Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute über das BrexitÜbergangsgesetz; denn die Notwendigkeit dieses Gesetzes ist klar gegeben und wurde von den Vorrednern schon ausreichend erläutert. Die AfD-Fraktion wird diesem selbstverständlich zustimmen.
Dennoch ist es vollkommen unklar, wie es in diesem ewigen Hickhack um den Brexit weitergeht. Es tut Not, die aktuelle Situation klar zu durchleuchten.
Am 23. Juni 2016 entschieden sich die Briten mehrheitlich gegen die Europäische Union. Diese Entscheidung muss Ihnen nicht gefallen. Wer jedoch alltäglich etwas über Toleranz predigt, sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und die Entscheidung des Vereinigten Königreichs akzeptieren.
Was ist jedoch seit diesem Tag passiert? Statt zielgerichtet und auf Augenhöhe ein faires Austrittsabkommen zu verhandeln, hatte die Europäische Union und deren Vertreter nur eines im Sinn: Dieser Austritt soll und muss wehtun, vor allem den Briten ohne Rücksicht auf Nachteile oder Verluste. Man möchte ein Exempel statuieren, um andere potenzielle Austrittskandidaten abzuschrecken.
Dies ist in jeder Hinsicht bedauerlich. Der Reisende will gehen, und die Bleibenden überlegen nur, wie sie diesem möglichst viele Steine in den Weg legen können. Unter diesen Voraussetzungen zeichnete sich leider ab, dass es wohl kein Abkommen geben wird, mit dem alle betroffenen Seiten leben können.
Nachdem die Europäische Union an dieser Stelle sehr hoch gepokert hat, hat sich das House of Commons ebenfalls auf dieses Spielfeld begeben. Es folgten Abstimmungen mit dem Resultat, dass ein No-Deal-Szenario ebenso unerwünscht ist wie das bisher verhandelte Austrittsabkommen. Ziel des Parlaments sind Nachverhandlungen, die jedoch von der Europäischen Union kategorisch abgelehnt werden. Somit geht das Pokern leider in die nächste Runde.
Außer bei Studenten gibt es kein Entgegenkommen. Die aufgelegten Programme sollen ohne Wenn und Aber zu Ende geführt werden. Ich möchte hierzu den EU-Kommissar Günther Oettinger zitieren „Wir wollen nicht, dass die Bürger den Preis für den Brexit bezahlen“, so Oettinger. Dieser Satz an sich findet seitens der AfD-Fraktion volle Zustimmung. Wir fragen uns jedoch, wieso er scheinbar für alle anderen Themen doch nicht so relevant sein soll.
Mit einem No-Deal-Szenario riskiert man hier ganz klar, dass der Bürger am Ende die Rechnung des Brexit bezahlen muss und die Wirtschaft gebremst werden würde.
Als Bundesland mit Exportüberschüssen nach Großbritannien würde uns dieses Szenario härter treffen als die
Briten selbst. Wir sprechen hier schließlich vom viertgrößten Exportmarkt für Rheinland-Pfalz. Deshalb muss die Europäische Union die Verantwortungsethik über ihre eigene Gesinnungsethik stellen und schnellstmöglich wieder zum Verhandlungstisch zurückkehren.
Mit kompromissloser Ideologie wird es keine Lösung geben. Man riskiert lediglich das Eintreffen des Worst Case.
(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Sagen Sie mal was zum Dexit! – Abg. Martin Haller, SPD: Ja, wir wollen was zum Dexit hören!)
Die Exportüberschüsse nach Großbritannien würden massiv zurückgehen. Arbeitsplätze, Wohlstand und Steuereinnahmen würden ebenfalls wegfallen, und das kann in niemandes Interesse sein.
Auch die Forderung nach einem zweiten Referendum sollte man sich sparen; denn die Briten haben sich bewusst für diesen Weg entschieden,
und es kann nicht sein, dass so lange abgestimmt wird, bis Ihnen hier in diesem Hause das Ergebnis passt.
Herr Kollege Weiland, wenn Sie über den Dexit reden wollen, dann setzen Sie ihn doch auf die Tagesordnung.
(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Europaparlament abschaffen wollen, aber dafür kandidieren! – Zurufe von der AfD)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon wirklich erstaunlich, wie man Tatsachen verdrehen kann.
Ich glaube, dass die EU wirklich alles getan hat, um keinen harten Brexit zustande kommen zu lassen. Die Briten sind diejenigen, die ständig am nachverhandeln sind.
Mit der Geschichte so fahrlässig umzugehen, meine Damen und Herren von der AfD, macht mich völlig fassungslos.
Aber ich möchte zu meiner eigenen Rede kommen. – Das Referendum der Briten im Juni 2016 mit einer knappen Mehrheit für einen Brexit war für uns alle eine Zäsur. Bis heute können wir immer noch nicht einschätzen, ob Großbritannien die Europäische Union nun wie beantragt am 29. März verlassen wird.
Was wir aber schon wissen, ist die Tatsache, dass der Austritt des Königreichs für die EU einen schmerzlichen Verlust bedeutet. Nach zwei Jahren zäher Verhandlung mit der EU und dem noch zäheren Ringen im britischen Parlament sehen wir Tag für Tag klarer.
Die Errungenschaften und Visionen der Europäischen Union dürfen nicht einer politischen Stimmung geopfert werden. Dafür sind sie für uns und für den gesamten Kontinent Europa zu wertvoll.
Europa ist geprägt von Frieden, Freiheit und Wohlstand. Das geeinte Europa setzt sich zusammen aus einer beeindruckenden Vielfalt von Kulturen und ist damit ein Hort der Weltoffenheit. Dennoch schenkt Europa seinen mehr als 500 Millionen Einwohnern eine gemeinsame Identität und Heimat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stehe vor Ihnen als überzeugter Europäer, der sich ein Leben innerhalb von engen, streng bewachten nationalen Grenzen nicht mehr vorstellen mag.
(Beifall der FDP und vereinzelt bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei der AfD – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)
Vielmehr bin ich begeistert von unserem gelebten europäischen Gedanken. Ich bin ebenso begeistert von den vielen Möglichkeiten in Europa, sei es mit Blick auf die Reisen, die Kultur oder die zahlreichen Kontakte zwischen den Menschen vieler Nationen in Europa.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das vereinte Europa erlebe ich auch in dem Bewusstsein, dass wir in dieser immer mehr globalisierten Welt nur gemeinsam bestehen können. Deshalb werte ich nationale Alleingänge
als schwerwiegenden Fehler. Wir Freien Demokraten setzen uns vehement für ein Europa des Miteinanders ein.