Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

richten, sind in hohem Maße geeignet, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

Die Differenz im Einkommen eines Facharztes im ÖGD von rund 1.000 Euro brutto ist derzeit eine Kehrseite, sie ist aber auch mit einer anderen Situation und Arbeitsbelastung wie im Krankenhaus zu sehen. Nichtsdestotrotz, wir sind uns alle einig, dass eine Nachbesserung erfolgen muss. Daher hat die Gesundheitsministerkonferenz einstimmig die Empfehlung zur Vergütungsangleichung zu den Krankenhausärzten ausgesprochen. Ohne diese bereits längst erfolgte Beschlusslage der Gesundheitsminister der Länder zu berücksichtigen, haben Sie das in einer Pressemeldung gefordert. Liebe Kollegin, ich glaube, das ist Konsens.

Meine Damen und Herren, zur Finanzierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes – ich sagte schon, Dienstherren bei den Ärzten sind die Kommunen und die Landkreise – erhalten sie außerhalb des Finanzierungsausgleichs eine einwohnerzahlbezogene Umlage, und diese wächst stetig an. Im Jahr 2018 waren es 11,06 Euro pro Einwohner. In der Beantwortung der Großen Anfrage weist die Landesregierung eindeutig darauf hin, dass eine weitere Erhöhung derzeit nicht erforderlich ist.

Last but not least: Wozu brauchen wir den ÖGD und die wichtigen Aufgaben? – Ich nenne die Stichworte Trinkwasserüberwachung, Badewasserüberwachung, Seuchenschutz, Landeskinderschutzgesetz und zum Beispiel den wichtigen Kampf gegen multiresistente Erreger.

Noch ein letztes Beispiel möchte ich nennen, dann komme ich zum Ende.

(Glocke der Präsidentin)

Die letzte verbliebene Reihenuntersuchung in unserem Land ist die Schuleingangsuntersuchung, und sie liefert uns ganz wichtige Daten und Fakten über den Zustand und die Entwicklung unserer Bevölkerung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Groß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Beantwortung der vorliegenden Großen Anfrage der CDU durch die Landesregierung lässt zukünftig nichts Gutes hoffen. Sie lässt erkennen, dass der Ärztemangel zu einem ubiquitär auftretenden Problem geworden ist.

Die Beantwortung zeigt im Wesentlichen, dass uns der Sektor Öffentlicher Gesundheitsdienst vor die gleichen Probleme stellt und noch stellen wird, wie sie sich bereits

bezüglich der haus- und fachärztlichen Versorgung darstellen. Das Durchschnittsalter der in den Gesundheitsämtern tätigen Ärzte – wir haben es alle gehört – beträgt 56 Jahre, acht sind zwischen 40 und 49 Jahre. In den nächsten Jahren werden 38 % der Amtsleiter in den Ruhestand gehen oder ihre Stellvertreter, und bei den Niedergelassenen sind es 60 % in vier Jahren.

Besorgniserregend in diesem Zusammenhang ist, dass die Arztstellen im ÖGD – auch das haben wir schon gesagt – bis maximal 100 Wochen nicht besetzt werden. – Das ist im Grunde genommen eine Schande.

Innerhalb der letzten zehn Jahre – diese Relation ist noch einmal ganz wichtig – wurden die Arztstellen im ÖGD um 15 % aufgestockt; gleichzeitig hat sich die Anzahl der nicht besetzten Stellen verdreifacht und liegt heute bei 11,5 %. Die Verdreifachung ist das Wichtige, nicht die kleinen 11,5 %, die trotzdem auch wichtig sind und auch zu viel sind.

(Beifall der AfD)

Aus Sicht der Landesregierung allerdings ist – wortwörtlich – in Rheinland-Pfalz eine derzeit noch nicht erhebliche Unterbesetzung festzustellen. – Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es erinnert an die Einschätzung der drohenden ärztlichen Unterversorgung, die bis zuletzt geleugnet wurde und jetzt mit Wucht auf uns zukommt.

