Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

Nächster Redner ist Abgeordneter Hartenfels von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir uns heute über dieses Thema anhand eines gemeinsamen Plenarantrags zum Thema „Wertschätzung für landwirtschaftliche Lebensmittel“ zum einen, aber auch die Chancen und Potenziale, die wir in regionaler Vermarktung haben, unterhalten. Ich bin auch explizit der CDU-Fraktion dafür dankbar, dass sie die Initiative gestartet hat und es möglich war, zu einen gemeinsamen Antrag zu kommen.

Ich möchte ausdrücklich die Ausführungen, die mein Kollege Zehfuß insbesondere zu dem Desaster gemacht hat, das wir bei der Preisentwicklung für landwirtschaftliche Produkte haben, unterstreichen. Wir haben ein Niveau erreicht, das eigentlich jeder Beschreibung spottet und eine Unverschämtheit für die Menschen ist, die diese Lebensmittel für uns produzieren. Herr Zehfuß, Sie legen darauf immer wieder Wert, und ich will auch ausdrücklich unterstützen, dass das so nicht sein kann und es eine politische Aufgabe ist, dort auch ein Stück weit entgegenzuwirken.

(Präsident Hendrik Hering übernimmt den Vorsitz)

Ihre Ausführungen zum Einzelhandel und zu den kartellartigen Strukturen, die wir haben, kann man auch nur unterstreichen. Der Landwirtschaft bricht immer wieder das Genick, dass die Situation so ist, wie sie ist. Auch hier ist die Politik gefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten andere Zeichen zu setzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Rahmenbedingungen sind natürlich in den letzten Jahrzehnten auch nicht besser geworden. Also auch in Rheinland-Pfalz, wenn man sich die Betriebsstrukturentwicklung in den letzten drei Jahrzehnten anschaut, ist das eine Katastrophe für die landwirtschaftlichen Betriebe gewesen. Unter dem Stichwort „Wachsen oder Weichen“ haben wir die Situation, dass wir 1991 noch 51.000 Betriebe im Land RheinlandPfalz hatten. Wo stehen wir heute? – Bei 17.100 Betrieben. Das sind 35.000 Existenzen, die – wenn man so will, in einer Generation – verschwunden sind.

Auch die Betriebstruktur hat sich dramatisch verändert. Wir hatten 1991 noch 31 Betriebe mit einer Betriebsgröße von über 200 ha. Heute sind wir bei 500 ha und mehr in

dieser größten Betriebskategorie. Auch das zeigt, wie sich in der Landwirtschaft die Situation der Betriebe verändert hat. Nichtdestotrotz haben wir in Rheinland-Pfalz nach wie vor eine bäuerliche Betriebsstruktur, also eher kleine und mittelbäuerliche Betriebe, die ihr Potenzial nutzen sollten, um möglichst verbrauchernah ihre Produkte an die Frau und den Mann zu bringen. Unsere Aufgabe in der Agrarpolitik ist es, eine rheinland-pfälzische Handschrift in der Landwirtschaftspolitik hinzubekommen. Ich finde, dieser Plenarantrag gibt da auch die Richtung vor und zeigt uns auf, wo die Möglichkeiten bestehen.

Herr Zehfuß, ein Stück weit sind Sie offene Türen bei uns eingerannt. Ich glaube, deswegen ist ein solcher gemeinsamer Plenarantrag möglich geworden. Ich möchte es an einigen Punkten deutlich machen, bei denen wir schon gut unterwegs sind, und das sollte man auch würdigen.

Stichwort Wertschätzung: Diese Kampagne „RheinlandPfalz isst besser“ seit dem Jahr 2011 ist für mich ein Kernelement, mit dem Politik Flagge zeigen kann, indem sie sagt: Wir wollen einen hohen Qualitätsstandard für die rheinland-pfälzischen Produkte, aber wir wollen auch vernünftige und gute Preise für diese Produkte haben. Das wird nur über die Wertschätzung dieser Produkte funktionieren. –

Deswegen ist es so wichtig, dass das Land RheinlandPfalz offensiv vorangeht und sagt, wir gehen den Weg „Rheinland-Pfalz isst besser“. – Dafür stehen wir ein. Das wollen wir nach vorne treiben. Das machen wir auch über eine Vielzahl von Programmen, die wir nutzen.

Das sind nicht nur reine Landesprogramme. Zum Beispiel werden aber die GAP-Mittel von uns eingesetzt, um regionale Vermarktungsstrukturen zu verbessern und aufzubauen. Die EULLE-Mittel werden dafür genutzt, aber auch landeseigene Mittel setzen wir dafür ein, wenn ich an die Agrarmarketingprogramme denke, die wir fördern und unterstützen, um regionale Erzeugervermarktungsstrukturen, die sich neu gründen, zu fördern und zu unterstützen. Wir haben in den letzten fünf Jahren allein in dem Bereich etwa 820.000 Euro eingesetzt. Das zeigt, die Landesregierung versucht schon jetzt an vielen Stellen, tatsächlich unser Potenzial in Rheinland-Pfalz für die Landwirtschaft auch zu nutzen und die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass wir den nächsten Schritt nach vorne gehen können.

