Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

Natürlich ist ein solcher zweckmäßiger Ansatz bei den Agenturen für Arbeit bereits möglich, zum Beispiel durch die Programme „WeGebAU“ und „Zukunftsstarter“. Allerdings sind die Fallzahlen solcher beruflichen Weiterbildungen gering. Die Gründe hierfür sind vielfältig: keine verpflichtende gesetzliche Grundlage, Abhängigkeit vom Arbeitgeber und dessen Finanzierung, Betriebswechsel sind nicht möglich, Begrenzungen im Hinblick auf Betriebsgrößen und Laufzeiten, kleine Betriebe nehmen nicht teil, die bewilligten Maßnahmen sind zu kurz und führen nicht zu einem Berufsabschluss, und die Komplexität bei Beantragung und Abrechnung ist zu hoch. Dazu kommt das Ermessen entsprechender Bearbeiter bei den Agenturen, die die Maßnahmen im Einzelfall begründen müssen.

Unser Modellprojekt schafft somit auch Klarheit und Handlungsspielraum für die Agenturen für Arbeit; denn die einzige wesentliche Zugangsvoraussetzung ist die Absehbarkeit eines Erfolgs der Weiterbildung, welche bei Motivation der Beschäftigten und der Wahl eines aussichtsreichen Berufs in der Regel gegeben sein sollte.

Besetzen wir offene Lehrstellen einfach mit Bildungswilligen.

Rheinland-Pfalz sollte im Hinblick auf die Arbeitsmarkt- und Berufsförderung innovativ bleiben. Wir bitten den Landtag daher, unseren Antrag an den Ausschuss für Soziales und Arbeit zu überweisen, um dort die Debatte weiterführen zu können und auch noch Raum für die Klärung weiterer Fragen zu geben.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Das sieht schlecht aus!)

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Köbler für die Koalitionsfraktionen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich mache nun schon ein paar Jahre Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Ich habe eine Weile gebraucht und den Antrag mehrfach gelesen, um zu verstehen, was die AfD-Fraktion eigentlich mit dem Antrag will. Ich habe selten ein Antrag gelesen, in dem so viele Widersprüche und Widersprüchlichkeiten zu finden sind.

Beginnen wir mit der angesprochene Zielgruppe. Sie wollen ein Modellprojekt, um „Beschäftigten, die über keine bzw. nur über eine nicht mehr hinreichend verwertbare Berufsausbildung verfügen, eine betriebliche Weiterbildung“ zu ermöglichen. § 81 Abs. 1 SGB III – die geltende Rechtslage in Deutschland – sagt: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist“. Eigentlich ist da doch schon alles geregelt.

Nun schreiben Sie aber, sie wollen gerade für die Personengruppe, für die die Voraussetzungen nach § 81 Abs. 1 SGB III nicht gegeben sind, ein Förderprogramm aufsetzen. Sie begründen das damit, dass es um Beschäftigte geht, die zwar eine Beschäftigung haben, also mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und in den Regelkreis von SGB III fallen, die aber keinen ausreichenden Berufsabschluss haben. Aber genau die fallen doch in die Förderung von § 81 Abs. 1 SGB III. Demnach ist die Frage, wen Sie eigentlich meinen, völlig unklar.

Zweitens geht es Ihnen darum, vornehmlich Arbeitslosigkeit zu verhindern. Gleichzeitig wollen Sie aber im Rahmen eines Modellprojekts nicht nur Bezieher von SGB II, sondern auch potenzielle Bezieher von SGB II – also Personen, die zwar eine Beschäftigung haben, aber noch nicht ein Jahr in die Sozialversicherung eingezahlt haben – aus dem Projekt ausgrenzen, obwohl wir wissen, dass deren Arbeitslosigkeits- und Dauerarbeitslosigkeitsrisiko um ein Vielfaches höher ist als bei denjenigen, die schon länger in Arbeit und damit im SGB III-Rechtskreis angekommen sind. Das schreiben Sie sogar selbst in Ihrer Begründung.

Es stellt sich also die Frage, was wollen Sie eigentlich, was treibt Sie eigentlich an? Da wird dann konkreter. Zur Zielsetzung und Motivation zitiere ich aus Ihrem Antrag: „Maßgeblich soll nicht mehr die individuelle Notwendigkeit einer Weiterbildung sein, sondern vielmehr deren Zweckmäßigkeit im Hinblick auf Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes.“ Das individuelle Qualifizierungsbedürfnis und der individuelle Qualifizierungswille spielen also keine Rolle mehr. Es geht Ihnen also einzig und allein darum, der Wirtschaft Arbeitermaterial zur Verfügung zu stellen. Das soll also bestellt werden, das Land soll das Modellprojekt bezahlen, um sozusagen Arbeitermaterial zu liefern. Das ist eine reine Verwertungslogik, die den Grundsätzen unserer Sozialgesetzgebung so nicht gerecht wird.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Zwangsarbeiter, sagen Sie das doch gleich! – Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Nach Nützlichkeit!)

