Protokoll der Sitzung vom 21.02.2019

Die Art und Weise, wie Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen der AfD-Bundestagsfraktion über trans- und intergeschlechtliche Menschen sprechen, ist zutiefst verletzend. Es geht in dieser Debatte nicht um Dutzende verschiedene Geschlechterrollen oder das Spiel mit Männlichkeit und Weiblichkeit. Es geht um biologische Realitäten und die Frage nach der eigenen Identität.

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

Seien Sie still, ich rede!

Und es geht vor allem um staubtrockene Rechtsfragen. Deshalb will ich dieses Thema auch in aller Nüchternheit betrachten.

Die Bundesregierung hatte bis 31. Dezember vergangenen Jahres Zeit, das Personenstandsrecht zu reformieren, um wieder einen grundrechtskonformen Zustand herzustellen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Klar!)

Das Bundesverfassungsgericht war in seinem Beschluss eindeutig. Neben den Eintragungen „männlich“ und „weiblich“ muss es möglich sein, einen weiteren positiven Geschlechtseintrag vornehmen zu lassen.

Ich will auch klarstellen, dass es hier um Grundsätzliches geht. Es stimmt, die vorgenommene Gesetzesänderung betrifft nur einen sehr kleinen Personenkreis. Sie sind von der Novellierung nur dann unmittelbar betroffen, wenn Sie trans- oder intergeschlechtlich sind. Der Staat hat aber die Aufgabe, die Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung zu regeln, und das ist nun endlich geschehen, wenn auch nicht so, wie sich die FDP, wie die Freien Demokraten sich das im Konkreten vorgestellt haben.

Allen Kritikerinnen und Kritikern will ich einen Satz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegenhalten. Ich zitiere – mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Die Verwehrung der personenstandsrechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität gefährdet darum bereits für sich genommen die selbstbestimmte Entwicklung.“ Und weiter: „Das Grundgesetz gebietet nicht, den Personenstand hinsichtlich des Geschlechts ausschließlich binär zu regeln.“

Mit dem novellierten Personenstandsrecht schafft der Gesetzgeber also kein „Chaos“ oder eine „verkehrte Welt“, wie Sie es in Ihrer ewigen Gestrigkeit schreiben würden. Er schafft Rechtssicherheit und trägt zur selbstbestimmten Entwicklung eines jeden Menschen bei.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Fragen, die sich durch den dritten Geschlechtseintrag stellen, sind nicht neu. Sie hat es auch bereits gegeben,

als es gesetzlich möglich war, keinen Geschlechtseintrag vorzunehmen, die Kollegin hat darauf hingewiesen. Der Unterschied ist, dass es jetzt eine rechtliche Grundlage gibt, mit der der Gesetzgeber arbeiten kann, und er erkennt mit dem positiven Eintrag trans- und intergeschlechtliche Menschen im Personenstandsrecht an.

Ganz nüchtern betrachtet heißt das nichts anderes, als dass eine rechtliche Lücke geschlossen wurde. Das würde aber nicht die Tragweite beschreiben, die eine Novelle des Personenstandsrechts

(Glocke der Präsidentin)

hinsichtlich der dritten Option für die betroffenen Menschen hat. Für sie geht es nämlich um ihre Identität.

Wenn Frau von Storch im Bundestag diese existenzielle Rechtsfrage als „Gender-Ideologie“ abtut und Phrasen wie „Morgens Mann, abends Frau und bei Vollmond noch ganz anders“ drischt,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Es gibt die Genderfluiden, so heißt das Wort!)

zeigt das nur, dass Sie nur am Skandal und nicht

(Glocke der Präsidentin)

an einer sachlichen Debatte über das Personenstandsrecht interessiert sind. Wir Freien Demokraten sind es. Wir erkennen jeden Menschen mit seinem individuellen Lebensentwurf

(Glocke der Präsidentin)

und seiner Identität an.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: So ist es!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Schellhammer.

