Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

Es spricht der Abgeordnete Alexander Licht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Spiegel, ich bin froh, dass wir in der Debatte nicht in einem einzigen Beitrag eine Grundlage für eine noch stärkere oder überhaupt eine ökonomische Debatte geliefert haben. Ich fand es gut, dass Sie es angesprochen haben. Ich will das hier so feststellen.

Das zeigt mir, dass wir es trotz des Pro und Contra, das durch die Fraktionen geht, ernst meinen und dabei wissen, dass sich die positive Grundeinstellung in der Bevölkerung seit mehreren Jahren, seit 2008, verdoppelt hat. Wir leben mit dem Problem und nehmen es zur Kenntnis – das ist hier oft zitiert worden –, dass gemeldete mögliche Organspenden deutlich abgenommen haben.

Was können oder müssen wir tun? Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die wir am Schluss dieser Debatte heute für die Öffentlichkeit festhalten wollen. Wir müssen darüber breit debattieren und diskutieren. Wir müssen es in die Bevölkerung hineintragen. Das ist positiv mit dieser Debatte geschehen. Das will ich ganz allgemein auch mit Blick auf das Pro und Contra feststellen. Aus diesem Pro und Contra bleiben zwei, drei Dinge bei mir hängen. Das sind zwei, drei ganz wichtige Dinge.

Herr Mertin, Sie haben in einem Satz deutlich gemacht, Paragrafen allein bringen nicht die Lösung. Das ist ein wichtiger Satz, den Sie gesagt haben. Das ist für mich ein Punkt, den die Kollegin Kohnle-Gros aufgeworfen hat. In unserem Rechtssystem finden wir Zustimmung durch Schweigen nicht. Das gibt es in der Form so nicht. In dieser schwierigen Frage, dies zu wollen und juristisch abschließend genau zu klären, sehe ich als Nichtjurist große Probleme. Selbst Juristen sehen darin große Probleme.

Ich bleibe dabei, das ist die beste Lösung, sein Kreuz nur oben zu setzen und zu sagen, ja, ich bin Spender.

Ich bin auch Spender. Ich trage seit vielen Jahren einen Ausweis bei mir. Ich weiß nicht, wie viele Jahre es sind. Ich muss noch einmal genau darauf schauen. Es sind bestimmt mehr als 15 oder 20 Jahre. In diesem Ausweis habe ich keinen Angehörigen angekreuzt, meine Frau und meine Kinder nicht. Einige haben dazu Stellung bezogen. Ich möchte es ihnen nicht zumuten, in einer solchen Frage und einer solchen Situation eine Entscheidung zu treffen. Das ist meine Entscheidung. Ich habe mich dafür entschieden zu spenden.

Meine Damen und Herren, ich kann nur daran appellieren und sagen, das ist die Antwort aus dieser Debatte. Es ist klar festgehalten, mit deiner Entscheidung kannst du Leben retten. Dafür müssen wir werben. Dazu war die Debatte ganz allgemein gesprochen hilfreich und gut.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU, bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der AfD – Abg. Christine Schneider, CDU: Sehr gut!)

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Rehak-Nitsche.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, heute als letzte Rednerin sprechen zu dürfen; denn es ist richtig und wichtig, dass wir das Thema zu den Menschen bringen.

Ich sage gleich vorweg, ich bin für die Widerspruchslösung. Eine solche Lösung schützt sowohl die Interessen der Spender, aber auch die Interessen der Menschen, die auf eine Spende warten. Setzen sich die Menschen mit dem Thema nicht auseinander, weil es ihnen vielleicht nicht wichtig oder unangenehm ist oder weil es vergessen wird, so wird dann im Sinne des Gemeinwohls zugunsten der Rettung von Menschenleben entschieden.

Wenn jemand aus privaten, ethischen, religiösen oder sonstigen Gründen selbst kein Organspender sein möchte, so kann er sich dagegen aussprechen. Das ist wichtig, niemand wird gezwungen.

