Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

(Der Redner hält eine Anlauttabelle hoch)

Sie wird am Anfang der Grundschule häufig genutzt, damit Kinder neu eingeführte Buchstaben durch Hören wiedererkennen können. Dann gelingt es ihnen sehr schnell, mit diesen Buchstaben andere Worte zu bilden. Der Einsatz solcher Anlauttabellen hat nichts mit Experimenten zu tun. Diese Tabellen sind vielmehr inzwischen Bestandteil der gängigen Lehrbücher, und zwar aus langjähriger, guter Erfahrung der Pädagogen in den Grundschulen.

Ein Verbot eines letztlich unbestimmten Begriffs ist nach Ansicht der FDP-Fraktion völlig fehl am Platz. Lehrerinnen und Lehrer entscheiden selbst über ihre Methoden. Es bringt also nichts, wenn Pädagogen hier die Kompetenz abgesprochen wird. Sie selbst entscheiden, was für das Lernziel, den Lernbedarf und die unterschiedlichen Fähigkeiten der ihnen anvertrauten Kinder der passende Mix aus Methoden und Konzepten ist. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Kollege Köbler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ein Gespenst geht um an unseren Schulen: das Phantom „Schreiben nach Gehör“. Angeblich ist diese Schreiblernmethode schuld am

vermeintlichen Niedergang der Rechtschreibkompetenz unserer Schülerinnen und Schüler.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Wieso vermeintlich?)

Eine neue Studie der Universität Bonn soll das jetzt belegen. Ich sage immer, lieber reden mit Verstand als schreiben nach Gehör;

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Machen Sie das mal!)

denn es gibt überhaupt keine Schreiblernmethode „Schreiben nach Gehör“. Bei der Methode „Lesen durch Schreiben“ nach Dr. Jürgen Reichen lernen die Kinder das Lesen durch das Schreiben. Es handelt sich also um eine Methode zur Förderung der Lesekompetenz. Das heißt also, hier wird eine Studie ins Feld geführt, die belegt haben will, dass eine Schreiblernmethode – mit der Fibel – die Rechtschreibkompetenz besser fördert als eine Lesekompetenzmethode. Wissen Sie was? – Das glaube ich auch. Der Erkenntnisgewinn ist aber ungefähr so, als wenn Sportwissenschaftler herausfinden, dass Liegestützen für die Ausbildung der Oberarmmuskulatur förderlicher sind als Sit-ups.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Das ist lächerlich! Dafür ist das Problem zu ernst!)

Ich habe mich wirklich bemüht, an diese Studie heranzukommen, aber mehr als eine Pressemitteilung und ein paar oberflächliche Artikel in der Springer-Presse sind noch nicht veröffentlicht worden.

(Heiterkeit bei der AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: „Springer-Presse!“)

Ich finde es grob unseriös und populistisch, auf dieser dünnen Basis eine Debatte um das Wichtigste, was wir hier zu verantworten haben, die Bildung unserer Kinder, zu führen. Hinzu kommt, das lautgetreue Schreiben ist eine ergänzende und nicht eine ersetzende Unterrichtsmethode. Um das klar zu sagen: Normorientiertes Schreiben nach den Regeln der Deutschen Rechtschreibung steht an den rheinland-pfälzischen Grundschulen absolut im Vordergrund.

Der didaktische Methodeneinsatz im Unterricht in der Grundschule obliegt im Sinne der pädagogischen Freiheit und eben auch der Erziehungspartnerschaft der Entscheidung der engagierten und kompetenten Grundschullehrkräfte vor Ort, bestenfalls gemeinsam mit den Eltern und mit den Schülerinnen und Schülern, und eben nicht bei uns oder bei der Landesregierung. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will aber das, was man von der Studie weiß, mit Erlaubnis des Präsidenten auch zitieren: „Die Studienergebnisse weisen klar darauf hin, dass alle Kinder gleichermaßen vom Einsatz einer Fibel im Unterricht profitieren.“ Es wird die schnelle Umsetzung gefordert. Das wissen wir aber in Rheinland-Pfalz, und das wissen unsere Grundschulleh

rerinnen und Grundschullehrer eben auch. An fast 90 % unserer Grundschulen kommt bereits ab der 1. Klasse die Fibel zum Einsatz.