Die Ursachen für die unbesetzten Arztstellen werden in der Antwort auf die vorliegende Große Anfrage wie folgt angegeben: genereller Ärztemangel – das kennen wir –, Bewerbermangel in ländlichen Gebieten – Stichwort Abrüstung und Vernachlässigung des ländlichen Raums –, Schwierigkeiten beim Besetzen des vakanten Stellenanteils bei Teilzeitarbeit und bei befristeten Stellen und natürlich auch die Differenz der monatlichen Vergütung von 1.000 Euro zwischen Klinikärzten und ÖGD-Ärzten; außerdem die Gehaltsstruktur im TV-ÖD.

Beachtet man dabei, dass als Grund auch genannt wird, dass es eine zunehmende Angleichung zwischen Flexibilität und Teilzeitmodellen in Klinik und Arztpraxis mit den Rahmenbedingungen einer Tätigkeit im ÖGD gibt, so wird die zunehmende Konkurrenz zwischen den drei Säulen des Gesundheitssystems deutlich, die ein eigenes Problemfeld wiederum darstellt. Diese Erkenntnis ist zwingend zu berücksichtigen, will man die Konkurrenz zwischen diesen drei Säulen des Gesundheitssystems nicht noch weiter verschärfen.

Die Kommunalisierung der Gesundheitsämter bedingt, dass die Kommunen eben selbst Maßnahmen zur Lösung unbesetzter Arztstellen in die Hand nehmen müssen und auch schon ergriffen haben: die Gewährung einer Facharztzulage, Arbeitsmarktzulage, die Vergütung eines stellvertretenden Amtsarztes entsprechend der eines Amtsarztes.

So sinnvoll diese ganzen Maßnahmen auch sind, sie führen zu einer Verschärfung des Wettbewerbs sowohl innerhalb der Kommunen als auch innerhalb der drei Säulen des Gesundheitswesens. Andere Lösungsansätze wie zum Beispiel die Optimierung von Teilzeitmodellen mögen im

Interesse des Stellenbewerbers liegen, führen aber dann auch wieder zu Folgeproblemen, weil die Besetzung des verbleibenden vakanten Stellenanteils für einen Bewerber unattraktiv ist.

Die Forderung der CDU nach einheitlicher Vergütung der ÖGD-Ärzte und der Klinikärzte ist berechtigt, löst aber das Gesamtproblem eben nicht. Darum: Die Probleme der ärztlichen Versorgung können nur übergreifend gelöst werden, um die Konkurrenz zwischen den Säulen des Gesundheitswesens und innerhalb dieser Säulen nicht zu verschärfen. Dafür brauchen wir vor allem eine ausreichende Anzahl qualifizierter Ärzte in Rheinland-Pfalz und attraktive Arbeitsbedingungen für Ärzte in allen drei Säulen des Gesundheitswesens, damit diese qualifizierten Ärzte uns auch erhalten bleiben. Es hilft uns nämlich überhaupt nichts, Lücken an einer Stelle zu schließen, damit sie an anderer Stelle wieder aufreißen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Wink.

Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es wurde angesprochen: Der Öffentliche Gesundheitsdienst nimmt in der Tat im Gesundheitswesen eine extrem starke Rolle ein. Und ja, die Aufgabenbereiche sind sehr vielfältig: Dazu zählen der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, die Gesundheitsförderung und Prävention und die Mitwirkung an der Gesundheitsversorgung im Allgemeinen.

Und ja, die Aufgaben haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Sie wurden umfangreicher, und sie wurden vielfältiger. Gründe hierfür sind der medizinische Fortschritt, aber auch der gesellschaftliche Wandel, und die Gründe sind ebenfalls umfangreicher und vielfältiger geworden. Zum Beispiel sind Kenntnisse in Sozialpsychologie, Sozialpädiatrie und Medizinalstatistik über die rein medizinische Aus- und Weiterbildung hinaus erforderlich.