Bei der Frage, wie ein solches Projekt finanziert werden soll, wird es wild. Sie schreiben in Ihrem Antrag, über die Bewilligung soll die Bundesagentur für Arbeit entscheiden. Die Finanzierung soll aber zu 100 % aus Haushaltsmitteln des Landes geschehen. Die Bundesagentur soll ihre Milliardenüberschüsse für sich behalten, das Land soll das Modellprojekt komplett finanzieren, aber die Bundes

agentur soll auswählen, wer genau an diesem Programm partizipiert. Da sage ich Ihnen auch als Landeshaushaltsgesetzgeber, als jemand, der vernünftig mit Steuergeldern umgehen will: Das ist ein wirklich hanebüchener Vorschlag.

Wenn wir ein solches Projekt durchführen und das Geld dazu geben, dann wollen wir auch die Kriterien anlegen, wann dieses Geld zum Einsatz kommt. Das hat auch etwas mit vernünftigem Umgang mit Steuergeldern zu tun.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Wir haben die Bildungsgutscheine, wir haben das Projekt „WeGebAU“, das sehr erfolgreich läuft, wir haben Weiterbildungsprämien, die „Zukunftsstarter“, das Aufstiegs-BAföG, die Bildungsprämie, wir haben als Landesprogramme den „QualiScheck“ sowie den Aufstiegsbonus I und II. Meine Damen und Herren, wir haben zahlreiche Instrumente, und glauben Sie mir, wir haben auch genug Modellprojekte. Wir brauchen nicht noch eines, und schon gar nicht dieses.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Herrn Abgeordneten Köbler erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Böhme.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Herr Köbler, natürlich geht es um Menschen, die bereits in Arbeit sind und die dementsprechend auch Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben, die aber eben nicht unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht sind oder arbeitslos sind und dementsprechend dem Regelungskreis der notwendigen Förderung unterfallen.

Wir möchten, dass die Beschäftigen, die in diesem Pilotprojekt sind – was übrigens begrenzt ist, zeitlich und auch finanziell –, dass diese Beschäftigten mehr Freiraum haben, dass sie nicht mehr abhängig sind zum Beispiel von der Zustimmung ihres Arbeitgebers; denn alle Projekte, die Sie bisher genannt haben, haben eben die Tücke, dass sie den Betrieb nicht wechseln können. Sie sind abhängig von der Finanzierung oder Teilfinanzierung ihres Arbeitgebers und auch letztendlich von dessen Zustimmung.

Gerade auch bei kleinen Betrieben ist es ausgesprochen schwierig. Die fallen entweder gar nicht unter diesen Regelungskreis, den Sie genannt haben, ja. Also zum Beispiel beim „WeGebAU“, kleine Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten fallen da gar nicht drunter, größere über 250 auch nicht. Das heißt, es gibt eine ganze Reihe von Limitationen, die eben dazu geführt haben, dass solche Projekte zwar da sind, dass sie aber von den Fallzahlen in den letzten Jahren sehr wenig genutzt worden sind. Das sagen nicht wir, sondern das sagen die Arbeitsvermittler und die Experten aus den Arbeitsämtern, mit denen wir gesprochen

haben, ja.

Hier geht es einfach darum, den Ansatz zu vereinfachen, ja, und die Förderung nicht über den Betrieb, sondern die Förderung über den Arbeitnehmer zu führen, sodass er die Freiheit hat, selber zu entscheiden, ob er noch einmal eine zweite Lehre beginnt oder nicht. Das ist ein anderer Ansatz als das, was bisher betrieben worden ist. Und es ist auch anders, als es Herr Heil jetzt vorgestellt hat vonseiten der Bundesregierung. Das ist nämlich alter Wein in neuen Schläuchen. Da geht es wieder darum, dass die Arbeitgeber mitfinanzieren, dass die Arbeitgeber entscheiden, aber der Betroffene, der Beschäftigte, der sich weiterentwickeln will, kann eigentlich kaum selber entscheiden. Und genau deswegen möchten wir dieses Modellprojekt, und ich glaube, es wäre auch nicht das erste auf Landesebene.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Damit erteile ich Herrn Abgeordneten Kessel für die CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Digitalisierung und Globalisierung verändern unser Leben und unsere Arbeitswelt. Erwerbstätige Menschen sind heutzutage mehr denn je gefordert, ihre Qualifikationen dem sich rasant ändernden Arbeitsmarkt anzupassen. Wer seine Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit erhalten will, ist auf Weiterbildung angewiesen. Wenn sich beispielsweise Berufe langsamer ändern als die potenzielle Einsatzmöglichkeit neuer Technologien, entscheidet die Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem immer stärkeren Maße über Arbeitsmarkt- und Beschäftigungschancen.

