Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

Hochschulen für beruflich Qualifizierte, für duale Studiengänge und genauso auch in der Förderung der beruflichen Fortbildung und des Aufstiegsbonus.

Wenn man Absolvierendenbefragungen heranzieht, muss man sich auch die Mühe geben, in die Analyse zu gehen. Es reicht nicht, sich Statistiken anzuschauen; man muss sie auch verstehen.

Dann müssen Sie auch die Facharztdisziplinen heranziehen. Dann müssen Sie die verschiedenen Hochschularten heranziehen. Dann müssen Sie berücksichtigen, wenn sie von Bachelorstudiengängen reden, dass wir an den Fachhochschulen früher achtsemestrige Studiengänge hatten; jetzt haben wir siebensemestrige.

Eines wird aus Ihren Ausführungen klar, Herr Abgeordneter Paul: Fachhochschulen verstehen Sie nicht. Damit hatten Sie offenbar bisher nicht viel zu tun. Diese Ausführungen zeigen ein erschreckendes Unverständnis des gesamten Hochschulsystems in den verschiedenen Dimensionen und Ausführungen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir können uns aber auch pauschale Zahlen anschauen. Gegenwärtig gibt es zwei Studien zur langfristigen Entwicklung von Abschlussnoten. Die letzte deutschlandweit ermittelte Durchschnittsnote über alles ganz pauschal stammt aus dem Jahr 2011. Damals lag der deutschlandweite Notendurchschnitt über alle Abschlussnoten bei 2,07. Wir lagen in Rheinland-Pfalz höher, nämlich bei 2,13. Seitdem haben sich die Zahlen in der Tat leicht verbessert, und zwar in der zweiten Stelle hinter dem Komma.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Wenn man sich die letzten 20 Jahre anschaut, dann haben wir eine Notenverbesserung in 20 Jahren von 0,2. Galoppierende Noteninflation! Die EZB würde wahrscheinlich von „Horror“ sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Pauschale Behauptungen wie „Noteninflation“, „Überakademisierung“, „abgesenkte Anforderungen“, „Schummelkultur“ aus dieser Datenlage abzuleiten, ist die Ebene reiner Polemik.

Natürlich macht es Sinn, die Notenentwicklung weiter zu analysieren und sie auch kritisch zu reflektieren. Das muss man aber auf der Ebene der Fachrichtungen machen. Das muss man in den deutschlandweiten Fachverbänden machen – das wird dort auch getan, und dort gehört es auch hin – und im Rahmen der Qualitätssicherung an den Hochschulen. Wir haben im Hochschulgesetz eine entsprechende Qualitätssicherung und entsprechende Systeme verpflichtend vorgeschrieben. Es ist Aufgabe der Hochschulen, in diesem Rahmen auch das Prüfungswesen zu evaluieren und zu verbessern.

Rheinland-Pfalz ist bei der Qualitätssicherung der Lehre sehr gut aufgestellt. Das hat auch die unabhängige Expertenkommission zum Hochschulzukunftsprogramm

bestätigt. Weltweit sind unsere Hochschulen sehr, sehr begehrte Partner.

Wenn Sie, um nur ein Beispiel zu nennen, Begriffe wie „German Engineering“ nehmen, das weltweit ein völlig geläufiger Qualitätsbegriff ist,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Warum haben wir dann den Diplom-Ingenieur nicht behalten?)

mit dem das Niveau unserer Hochschulen verknüpft wird, dann zeigt das, wo wir tatsächlich stehen.

Das Schlechtreden der Gegenwart wird nicht helfen, die Zukunft zu gestalten.

(Beifall bei der SPD)

Da wir aber die Zukunft gestalten, brauchen wir uns um das Land und die Menschen keine Sorgen zu machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Herrn Staatsminister Wolf erteile ich dem Abgeordneten Frisch das Wort.

(Abg. Martin Haller, SPD: Machen Sie nicht zu lange! Morgen steht ein Umzug bevor! Da muss man dann fit sein!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr verehrter Herr Minister! Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie ein so ernstes Thema hier ins Lächerliche ziehen. Man kann natürlich die Probleme damit wegreden, indem man sich lustig darüber macht und die Kritik – die keineswegs nur von uns kommt, sondern aus vielen Bereichen und gerade von den Endabnehmern unserer Bildung – ignoriert und auf diese Art und Weise versucht, sie sich vom Hals zu schaffen.

