Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Die Ministerin hat auch klargestellt, dass das Land den Kommunen, deren ureigenste Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung die Kita-Politik ist, so viel Geld zur Verfügung stellen wird, dass sich keine Kita durch die Systemumstellung verschlechtern muss. Vielerorts wird nämlich nur die Hälfte der Fakten genannt.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe bei der CDU)

Alles andere erschließt sich auch schon rein rechnerisch nicht. Wenn nämlich 62 Millionen Euro mehr ins System gegeben werden, kann unten nicht weniger herauskommen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich bin mir sicher, dass das geplante Gesetz das modernste Gesetz bundesweit werden und für Verbesserungen für alle betroffenen Gruppen – für die Kinder, die Eltern, die Erzieherinnen und Erzieher, die Träger, die Jugendämter – sorgen wird. Es wird für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sein.

Wir wollen nicht einfach irgendetwas nur anders machen, sondern wir wollen echte Verbesserungen schaffen. Wir wären doch – ich sage es einmal so deutlich – mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir ein Gesetz auf den Weg bringen würden, das Verschlechterungen bringt. Das kann doch gar nicht in unserem Interesse sein.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Es ist doch sonnenklar, dass es nach einem breiten Anhörungs- und Beteiligungsprozess im Vorfeld noch Veränderungen geben wird, bevor das Gesetz in die parlamentarische Beratung kommt. Dann haben wir sicher noch ausreichend Zeit zum Diskutieren.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So sieht es aus!)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Frisch.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Im Gegensatz zur CDU werden wir auch keine Gebühren einführen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Beitragsfrei, gerecht und gut“, mit diesen Worten beschrieb die Landesregierung ihr geplantes KitaZukunftsgesetz noch im Sommer vergangenen Jahres. Mehr Geld, mehr Personal, weniger Bürokratie, kurzum bessere Qualität auf allen Ebenen, so lautete das vollmundige Versprechen.

Seitdem sind nicht nur die Temperaturen draußen zunehmend frostiger geworden, sondern auch die Reaktionen, die Ministerin Hubig auf ihren Gesetzentwurf erhält. Selten hat sich auf derart breiter Front eine so einhellige Kritik gegen ein Vorhaben dieser Landesregierung formuliert.

Bedenken kommen inzwischen von allen Seiten: von Experten, Eltern, Erzieherinnen und Trägern, und diese Bedenken sind nur allzu berechtigt.

Auch uns haben in den letzten Monaten zahlreiche Zuschriften Betroffener erreicht. Die darin geäußerten Befürchtungen lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Die Kita-Novelle, so der Tenor, werde entgegen aller Beteuerungen der Landesregierung für eine spürbare Verschlechterung der Betreuungsqualität sorgen, weil sie sich weder an den Bedürfnissen der Kinder noch an den Erfordernissen der Praxis orientiere. – Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst.

(Beifall der AfD)

Schon heute entspricht die Fachkraft-Kind-Relation in vielen rheinland-pfälzischen Kitas, vor allem im U3-Bereich, bei Weitem nicht dem Verhältnis, das Kinderärzte und Psychologen für eine gesunde Kindesentwicklung fordern. Auch die Bertelsmann Stiftung monierte fehlende Fachkräfte in Kindergärten und Krippen.

Wäre es der Landesregierung wirklich ernst mit dem Kindeswohl, müsste es das oberste Ziel der Ministerin sein, den aktuellen Betreuungsschlüssel durch Personalaufstockung zu verbessern; stattdessen gelingt ihr nicht einmal die Absicherung des Status quo. Im Gegenteil, mit der Einführung neuer Altersgruppen verschlechtert sich ausgerechnet die Betreuungssituation der Kleinsten. Zweijährige sollen bei der Personalbemessung mit Sechsjährigen gleichgesetzt werden. Dabei benötigen diese Kinder deutlich mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung. Vor allem aber benötigen sie eine sichere Bindung, um später einmal zu stabilen Persönlichkeiten zu werden.

(Beifall der AfD)

Nur mit einer sicheren Bindung können sich Kinder ihrer Umwelt zuwenden, sie entdecken und sich aktiv die Welt aneignen, wie es Professorin Renate Zimmer vom Niedersächsischen Institut für Frühkindliche Entwicklung formuliert. Dies zu negieren, ist eine pädagogische Bankrotterklärung und bedroht den Erfolg der Erziehungsarbeit in unseren Kitas.

(Beifall der AfD)

Zeigt sich allein darin schon die Realitäts- und Praxisferne des vorliegenden Entwurfs, so erhärtet sich dieser Eindruck noch beim Blick auf das neue System zur Personalberechnung. Bot das bisherige Gruppenprinzip den Einrichtungsträgern eine gewisse Flexibilität und Planungssicherheit, sollen künftig nur noch die exakte Anzahl der Plätze und deren Auslastung von Bedeutung sein. Zahlreiche Rechenmodelle belegen, dass hierdurch Stellenstreichungen notwendig werden, was die angesprochene Fachkraft-Kind-Relation weiter verschlechtern wird. So rechnet beispielsweise die Stadt Landau mit 44, der Kreis

Bad Dürkheim sogar mit 144 wegfallenden Stellen.