Für die Nichtbesetzung von Arztstellen werden von den Gesundheitsämtern – wir haben es gehört – verschiedene Gründe aufgeführt: der bundesweite Ärztemangel, der sich natürlich auch auf den Öffentlichen Gesundheitsdienst auswirkt, die Schwerpunktarbeit in den Krankenhäusern, der kommunale Haushalt oder der Bewerbermangel insbesondere auch im ländlichen Raum.

Die Konzepte der Wiederbesetzung obliegen den einzelnen Landkreisen. Die spezifischen Herausforderungen der Kreisverwaltungen unterscheiden sich hier aber zum Teil erheblich. Somit muss jede Kreisverwaltung ein für sich passendes Konzept finden und arbeitet hier mit dem Land Hand in Hand.

Auf dem Land müssen allgemein Anreize für jüngere Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden. Eine Antwort darauf

kann die Landarztoffensive des letzten Jahres sein. Die Kreisverwaltungen selbst haben unterschiedliche Maßnahmen auf unterschiedliche Weise ergriffen, um Stellen mit qualifizierten Ärztinnen und Ärzten zu besetzen. Eine Möglichkeit ist, bei entsprechender Qualifikation für beschäftigte Ärztinnen und Ärzte eine Facharztzulage zu gewähren. Eine weitere ist die Schaffung der Verbeamtung oder Umwandlung von Tarifbeschäftigtenstellen in Beamtenstellen. Auch möglich ist die Gewährung einer Arbeitsmarktzulage für Ärztinnen und Ärzte im Beschäftigungsverhältnis oder das Angebot zur Wahrnehmung einer Stelle mit Leitungsfunktion.

Ich könnte jetzt noch zahlreiche weitere Punkte aufzählen, die Sie alle kennen. Die Kreisverwaltungen sind sich aber den aktuellen Herausforderungen bewusst und reagieren bereits auch kreisübergreifend darauf. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen Zweibrücken, Pirmasens und Pirmasens-Land.

Bundesweit wurden aber die erheblichen und gemeinsamen Anstrengungen des Landes Rheinland-Pfalz mit den Kommunen durchaus gelobt.

Der Beitritt zur Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten kann den Öffentlichen Gesundheitsdienst mit all seinen Maßnahmen fachlich deutlich stärken. Wichtig ist es für die Zukunft, dass wir alle aktuellen und zukünftigen Herausforderungen weiter im Blick haben und entsprechende Maßnahmen zur Lösung ergreifen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abgeordnete Hartenfels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Thelen, Sie und meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die Bedeutung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes schon deutlich gemacht. Wir sind alle einer Meinung. Das hat eine hohe Bedeutung im Zusammenwirken von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung.

Frau Thelen, Sie haben es ein Stück weit angesprochen. Die Antworten in diesem Bereich sind nicht sehr überraschend. Bei der Gesamtsituation im medizinischen Bereich, insbesondere bei der Ärzteversorgung, gibt es keine neuen Erkenntnisse. Wir ringen um Lösungen. Ich denke an die 1990er-Jahre und an den Abbau von Medizinstudienplätzen in einem vierstelligen Bereich. Das war über einen langen Zeitraum. Das kann man nicht von heute auf morgen lösen.

Ich glaube, wir ringen unabhängig von den Parteifarben um gute Lösungen, wie man dem ein Stück weit gegensteuern kann.

Ich will das anhand der Großen Anfrage an drei Überschriften deutlich machen. Es sind Schnittmengen zu den Vorrednerinnen und Vorrednern vorhanden. Die Große Anfrage hat gezeigt, wir haben die Situation des Fachkräftemangels in Verbindung mit der Überalterung ganz deutlich dokumentiert. Ich will eine Zahl exemplarisch herausgreifen. Bei den Amtsleitern und Amtsleiterinnen und ihren Stellvertretern und Stellvertreterinnen haben wir in den nächsten zehn Jahren über 60 % Abgänge. Das macht die verschärfte Situation deutlich. Das macht auch deutlich, dass man sich auf die Hinterbeine stellen muss – das gilt für die Kommunen genauso wie für das Land –, um das ein Stück weit aufzufangen und dem gegenzusteuern.

