Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

Es gilt auch hier die altbekannte Weisheit: Reden ist Silber, Handeln ist Gold.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Bravo!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Böhme von der Fraktion der AfD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete und Regierungsmitglieder! Beim Thema „Wertschätzung regionaler Lebensmittel als Chance für heimische Erzeugung nutzen“ sind wir uns im Landtag im Wesentlichen einig. Trotzdem lohnt es sich, einen kurzen Blick auf den Verfahrensverlauf zu werfen und ihn zu reflektieren, um einmal deutlich zu machen, wie Debatten in diesem Hohen Hause so funktionieren.

Eingereicht am 15. Juni 2018 von der CDU-Fraktion, wurde dieser Antrag dann im Juli-Plenum ohne Debatte an den Agrarausschuss überwiesen. Nach der Plenarpause am 9. August im Agrarausschuss entdeckten plötzlich CDU und Koalition ihre Leidenschaft für einen gemeinsamen Antrag, nicht bevor jedoch der geschätzte Kollege Zehfuß eine längliche Begründung, sprich, Wahlkampfrede, zum Antrag geliefert hatte und seine Kollegin Frau Schneider per Geschäftsordnungsantrag die Debatte im Keim erstickte und auf die nächste Sitzung vertagte.

(Abg. Martin Haller, SPD, in Richtung Abg. Christine Schneider, CDU: Was machst denn Du für Sachen?)

In dieser fand dann aber auch keine Debatte statt; der Kollege Oster zeigte sich sogar genervt, weil ich eine Frage stellte. – Es blieb die einzige.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das kann ich gut verstehen!)

Meinen Hinweis am 9. August, dass auch die AfD-Fraktion sich gern zum Thema einbringen würde, den ich dann unter Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ einbringen musste, hat man natürlich geflissentlich überhört.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Nein, nicht überhört! Wir wollten es nicht!)

Das gleiche Schicksal wurde meinem Vorschlag zuteil, sich doch einmal gemeinsam, vielleicht auch im Rahmen einer auswärtigen Sitzung, einen sehr erfolgreichen regionalen Direktvermarkter, die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall – Jahresumsatz ca. 130 Millionen Euro – anzuschauen, um sich mit diesen Experten auszutauschen. Zu diesem Vorschlag wollte sich niemand auch nur äußern. Das Interesse an einer erfolgreichen bäuerlichregionalen Direktvermarktung war also limitiert.

Interessanterweise tauchte kürzlich eine Stellungnahme dieser Erzeugergemeinschaft in der Enquete-Kommission „Tourismus“ auf; vielleicht blieb mein Hinweis ja doch nicht völlig unbeachtet.

(Heiterkeit bei der SPD)

Und jetzt? – In vereinigter Herrlichkeit legen die Altparteien einen gemeinsamen Antrag vor, der eigentlich nichts anderes ist als die übliche Ankündigungs- und Jubelpolitik

der Koalition: Hurra, die Landesregierung tut etwas. – Das sollte sie auch, meine Damen und Herren. Nur, ist es das Richtige? Ist es genug? Werden die verfolgten Ziele damit auch erreicht?

Schauen wir auf ein Thema, welches im nun gemeinsamen Antrag ergänzt wurde, meine Kleine Anfrage vom 15. August zum Portal „regionalmarkt.rlp.de“. Ich habe mir dieses Portal einmal angeschaut und es hinterfragt. Und es ist nicht verwunderlich, dass die Zugriffszahlen auf das Portal mit ca. 1.900 Besuchern im Jahr 2014 ohnehin niedrig waren und bis 2017 auf ca. 1.200 gesunken sind. Das Portal ist relativ unstrukturiert, einseitig auf Öko-Anbieter ausgerichtet, unvollständig und nicht aktuell.

Was bleibt, ist Ankündigungspolitik. Das Portal soll im Jahr 2019 überarbeitet und ausgebaut werden, heißt es schlicht in der Antwort auf meine Anfrage. – Nur wie?