Herr Kollege Brandl, jetzt frage ich Sie: Haben Sie heutzutage einmal eine solche Fibel gesehen? – Aktuelle Fibeln integrieren nämlich verschiedene Methoden der Leseförderung und des Schriftspracherwerbs, wie das klassische Einführen der einzelnen Buchstaben, aber eben auch den Umgang mit Lauten. In der Anlauttabelle, die Herr Kollege Roth eben gezeigt hat, sind Buchstabenkombinationen aufgelistet und mit Bildchen versehen.

Meine Tochter wurde gerade geschult. Jetzt raten Sie einmal, was ich am Wochenende mir ihr geübt habe, und zwar in der Fibel? – Lampe, Ameise, Sofa, Sofa, Ofen, Lasso. Das klappt hervorragend. Das in noch nicht einmal vier Wochen.

Meine Damen und Herren, wissen Sie, was wir an unseren Grundschulen wirklich brauchen? Das sind gut ausgebildete, gut bezahlte Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer, die den Freiraum, aber eben auch die politische Rückendeckung für ihre so wichtige alltägliche Arbeit mit unseren Kindern bekommen.

Als Mitglied des Petitionsausschusses möchte ich sagen, wir haben eine Petition vorliegen – Zitat –: Wir lassen uns unsere Arbeit nicht schlechtreden. – Ich finde, an unseren Grundschulen in Rheinland-Pfalz wird jeden Tag von den Fachkräften eine hervorragende Arbeit geleistet. Ich finde es überhaupt nicht angebracht, wie die Opposition diese so wichtige, ja auch so anstrengende Arbeit immer wieder schlechtredet.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Dr. Hubig.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was unsere Kinder in der Schule lernen, vor allen Dingen in der Grundschule lernen, wie sie es lernen und wie gut sie es lernen, ist ein wichtiges Thema, und ich finde, das ist ein ganz zentrales Thema. Ein solches Thema verdient einen seriösen Umgang damit. Dazu gehört, dass Studien, die nicht repräsentativ sind, nicht zitiert werden, dass man nicht selektiv zitieren sollte und man vor allen Dingen nicht damit anfangen sollte, bestimmte Worte zu wählen, von irgendwelchen Esoterikdingen oder von angeblichen Experimenten zu reden, die wir mit Schülerinnen und Schüler machen würden. Das kann nicht sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Michael Frisch, AfD)

Dagegen verwahre ich mich und verwahre mich auch im Namen der rheinland-pfälzischen Lehrkräfte.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In rheinland-pfälzischen Schulen werden keine Experimente mit Schülerinnen und Schülern gemacht. Wenn Experimente gemacht werden, ist das im Chemie- oder Physikunterricht und nirgendwo sonst. Das möchte ich hier einmal ganz deutlich klarstellen. Ich verwahre mich wirklich gegen diese Wortwahl.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um zum Punkt zurückzukommen: Worüber reden wir hier eigentlich? – In unseren Grundschulen lernen die Kinder richtig lesen und schreiben. Das ist ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Das ist zentral. Wir alle wollen das, und wir alle fördern das.

Wir haben im letzten Schuljahr von 962 Grundschulen 948 gehabt, die mit den Fibeln gearbeitet haben, die in dieser Studie als besonders gute Methode bezeichnet werden sollen. Genau das ist getan worden. In diesen Fibeln – auch das ist schon zweifach gesagt worden – gibt es eben auch Anlauttabellen.

In 14 Grundschulen hat man sich im 1. und 2. Schuljahr überwiegend der Methode des lautorientierten Schreibens „Lesen durch Schreiben“ bedient. 14 Grundschulen, und die Eltern waren alle darüber informiert. Das ist das, worüber wir hier reden.