Ich möchte aber auch auf die Vielzahl von Spiegelstrichen eingehen, zumindest auf zwei von denen, bei denen wir – ich sage immer – der Landesregierung auch noch etwas ins Stammbuch geschrieben haben, nach dem Motto, natürlich muss die Entwicklung auch weitergehen.

Ein Spiegelstrich, der mir wichtig ist: Wir wollen und haben den Anspruch bei der Kita-Verpflegung und bei der Schulverpflegung, mindestens 50 % regionale Produkte dort im Angebot zu haben. Das ist ein konkreter Schritt, mit dem wir Einfluss nehmen und sagen können, wir wollen die Wertschätzung, und wir wollen die regionale Vermarktung stärken. – Wir müssen natürlich auch bereit sein, in diesem Bereich diesen Schritt zu gehen und über Ausschreibungsbedingungen zu sagen, wir wollen diese 50 %. Das ist gerade in Rheinland-Pfalz für unsere Betriebe ganz wichtig.

(Beifall der Abg. Dr. Bernhard Braun und Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter Spiegelstrich, der mir wichtig ist, weil er noch einmal einen großen Schritt nach vorne bedeuten würde: Sie haben die Verbraucherdemenz angesprochen. Das ist die eine Seite der Medaille, aber natürlich brauchen wir auch verbindliche Kennzeichnungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die schon bereit sind, für regionale Produkte mehr Geld in die Hand zu nehmen.

Ich möchte eine Lanze für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher brechen. Das bedeutet eine klare Kennzeichnungspflicht im Bereich der regionalen Produkte, aber auch klare Klassifizierungen, wenn wir über Dachmarken reden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher Klarheit darüber haben: Ist das auch das Produkt, was ich mir wünsche? – Dann kaufe ich es auch ein.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Es gibt zwei positive Beispiele, bei denen es die Verbraucherinnen und Verbraucher belegt haben: Die Einführung des EUBiogütesiegel hat zu einer verstärkten Nachfrage nach Bioprodukten geführt, und die klare Eierkennzeichnung von 0 bis 3 hat dazu geführt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher gesagt haben: Wir wollen kein Ei mit einer 3, wir wollen keine Käfighaltung mehr haben. – Auch das hat super funktioniert. Voraussetzung war aber, dass die Politik den Mut hat, den Kennzeichnungsweg auch zu gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Becht.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute Morgen hatten wir es schon zur Kenntnis genommen: Wir stecken mitten in der Diskussion um die Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Es gibt Kritik an den Vorschlägen der EU-Kommission, insbesondere den vorgesehenen Kürzungen zulasten einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und zulasten von lebenswerten entwicklungsfähigen ländlichen Räumen.

Wir sollten es aber nicht allein bei dieser Kritik belassen, sondern darüber diskutieren, wie sich Landwirtschaft und ländliche Räume entwickeln können, damit sie in Zukunft wieder stärker aus eigener Kraft bestehen und sich entwickeln können.

Für die Landwirtschaft bedeutet das: Wie können wir dazu beitragen, dass die landwirtschaftlichen Unternehmen nicht dauerhaft nur durch öffentliche Mittel eine angemessene Entlohnung für ihre Erzeugnisse und ihre übrigen Leistungen erhalten, sondern wieder stärker über den Markt und den Preis, den die Verbraucherinnen und Verbraucher entrichten? – Herr Abgeordneter Zehfuß hat das

treffend dargestellt.

In diesem Gesamtzusammenhang möchte ich den jetzt vorliegenden Antrag auch sehen. Eine Agrarpolitik, die – wie es im Antrag heißt – Rahmenbedingungen gestalten soll und will, mit denen Landwirte in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden, zeichnet sich durch drei wesentliche Merkmale aus:

Sie schafft erstens Stabilität und Planungssicherheit. Sie stärkt zweitens die Innovationsfähigkeit und Innovationsbereitschaft der Betriebe, auch die Investitionsbereitschaft. Sie setzt sich drittens für einen möglichst geringen bürokratischen Aufwand ein.

Zu Stabilität und Planungssicherheit tragen wir in Rheinland Pfalz bei, indem wir alles dafür tun, jedes Jahr pünktlich, verlässlich und vollständig die Prämien für die Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen und die Direktzahlungen auszuzahlen: insgesamt 140 Millionen Euro. Wir stützen den vor Jahren vereinbarten und eingeschlagenen marktorientierten Kurs in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU gerade auch auf dem Milchmarkt. Zur Verlässlichkeit gehört für uns aber auch, dass wir der Landwirtschaft den Zugang zu den Mitteln sichern, die sie für einen verantwortlichen und wirksamen Pflanzenschutz benötigt.