Meine Damen und Herren, die Regierung und ihre Minister reden allenthalben von Digitalisierung. Im Detail stößt man aber sehr schnell an seine Grenzen. Ich kann daher meine Forderung nur wiederholen und bitte den Agrarminister Dr. Wissing, sich in seiner Regierung und im Agrarministerrat für ein bundesweites Internet-Portal für regionale Produkte und Anbieter mit intelligenter Suchfunktion und natürlich auch assoziierter Smartphone-App einzusetzen. Die AfD-Fraktion hat dies bereits mehrfach im Ausschuss und im Plenum gefordert.

Eine weitere Zutat im neuen gemeinsamen Antrag: meine Kleine Anfrage vom 6. Juli zu den Erzeugerorganisationen und ihren regionalen Vermarktungspotenzialen. Das genannte gute Beispiel aus Baden-Württemberg sollte uns in Rheinland-Pfalz Ansporn sein. Hier zeigt die Antwort auf meine Anfrage, dass es in unserem Bundesland 58 Erzeugerorganisationen gibt, 39 davon allein im Weinbau.

Über den Umfang der Regional- und Direktvermarktung dieser Organisationen ist abseits des Weinbaus wenig bekannt, wie die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage ergab. Auch hier gilt es, mehr Wissen zu erarbeiten und Potenziale zu erschließen. Eine reine Erwähnung reicht nicht.

Ein weiteres Thema ist der Lebensmitteleinzelhandel. Dieses Oligopol und seine Preispolitik wird im Antrag zwar beklagt, aber hat man sich mit dem Lebensmitteleinzelhandel auseinandergesetzt?

In der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage vom 13. August wird man nicht sehr konkret: „Die Landesregierung ist im regelmäßigen Wissens- und Erfahrungsaustausch mit den Akteuren des Lebensmitteleinzelhandels. (...) Die Gespräche werden aber weder in Bezug auf die Inhalte noch auf die Häufigkeit eigens erfasst“, heißt es. Was genau besprochen wurde, bleibt im Dunkeln.

Gespräche im Rahmen der Agrarministerkonferenz, der Umweltministerkonferenz und des Bundesrates sind „nicht bekannt“, desgleichen Aktivitäten auf Bundesebene.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Verschwörungstheorie!)

Meine Damen und Herren, das ist eindeutig zu wenig. Die Politik muss massiven Druck auf den Lebensmitteleinzelhandel ausüben. Immerhin deutet nach den Erkenntnissen aus der Sektorenuntersuchung des Bundeskartellamtes 2014 vieles darauf hin, dass jedenfalls die großen Unternehmen – Edeka, REWE, Schwarz-Gruppe, Aldi – zum Normenadressatenkreis der Missbrauchsaufsichtsbehörde gehören. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Kartellämter die Vertragsbedingungen der Handelsketten mit ihren Lieferanten überprüfen.

Das Problem der Erzeugerpreise kann nur politisch gelöst werden. Der Markt hat hier längst versagt.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion beantragt eine erneute Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Landwirtschaft und Weinbau, und vielleicht kommen wir dort ja wirklich einmal zu einer inhaltlichen Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Weber von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank an den Kollegen Zehfuß und an die CDU-Fraktion für die Initiative im Landwirtschaftsausschuss mit diesem Antrag. Ich danke den anderen Fraktionen, dass wir im Landwirtschaftsausschuss diesen Antrag hier und heute zusammen diskutieren können und eingebracht haben. Ich danke auch den Vorrednern Herrn Steinbach und Herrn Zehfuß für ihren inhaltlichen Input und die Sensibilisierung für das Thema.

Bevor ich auf das Thema eingehe, vielleicht ein Brückenschlag zu dem Vorredner: Ich möchte an dieser Stelle allen Berufskollegen danken, die sich in der Direktvermarktung in den letzten 20, 30 Jahren eingebracht haben, investiert haben, auf Bauernmärkte fahren, mit Fahrzeugen durch die Dörfer von Rheinland-Pfalz fahren, ihre regionalen Produkte dort den Verbrauchern direkt anbieten und ihre direkt erzeugten Lebensmittel am Markt und beim Verbraucher platzieren – wie hier in Mainz oder in der Region bei uns in der Vulkaneifel; all denen, die in Rheinland-Pfalz unterwegs sind.