„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot, soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ ausgeschlossen wird“, so das Bundesverfassungsgericht zu seinem Beschluss vom 10. Oktober 2017.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Diese Entscheidung war ein Meilenstein. Dem vorangegangen ist ein langer Kampf von inter- und transsexuellen Menschen. Es ist ein Kampf um Anerkennung und

um ihren Platz in unserer Gesellschaft und ein Kampf dagegen, sich in ein binäres Mann-Frau-Schema einordnen zu müssen. Das wurde als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingestuft, und der Bundestag wurde beauftragt, die Möglichkeit zu schaffen, sich als etwas Drittes, Gleichberechtigtes definieren zu können.

Dabei ist besonders hervorzuheben, dass in dem Beschluss auch die eigene Zuordnung weder zum männlichen noch zum weiblichen Geschlecht als entscheidend angesehen wird. Das ist eine Anerkennung der geschlechtlichen Vielfalt und der Tatsache, dass die Spezies Mensch eben nicht nur aus Mann und Frau besteht. Es ist richtig und wichtig, dass dies nun im Personenstandsrecht angekommen ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Aber was wir heute gehört haben, die Zukunft unseres Landes sei bedroht – so hat es die AfD eben ausgedrückt –, ist einfach nur Polemik. Hier wird auf dem Rücken einer Minderheit Polemik betrieben.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Sie postulieren den Untergang des Abendlands, wenn es mehr als die bekannten Geschlechter Mann und Frau gibt.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Überhaupt nicht zugehört! – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich frage mich wirklich: Was wird Ihnen denn genommen, wenn es mehr als Mann und Frau gibt? Ihnen wird nichts genommen, wenn andere eine Freiheit bekommen an dieser Stelle.

Und was machen Sie auch? Sie stellen den Minderheitenschutz infrage. Sie wollen ihn monetär diskutieren.

(Zuruf von der AfD)

Es geht um einen elementaren Teil unserer Verfassung, dass Minderheiten zu schützen sind.

(Abg. Heribert Friedmann, AfD: Wer schützt denn uns? – Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

Das Bundesverfassungsgericht steht mit diesem Beschluss an unserer Seite. Wir wollen, dass geschlechtliche Vielfalt auch in diesem Land gelebt wird. Wir schätzen und achten unsere Verfassung, und deswegen ist es gut und richtig, dass sich das Bundesverfassungsgericht so klar ausgedrückt hat.

Was sind die Konsequenzen? Das ist ja eigentlich der Titel Ihrer Aktuellen Debatte.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Ja eben!)

Das führt mich automatisch zur Kritik an dem beschlossenen Bundesgesetz; denn nach diesem Bundesgesetz können sich die Menschen eben nicht frei entscheiden, ob sie sich einem neuen Geschlechtseintrag „divers“ zuordnen lassen wollen. Der Eintrag „divers“ bleibt nur denen

vorbehalten, die eine Variante der Geschlechtsentwicklung mit einem ärztlichen Attest vorweisen können.

Das ist doppelt diskriminierend. Zum einen stellt es einen entwürdigenden Eingriff dar, wenn Menschen, die sich nicht den Geschlechtern „Mann“ oder „Frau“ zuordnen lassen, pathologisiert werden.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Jeder wie er will!)

Zum anderen müssen auch Menschen, die zwar biologisch klare männliche oder weibliche Geschlechtsmerkmale aufweisen, sich aber keinem dieser Geschlechter zuordnen können, die Möglichkeit bekommen, dass sie die Eintragung „divers“ offiziell erhalten.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Und die Genderfluiden!)

Dieses Bundesgesetz setzt Rheinland-Pfalz selbstverständlich um. Wir stehen hier am Beginn einer Debatte. Ich finde es deswegen immer gut, wenn wir uns darüber in einer sachlichen Art und Weise und nicht gegen den Minderheitenschutz austauschen.

Jeder Mensch, der sich wirklich einmal mit inter- und transsexuellen Menschen unterhalten hat, weiß, dass Biologie kein Schicksal und die Selbstbestimmung für diese Menschen ein ganz erhebliches Gut ist. Wir kämpfen hier an dieser Stelle für deren Selbstbestimmung.