Wir arbeiten außerdem an einer stetigen Verbesserung der Innovationsfähigkeit und Investitionsbereitschaft, der zweite Punkt. Im investiven Bereich haben wir im Rahmen einer Wettbewerbs- und Innovationsoffensive in Landwirtschaft und Weinbau die Förderkonditionen in der einzelbetrieblichen Innovationsförderung und im landwirtschaftlichen Wegebau deutlich verbessert. Ein weiterer zentraler Punkt ist hierbei auch die Digitalisierung. Diese stellt eine Herausforderung dar, die alle Branchen angeht, auch und gerade die Landwirtschaft. Ich erinnere hier an die kostenfreie Bereitstellung des SAPOS-Korrektursignals zur präzisen digitalen Steuerung landwirtschaftlicher Maschinen oder die Bildung einer Lenkungsgruppe beim DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, in der wir unsere SmartFarming-Strategie umsetzen.

Schon bisher unterstützt das Land die Vermarktung regionaler Erzeugnisse. Dazu zählt die Förderung von Erzeugerorganisationen und Erzeugerzusammenschlüssen bei der Gründung, bei erforderlichen Investitionen wie auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Marketingaktivitäten. Gleiches gilt für regionale Vermarktungsinitiativen in verschiedenen Teilen des Landes.

Immer mehr Menschen entdecken die heimische Küche und setzen auf Qualitätsprodukte aus der Region. Hier setzt auch die bereits bezeichnete Initiative „RheinlandPfalz isst besser“ an. Sie wirbt bei Verbraucherinnen und Verbrauchern für Bedeutung und Wert von Lebensmitteln für die Verwendung regionaler und biologisch erzeugter Produkte. Die Kampagne umfasst mittlerweile mehr als 20 Ernährungsbildungsprojekte.

Herr Hartenfels hat das Agrarmarketing angesprochen. Die Internetseite regionalmarkt.rlp.de ist nur ein Teil davon. Hier werden zahlreiche regionale Initiativen und Vermarktungsprojekte gefördert.

Ein weiteres Thema im Antrag, auf das ich eingehen möchte, waren die Fleischbeschaugebühren. Die Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen werden von den zuständigen Kommunen erhoben. Diese Gebühren weisen teilweise deutliche Unterschiede auf. Hier gibt es Handlungsbedarf. Deshalb wird das zuständige Ressort einen runden Tisch einrichten und hierzu einladen.

Zu dem Punkt der Struktur der Schlachthöfe sei auch eine Bemerkung gestattet. Wenn wir uns diese derzeitige Struktur anschauen, können wir feststellen, dass nach wie vor in allen Regionen des Landes, in denen Viehhaltung von Bedeutung ist, Schlachtstätten vorhanden sind. Aber wir halten die Unterstützung von Investitionen in Schlachtstätten über das Programm „EULLE“ aufrecht und setzen es fort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Wunsch nach einer größeren Wertschätzung regionaler Lebensmittel findet breite Zustimmung in der Politik, wie der parteiübergreifende Antrag deutlich macht, und auch in der Verbraucherschaft. Nach aktuellen Umfragen will die Mehrheit der Verbraucher mehr Geld für regionale Produkte ausgeben. Jetzt gilt es, diese Mehrheit an dem „Point of Sale“, wie Herr Zehfuß sagt, umzusetzen.

Wir dürfen aber die Realität nicht aus dem Blick verlieren. Bestehende Marktstrukturen stehen einer Aufwertung und besseren Honorierung von Regionalität und Qualität landwirtschaftlicher Erzeugnisse oftmals entgegen.

In der Landwirtschaft und in den mit ihr verbundenen Unternehmen des Lebensmittelhandwerks, der regionalen Gastronomie und anderer Wirtschaftsbereiche müssen Strukturen gestärkt werden, die einen größeren Markterfolg regionaler Lebensmittel ermöglichen. Deshalb begrüße ich persönlich auch die Initiative von Agrarkommissar Hogan zur Begrenzung der Marktmacht und zur Regulierung und Harmonisierung kartellrechtlicher Vorgaben auf Europaebene.

Gleiches gilt für aktuelle kartellrechtliche Vorhaben, beispielsweise das postulierte Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis, das uns in diesem Zusammenhang helfen soll.

Daran haben wir weiter zu arbeiten. Den Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen wir zum Teil als Bestätigung unserer agrarpolitischen Schwerpunkte, zum anderen Teil aber auch und gerade als Auftrag an, beharrlich an dieser Aufgabe weiter zu arbeiten.

Vielen Dank für diesen Auftrag.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag. – Entschuldigung. Die AfD hat Ausschussüberweisung beantragt, dann ist darüber zunächst abzustimmen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Der kommt doch aus dem Ausschuss!)

Wer stimmt zu? – Wer stimmt dagegen?

(Abg. Martin Haller, SPD: So einen Ferz fangen wir erst gar nicht an!)

Damit ist der Überweisungsantrag mit den Stimmen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/7280 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir kommen damit zu Punkt 13 der Tagesordnung:

Innovationsimpuls für Rheinland-Pfalz durch zielgerichtete Technologiepolitik Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/7029 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr – Drucksache 17/7185 –