Nach wie vor haben Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose trotz der guten Beschäftigungsentwicklung Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Um dem Strukturwandel am Arbeitsmarkt zu begegnen, hat das Bundeskabinett – Sie haben es gerade erwähnt – gestern einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung verabschiedet, in dem wichtige arbeitsmarktpolitische Instrumente auf den Weg gebracht werden.

Ziel dieses sogenannten Qualifizierungschancengesetzes ist es, die Weiterbildungsförderung und die Beratung zu verstärken sowie die Förderungsregelung nach SGB II und SGB III aktuellen und künftigen Herausforderungen anzupassen. Unter anderem soll künftig die Weiterbildung von Beschäftigten unabhängig von Ausbildung, Alter und Betriebsgröße ermöglicht und damit erweitert werden. Eine solche Weiterbildungsförderung soll es auch für Beschäftigte mit und ohne Aufstockung im Leistungsbezug nach dem SGB II geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die öffentlich geförderte berufliche Weiterbil

dung durch die Bundesagentur für Arbeit für Beschäftigte in Arbeit ist ein wichtiger und nachhaltiger Schritt zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und gleichzeitig eine Chance im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

(Beifall der CDU)

Vieles, was im Antrag der AfD gefordert wird, wird bereits in anderer Form praktiziert. Das haben wir bei meinen beiden Vorrednern bereits gehört. Das von der AfD geforderte landesfinanzierte Förderprogramm wäre nur noch ein weiteres Förderprogramm zu den ohnehin bereits bestehenden und bewährten Programmen und würde die Sachlage zusätzlich unnötig verkomplizieren.

Mit dem Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqua- lifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unter- nehmen) – auch das wurde schon mehrfach angesprochen – der Bundesagentur für Arbeit steht bereits ein Programm für geringqualifizierte Beschäftigte zur Verfügung. Das Programm wurde in den vergangenen Jahren immer wieder an die praktischen Gegebenheiten der Betriebe und des Arbeitsmarktes angepasst. In 24 Monaten kann ein Beschäftigter seinen Berufsabschluss erlangen. Die Lehrgangsgebühren werden erstattet, und der Arbeitgeber erhält für die ausgefallene Arbeitszeit bis zu 100 % Lohnersatz. Im Bereich „Erziehung und Pflege“ ist eine Förderung von bis zu drei Jahren möglich.

Die nationale Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung ist besser und effizienter als der Antrag der AfD. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie kein Landesgeld kostet. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Zu einer weiteren Kurzintervention, dieses Mal auf die Ausführungen von Herrn Abgeordneten Kessel, erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Böhme das Wort.

Herr Kessel, das ist wirklich ein Thema, wo man sich sehr weit reingraben muss. Da gebe ich Ihnen zu, das ist kompliziert. Man muss dann auch die Lücke finden, genau das haben wir versucht.

Ich möchte Ihnen mal ein Statement vorlesen, was wir von einem Experten von der Arbeitsagentur bekommen haben. – Entschuldigung, das war falsch, das wir vom Jobcenter bekommen haben: Modellprojekt Dr. Böhme, Qualifizierung durch reale Berufsausbildung im Betrieb, praxisorientierte Bildung mit höchster arbeitsmarktlicher Akzeptanz,

(Abg. Christine Schneider, CDU: Das ist doch keine Kurzintervention!)

keine Notwendigkeit, zuerst in einem Rechtskreis als Arbeitsloser einen Weg zu suchen. Ihr Projekt setzt dort an,

wo Menschen im Berufsalltag die Notwendigkeit eines Berufsabschlusses erkennen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist ein zweiter Redebeitrag! Das ist Missbrauch unserer Geschäftsordnung!)

Der Weg ist für diese Menschen direkt und ohne finanzielle Abstriche gangbar.

(Unruhe bei der SPD und bei der AfD)

Sie haben ja selber gesagt. Zum Beispiel WeGebAU, das ist ja begrenzt auf zwei Jahre, mit Ausnahme der, mit bestimmten Ausnahmen. Aber die Frage ist ja, ob sie in den zwei Jahren dann diesen beruflichen Abschluss überhaupt machen können. Der WeGebAU wird ja auch benutzt, um Teilweiterbildungen zu machen, auch teilweise bei Bildungsträgern außerhalb des Betriebes. Das ist aber etwas anderes, wir fordern die Ausbildung im Betrieb,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ich fordere, dass Sie aufhören zu reden! Das ist ein zweiter Redebeitrag! Sie missbrauchen unsere Geschäftsordnung!)