Die Klagen der Industrie und der Industrie- und Handelskammern sind sehr eindeutig. Es wird immer wieder gesagt – Herr Paul hat es ausgeführt –, dass die Menschen, die von den Hochschulen kommen, nicht hinreichend qualifiziert sind und den Anforderungen entsprechen, die man dort an sie stellt. Woher kommen denn diese Klagen? Die sind doch nicht aus der Luft gegriffen.

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Man kann auch alles schlechtreden!)

Wenn Sie sich die Situation an den Hochschulen anschauen, wie viele Stütz-, Förder- und Vorkurse es geben muss, damit Abiturienten überhaupt eine Möglichkeit haben, an den Hochschulen zu bestehen, und wir trotzdem noch hohe Abbrecher- und Durchfallquoten haben, sieht man doch, dass im System etwas nicht stimmt.

(Beifall bei der AfD)

Dann kann man nicht die Augen verschließen und Witze darüber machen. Als Bildungs- bzw. als Wissenschaftsminister hat man verdammt noch mal die Aufgabe, dieses Problem anzugehen.

(Beifall der AfD)

Einen Satz möchte ich noch zur angeblich geringen Arbeitslosigkeit von Akademikern sagen. Das mag stimmen. Nur, wenn man dann einmal fragt, was Akademiker denn nach ihrer Hochschulausbildung machen und ob sie tatsächlich in den Bereichen eingesetzt werden, für die sie qualifiziert sind, ob sie einen Job bekommen, der ihrer Qualifikation entspricht, dann sieht die Sache völlig anders aus. Sie finden Akademiker, die irgendwo Unterschlupf gefunden haben, in Zeitverträgen, in befristeten Verträgen, die irgendetwas anderes machen, gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich, weil sie am Markt vorbei ausgebildet worden sind,

(Beifall der AfD)

weil es viel zu viele Leute in Bereichen gibt, für die tatsächlich kein Bedarf besteht. Aber auch das scheint Sie nicht zu interessieren.

(Unruhe im Hause)

Wir müssen natürlich mit Blick auf unsere Bildungslandschaft – aber auch auf unsere Volkswirtschaft – darauf achten, die Menschen so auszubilden, dass sie nachher auch adäquat eingesetzt werden können.

(Beifall der AfD – Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Sozialismus wollen wir keinen! – Weitere Zurufe im Hause)

Herr Minister, gibt es den Wunsch zur Erwiderung? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Große Anfrage und die Antwort sind damit grundsätzlich erledigt.

Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:

Modellprojekt zur betrieblichen beruflichen Weiterbildung von gering qualifiziert Beschäftigten zur Erlangung einer abgeschlossenen Berufsausbildung: „Perspektiven eröffnen – Potenziale erschließen“ Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/7286 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Wer ergreift das Wort? – Herr Dr. Böhme von der Fraktion der AfD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Perspektiven eröffnen – Potenziale erschließen“, so ist der Titel des Antrags, in dem die AfD-Fraktion ein Modellprojekt des Landes Rheinland-Pfalz zur betrieblichen und beruflichen

Weiterbildung von gering qualifizierten Beschäftigten zur Erlangung einer abgeschlossenen Berufsausbildung vorschlägt.

Ein solches Modellprojekt fügt sich aus unserer Sicht gut in die bestehende Landschaft der Förderprogramme für den Arbeitsmarkt ein, da momentan die beiden Begriffe „Fachkräfte“ und „Langzeitarbeitslosigkeit“ in den laufenden Debatten dominierend sind. Fachkräfte werden dringend benötigt und sind umworben und heiß begehrt. Langzeitarbeitslose dagegen stellen ein ungenutztes Potenzial für den Arbeitsmarkt dar und sollen Teilhabe an der Gesellschaft und am Wohlstand erreichen.

Entsprechend umfangreich ist die Ausstattung der Förderprogramme für arbeitslose Menschen, zum Beispiel auch das Bedarfsgemeinschaftscoaching, welches in RheinlandPfalz entwickelt wurde.