Wenn dann behauptet wird, dass wir bei den IQBErgebnissen unglaublich schlecht wären, dann bitte ich doch noch einmal darum, diese IQB-Ergebnisse anzuschauen. Wir sind genau in der Mitte. Wir sind im deutschlandweiten Durchschnitt.

(Abg. Joachim Paul, AfD: In der Mitte des Desasters!)

Wir sind im deutschen Durchschnitt, und zwar bei den Bildungstrends und bei den Bildungsstandards. Dass wir besser werden wollen, habe ich hier immer wieder gesagt, und genau darum kümmern wir uns. Das reicht uns nicht, und wir wollen, dass sich der Unterricht in unseren Grundschulen weiterentwickelt und die Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler besser werden. Genau darum kümmern wir uns auch.

Wir haben die Ergebnisse der IQB-Studie im vergangenen Jahr genutzt, und wir haben verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, drei nenne ich Ihnen gerne beispielhaft. Seit diesem Schuljahr können alle Grundschulen auf Musteraufgaben für das Fach Deutsch zurückgreifen, die den Bildungsstandards und damit den Anforderungen von VERA3 und der IQB-Studie entsprechen.

Ich möchte übrigens zu VERA3 noch einen Satz sagen; ich habe mit dem Abgeordneten Barth beim letzten Mal schon darüber gesprochen: VERA3 testet die Fähigkeiten der Kinder in der 3. Klasse, die sie in der 4. Klasse erreicht haben sollen. Wenn Sie hier zitieren, dass dann soundsoviel Prozent der Kinder noch nicht bestimmte Standards erreicht haben, ist es auch kein Wunder, weil nämlich in der 3. Klasse getestet wird, was in der 4. Klasse gekonnt

werden soll.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Das bitte ich entsprechend zu berücksichtigen und dann auch so darzustellen und nicht so zu tun, als könnten die das alle in diesem Alter überhaupt nicht, und es sei ein absolutes Desaster, wie der Abgeordnete Paul das immer zu nennen pflegt.

Das Eine sind die Musteraufgaben. Das Zweite ist, dass wir den Grundschulen das Programm „Lesen macht stark“ zur Verfügung stellen. Das ist ein Instrument, das sie ohne zusätzlichen Aufwand in den Unterricht einpassen können. Damit können die Lehrkräfte den Lernstand ihrer Schülerinnen und Schüler besser überprüfen, und sie bekommen dann auch das entsprechende Material, um mit den Schülerinnen und Schülern üben zu können. Das läuft jetzt an den Grundschulen. Wir rollen das immer weiter aus, und das trifft auf große Zustimmung.

Schließlich: Unsere Grundschulen werden ab dem nächsten Schuljahr einen verbindlichen Grundwortschatz bekommen, den sie dann zusammen mit den erforderlichen Übungsmaterialien zur Verfügung gestellt bekommen – alle Grundschulen –, und diesen Grundwortschatz haben sie auch einzusetzen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Unsere Forderung!)

Meine Damen und Herren, unsere Lehrkräfte sind hervorragend ausgebildet, und sie lernen im Studium und im Vorbereitungsdienst die unterschiedlichen Methoden des Schrifterwerbs. Es gibt eben nicht nur die eine, die klassische, genauso wie es auch nicht nur das eine Kind gibt, das über bestimmte Fähigkeiten verfügt, und alle anderen Kinder sind genauso.

Ich vertraue auf die Professionalität unserer Lehrkräfte. Und Sie, Sie stellen sie infrage. Sie glauben, dass unsere Lehrkräfte nicht in der Lage sind, verantwortungsvoll mit einem Methodenmix umzugehen.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Das ist genau das, was dahintersteckt. Sie wollen nur Verbote und wollen den Lehrkräften bis ins Letzte vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.