Das eine Beispiel hat Herr Wink angesprochen. Das ist der Beitritt von Land und Kommunen zur Akademie für das Öffentliche Gesundheitswesen. Das ist ein kleiner Baustein, um im Sinne der Qualifizierung weitere Schritte zu gehen.

Ein anderer Punkt ist angesprochen worden. Ich glaube, wir sind uns einig, die Vergütungssituation kann nicht so bleiben, wie sie im Moment ist. Die Gesundheitsministerkonferenz hat sich einhellig der Meinung angeschlossen und gesagt, da muss Bewegung hinein und eine bessere Bezahlung kommen. Ich glaube, es gibt keinen Dissens, sondern man ist übereinstimmend und über die Parteigrenzen hinweg der Meinung, dass etwas getan werden muss.

Ich will noch eine dritte Überschrift ansprechen. Das hängt damit zusammen, dass ich aus dem ländlichen Raum komme. Das Stadt-Land-Gefälle ist ein besonderes Problem bei der verschärften Situation. Im Landkreis Kusel haben wir schon seit zwei bis drei Jahren eine verschärfte Debatte beim Hausarzt. Hier gibt es eine Überalterung und Schließung von Praxen. Das spiegelt ein Stück weit die gleiche Situation wie im Öffentlichen Gesundheitswesen wider. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht einen Bewerbermangel haben, sondern dass sich die Ansprüche bezüglich der Integration von Familien, der Erwartungshaltungen als Fachkraft, an das Arbeitsumfeld und an das private Umfeld geändert haben.

Wir müssen an vielen Stellschrauben und Baustellen drehen, damit gerade der ländliche Raum halbwegs attraktiv bleibt. Wir als Land haben schon viele Stellschrauben verändert. Die gebührenfreie Kita ist ein Beispiel dafür.

Es gibt ganz viele andere Baustellen, an denen wir relativ viel öffentliches Geld in die Hand nehmen, um dafür zu sorgen, dass der ländliche Raum nicht abgehängt wird und halbwegs konkurrenzfähig gegenüber Ballungsräumen und im Bereich des Städtebaus der städtischen Regionen bleibt.

Sie haben gesagt, Sie haben ein bisschen Angst, dass der richtige Zeitpunkt verpasst wird. Wir führen die Debatten schon seit vielen Jahren. Ich glaube, es liegt eher daran, dass keiner von uns eine Patentlösung hat. Ihr Beitrag enthielt nicht viele Beispiele für Lösungen. Vielleicht kommen die noch. Viele Stellschrauben sind gemeinsam mit der Landesregierung in Angriff genommen worden. Sie haben die Studienplätze im medizinischen Bereich angesprochen. Da muss nachjustiert werden. Ich glaube, da gibt es Konsens.

Ich bin fachfremd, ich vertrete Katharina Binz. Ich glaube, Sie werden mir zugestehen, dass mir als einem Fachfremden aufgefallen ist, dass es ein ganz schwieriges Feld ist, in dem wir so schnell keine einfachen Lösungen finden werden. Es wird viele Jahre dauern, um zu halbwegs verträglichen Lösungen zu kommen und keine großen Brüche entstehen. Es werden noch spannende politische Debatten benötigt. Es wird eine starke Opposition gebraucht. Es wird auf Bundesebene die eine oder andere Weichenstellung benötigt. Man braucht starke Partner gerade im medizinischen Bereich, wie die Kassenärztliche Vereinigung. Es gibt viele Partner, die ein Wörtchen mitzureden haben. Das ist nicht nur die politische Seite, es sind noch andere Partner mit im Boot. Das ist eine schwierige Gemengelage.

Ich hoffe, dass wir in Gänze im politischen Raum gute Lösungen, Anregungen und Ansätze entwickeln. Wenn Sie Ihre Ansätze mit dazu beitragen und beisteuern, dann sind Sie herzlich willkommen und eingeladen, das mit zu gestalten.

Vielen Dank.