Der Weg jedoch von einer Situation meist multipler Vermittlungsprobleme am Arbeitsmarkt zur begehrten Fachkraft ist weit und kaum in einem Schritt zu schaffen. In der Regel ist die erste Stufe der Eingliederung am Arbeitsmarkt eine sogenannte Helfertätigkeit, also eine Tätigkeit mit durchaus hohen Anforderungen an soziale Tugenden wie Fleiß, Einsatzwillen, Teamgeist, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit, jedoch nur begrenzten Anforderungen an die berufliche Vorbildung. Damit verbunden ist ein geringes Einkommen.

Eine weitere Limitation ist, dass in diesem Arbeitsmarktsegment bereits viele Menschen beschäftigt sind, welche über keine bzw. nur über eine nicht mehr hinreichend verwertbare Berufsausbildung verfügen. So haben allein ca. 1,4 Millionen junge Erwachsene in Deutschland keinen Berufsabschluss. Aber auch Ältere brauchen eine Chance, zur Fachkraft zu werden. Dieses Arbeitsmarktssegment der Helfertätigkeiten wird künftig weiter schrumpfen; denn es sind die Arbeitsstellen, welche am ehesten durch Automatisierung und Digitalisierung in ihrem Bestand gefährdet sind. Die Gefahr, aus einer solchen Tätigkeit heraus arbeitslos zu werden, ist also überdurchschnittlich groß.

Genau hier setzt unser Vorschlag an. Wir sind davon überzeugt, dass gerade Bürger, welche sich im Berufsleben bereits bewährt haben, motiviert sind, nach einem Bildungsabschluss zu streben, welcher ihnen bessere berufliche Chancen bietet. In der Regel fehlen diesen Menschen, welche oft auf Mindestlohnniveau vergütet werden, jedoch die finanziellen Mittel, um eine intensive Vollzeitausbildung in Angriff nehmen zu können.

Man spricht zum Beispiel auch von der „verlorenen Generation“ zwischen 25 und 35 Jahren, welche bereits auf eigenen Füßen stehen muss, teilweise bereits Verantwortung für eine eigene Familie übernimmt und auf das ohnehin geringe eigene Einkommen angewiesen ist. Diesen Menschen möchten wir mit einer zweiten Bildungschance – unterstützt durch ein Unterhaltsgeld auf Zeit – unter die Arme greifen und ihnen neue Perspektiven eröffnen. In dem von uns vorgeschlagenen Modellprojekt sollte die Funktionalität und die Akzeptanz eines solchen Ansatzes getestet und mit einer wissenschaftlichen Begleitung unterlegt werden.

Meine Damen und Herren, Arbeitslosigkeit zu überwinden

und drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden, ist natürlich ein vorrangiges und erklärtes Ziel der Sozialpolitik. Unser Antrag geht aber über diese Zugangsvoraussetzungen nach § 81 Drittes Buch Sozialgesetzbuch hinaus. Wir möchten mit unserem Antrag der notwendigen Weiterbildung das Element der für den Arbeitsmarkt zweckmäßigen Weiterbildung hinzufügen: zweckmäßig für die Wirtschaft, welche gerade in Bedarfsberufen dringend Fachkräfte sucht – also Potenziale eröffnen, und zweckmäßig für die Teilnehmer des Programms, welche Armut und drohende Altersarmut mit einer Ausbildung überwinden –, also Perspektiven eröffnen.

Natürlich ist ein solcher zweckmäßiger Ansatz bei den Agenturen für Arbeit bereits möglich, zum Beispiel durch die Programme „WeGebAU“ und „Zukunftsstarter“. Allerdings sind die Fallzahlen solcher beruflichen Weiterbildungen gering. Die Gründe hierfür sind vielfältig: keine verpflichtende gesetzliche Grundlage, Abhängigkeit vom Arbeitgeber und dessen Finanzierung, Betriebswechsel sind nicht möglich, Begrenzungen im Hinblick auf Betriebsgrößen und Laufzeiten, kleine Betriebe nehmen nicht teil, die bewilligten Maßnahmen sind zu kurz und führen nicht zu einem Berufsabschluss, und die Komplexität bei Beantragung und Abrechnung ist zu hoch. Dazu kommt das Ermessen entsprechender Bearbeiter bei den Agenturen, die die Maßnahmen im Einzelfall begründen müssen.