste schriftliche Ausdrucksformen zu respektieren und für einen behutsamen Übergang vom lautgetreuen zum normgerechten Schreiben zu sorgen, um die Schreibmotivation aufzubauen und zu erhalten.“ Die

ses Zitat stammt aus dem Teilrahmenplan Deutsch für die Grundschulen in Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2005. Es steht unter der Zwischenüberschrift „Gelingender Schriftspracherwerb“.

„Schreiben nach Gehör“ oder wissenschaftlich ausgedrückt „Lesen durch Schreiben“ kommt als Lernkonzept in einer neuen Studie der Universität Bonn eher schlecht weg. Die klassische Fibel-Methode wird als zielführend bewertet. „Schreiben nach Gehör“ führt bei konsequenter Anwendung zu dem Problem, dass die Schüler nach zwei Jahren die richtige Rechtschreibung noch einmal von Neuem erlernen müssen. Das wissen wir aber nicht erst seit der Studie aus Bonn. Das wissen auch die Lehrer. In Rheinland-Pfalz gibt es daher nur sehr vereinzelt Lehrer, die von dem Konzept „Schreiben nach Gehör“ überzeugt sind. Wir haben es vorhin gehört, es sind nur 14 von über 900 Grundschulen, in denen Schreiben nach Gehör praktiziert wird.

Die allermeisten Lehrerinnen und Lehrer kämen nie auf die Idee, auf eine Fibel und auf eine korrigierende Rechtschreibung in den ersten beiden Schuljahren völlig zu verzichten. Zur Einführung der einzelnen Buchstaben nutzen dennoch viele Pädagogen eine sogenannte Anlauttabelle. Ich habe eine solche Tabelle einmal mitgebracht, falls Sie diese noch nicht kennen.

(Der Redner hält eine Anlauttabelle hoch)