Darüber hinaus soll es eine vollständige Personalkostenerstattung nur dann geben, wenn mindestens 92 % der vorgehaltenen Plätze im zurückliegenden Abrechnungsjahr auch tatsächlich belegt waren. Damit drohen Kita-Trägern, die unter diesem Wert bleiben, im Nachhinein erhebliche Finanzierungslücken. Das betrifft vor allem kleine Einrichtungen im ländlichen Raum, denen auf diese Weise jede Planungssicherheit verloren geht.

Die Folgen lassen sich leicht abschätzen: befristete Arbeitsverträge und Teilzeitstellen. Das aber schadet nicht nur den betroffenen Erzieherinnen und den Kindern, sondern mindert insgesamt die Attraktivität des Erzieherberufs und wird kaum dazu beitragen, den allseits beklagten Fachkräftemangel zu beheben.

Als wäre das alles noch nicht genug, lässt man die Träger auch bei den zu erwartenden Investitionen finanziell im Regen stehen. Eine durchgehende siebenstündige Betreuung inklusive Mittagessen ist sicher für viele Familien hilfreich; aber sie braucht geeignete Räumlichkeiten, die den Einrichtungen häufig nicht zur Verfügung stehen. Wieder einmal verteilt die Landesregierung Wohltaten zulasten anderer.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, euphemistische Gesetzestitel erfreuen sich zurzeit großer Beliebtheit. Fast könnte man den Eindruck haben, je schlechter ein Gesetz, desto schöner der Name;

(Heiterkeit bei der AfD)

denn bei genauerer Betrachtung entpuppt sich vieles als Etikettenschwindel. Auf Ihre Kita-Novelle, Frau Ministerin, trifft dies definitiv zu. Sie ist weder gerecht noch gut und am allerwenigsten zukunftsweisend.

(Beifall der AfD)

Sie würde nicht zu einer flächendeckend besseren Kinderbetreuung führen, sondern den ohnehin schon unzureichenden Qualitätsstandard weiter verschlechtern, und sie würde nicht zuletzt die Träger mit unkalkulierbaren Risiken und Kosten belasten.

Unsere Kinder und die Mitarbeiter in den Kitas verdienen bestmögliche Rahmenbedingungen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir brauchen hochwertige Einrichtungen und keine „Verwahranstalten mit Suppenküche“, wie es im Schreiben einer Kita-Leiterin heißt.

In der jetzt vorliegenden Form ist dieses Gesetz kein Zukunfts-, sondern ein Rückschrittsgesetz. Die AfDFraktion fordert die Ministerin deshalb auf,

(Glocke des Präsidenten)

ihren nebulösen Ankündigungen endlich konkrete und sinnvolle Nachbesserungen folgen zu lassen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man sich den föderalen Flickenteppich in Sachen frühkindlicher Bildung in der Bundesrepublik Deutschland anschaut, so kann man eigentlich nur den Kopf schütteln und bei objektiver Betrachtung zu dem Ergebnis kommen, dass Rheinland-Pfalz eine positive Ausnahmesituation darstellt, eine Ausnahmesituation deshalb, weil wir bereits den Weg gewagt und ihn gegangen sind, kostenfreie Bildung ab dem dritten Lebensjahr einzuführen. Das neue Gesetz, die neue Novelle, die uns vorliegt, geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt, dass auch die Zweijährigen kostenfrei gestellt werden sollen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in frühen Jahren wird der Grundstein für Bildung und Chancengleichheit gelegt. Wenn wir das in der Kita für Bildung, Erziehung und Betreuung – das ist die Trias, um die es geht – erreichen, sind wir auf dem richtigen Weg.

Meine Damen und Herren, Frau Huth-Haage sprach davon, dass Frau Ministerin Hubig sich herangewagt habe an die Novelle. – Frau Hubig erfüllt den Koalitionsvertrag, Punkt.

Weiterhin war vonseiten der CDU von „Bestürzung“ die Rede. Meine Damen und Herren, meine Aufgabe als Vertreterin der Legislative ist es, genau hinzuschauen, was mich erreicht und was ich aus dem Land erfahre bezüglich dieses Gesetzes. Genau das habe ich getan. Ich darf noch einmal sagen, wir reden über ungelegte Eier. Es geht um einen Referentenentwurf, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Ich habe, genau wie Sie wahrscheinlich auch, einen ganzen Aktenordner von Rückmeldungen unterschiedlichster Art erhalten.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Und wie viele davon waren positiv?)

Aber es gehört auch zu meiner Aufgabe als Vertreterin der Legislative, diese genau auszuwerten im Hinblick auf das, was an Fakten dort geschildert wird.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Auf jeden Fall mal bis zur Kommunalwahl!)