Es ist nicht so einfach, die Produkte als Direktvermarkter an den Mann zu bringen, um seinen Betrieb überhaupt überlebensfähig zu halten. Von daher erst einmal einen Dank an die Berufskollegen, die dort in dem Feld unterwegs sind, weil das nicht einfach ist.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir über Wertschätzung von Lebensmitteln reden, dann reden wir auch über eine Wertschätzung des Be

rufsstands, des Berufsstands des Landwirts, des Bauern, der im Prinzip auf der einen Seite über die Entlohnung seines Produkts erfolgt, aber auch über das Image und den Stellenwert in der Gesellschaft.

Auf der einen Seite sagt unsere Gesellschaft in Deutschland: Ja, der Landwirt ist mit einer der wichtigsten Berufe und einer der wichtigsten Handlungspartner in unserem Gesellschaftssystem, aber wenn wir uns dann in der Presse anschauen, wie über Landwirtschaft diskutiert bzw. wie über Landwirte gesprochen wird, woran die Landwirte alles schuld sind, dann glaube ich, müssen wir dieses heute auch thematisieren.

Die Landwirte, die Landwirtschaft, der Weinbau, die Gemüsebauern sind Hauptbestandteil der Kulturlandschaft, des Naturschutzes. Zusammen mit der Landwirtschaft, den Weinbauern und allen, die da unterwegs sind, können wir den größtmöglichen Naturschutz, die größtmöglichen landwirtschaftlichen Produkte zur Verfügung stellen. Auch das muss heute in der Diskussion erwähnt werden.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Kollege macht gerade den richtigen Einwand. Wir sollten uns auch selbst an die eigene Nase fassen und über die gute Arbeit der Landwirte reden. Der Kollege Zehfuß hat auch einmal beispielsweise aufgeführt, welchen Anteil der Landwirt an einem landwirtschaftlichen Produkt, an einem Stück Fleisch oder an einem Brot hat. Ich komme noch einmal auf den Agrarbericht zurück, den wir im letzten Plenum diskutiert haben. Wir stellen fest, dass ein Landwirt an einem Mastschwein im Jahr 2017 durchschnittlich 6 Euro verdient hat – 6 Euro für ein dreiviertel Jahr Arbeit bzw. für ein landwirtschaftliches Produkt, das höherwertig ist als argentinisches Rindfleisch und hier in Rheinland-Pfalz erzeugt wurde –; kein Landwirt kann von 6 Euro leben. Auch das muss in dieser Diskussion erwähnt werden.

(Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU)

Frau Schneider, über Ihre Zwischenrufe ist vielleicht Ihre Fraktion erfreut, aber ich bin es nicht.

(Unruhe bei der CDU)

Ich möchte hier noch einmal die Gelegenheit nutzen: Wenn Sie die politische Laufbahn, wie der Presse zu entnehmen ist, ab dem nächsten Jahr einschlagen können, wünsche ich Ihnen auf europäischer Ebene eine glückliche Hand mit den Intentionen, die Sie als Zwischenrufe hier immer einbringen.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Landwirtschaftliche Produkte sind zu billig. Der Lebensmitteleinzelhandel ist viel zu stark, bzw. die Landwirte haben keinen direkten Zugang zu diesem großen Lebensmitteleinzelhandel. Wir müssen – das hat der Kollege Zehfuß auch richtig erkannt – bundeskartellrechtlich herangehen, wenn sich ein Bundeskartellamt an der Rundholzvermarktung in Rheinland-Pfalz abarbeitet. Es muss auch möglich sein, dass ein Bundeskartellamt die vier großen Lebensmitteleinzelhandelskonzerne bearbeiten kann und der Landwirt

und Genossenschaften die Möglichkeit haben, auf Augenhöhe mit diesen Großen zu verhandeln und bessere Preise zu erzielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Nächster Redner ist Abgeordneter Hartenfels von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.