Wer aber spenden und anderen Menschen damit helfen möchte, der muss im Grunde wenig oder gar nichts tun. Das ist in meinen Augen ein sinnvolles Verfahren. Man kann sicher einen bewussten, behutsamen klugen Weg finden.

Organspende ist kein Thema, mit dem man sich besonders gern auseinandersetzt. Das führt leider dazu, dass die meisten Menschen der Spende zwar positiv gegenüberstehen – wir haben es heute mehrfach gehört –, aber nur ungefähr die Hälfte davon dokumentiert ihre Entscheidung. Die andere Hälfte geht uns verloren.

Sie geht uns nicht nur verloren, nein, sie belastet im ungünstigsten Fall die Angehörigen in einer Situation, die für die Angehörigen ohnehin eine sehr schwere Belastung ist. In dieser schweren Situation müssen die Angehörigen eine Entscheidung treffen, die der Betroffene im Leben selbst nicht getroffen hat. Es verwundert nicht, dass die Angehörigen sich tatsächlich zu einem hohen Prozentsatz gegen eine Organspende aussprechen. Das ist klar: Wenn ich nicht sicher bin, was mein Angehöriger wollte, dann natürlich lieber nicht.

Diesen Zustand finde ich unhaltbar. Hier schieben wir Verantwortung von uns und bürden sie denjenigen auf, die hinterbleiben. Das sollte nicht so sein, zumal sich laut Deutscher Stiftung Organtransplantation drei Viertel der Menschen wünschen, der Spender solle selbst entscheiden, nicht die Familie.

Diese, sagen wir einmal, Trägheit, sich zu entscheiden, liegt nicht nur an dem unangenehmen Thema. Sie ist schlicht und einfach menschlich. Wir haben nur begrenzte

Zeit. Wir haben nie alle Informationen. Trotzdem müssen wir in ganz vielen Fällen schnell zu einer Entscheidung kommen und werden nicht lange darüber nachdenken. Das mag nicht immer optimal sein, aber praktikabel, für den Einzelnen und für den Moment zufriedenstellend.

Dies führt natürlicherweise – ich muss sagen, Gott sei Dank – dazu, dass wir uns nicht mit allen Dingen beschäftigen. Leider führt das auch dazu, dass wir uns mit manchen ganz wichtigen Dingen nicht beschäftigen, zum Beispiel weil wir ihr Eintreten als zu unwahrscheinlich bewerten. Junge Menschen beschäftigen sich ganz selten mit Rentenfragen. Diese sind einfach zu weit weg von deren Lebensrealität. Menschen, die keine Kleinkinder haben, beschäftigen sich nicht mit Stiftung Warentest-Auswertungen von Kindersitzsicherheit. Warum auch? Die meisten oder viele Menschen beschäftigen sich nicht mit Organspenden, weil es in ihrem Bekanntenkreis niemanden gibt – Gott sei Dank –, der eine Organspende braucht. Ändert sich das, wird das Thema relevant.

Aber uns fehlen die Zeit, die Information und der konkrete Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Dazu kommt noch, dass irgendwas immer wichtiger und dringender ist.

Wenn wir realistisch sind, müssen wir uns zwei Fragen stellen: Was können wir tun, damit sich die Menschen mit dem Thema beschäftigen? Wie können wir die Zahl der Organspenden oder die Spenden, die übermittelt werden, erhöhen, obwohl sich weiterhin sicherlich einige Menschen nicht mit dem Thema beschäftigen werden?

Ein Teil der Antwort ist auf jeden Fall, auf den sogenannten Default, also die Standardeinstellung, zu setzen. Diesen Ansatz unterstützen im Übrigen zahlreiche wissenschaftliche Studien und Sachbücher. Das bekannteste mag „Nudge“ sein – das heißt zu Deutsch „Anstoß“ – von dem Wirtschaftsnobelpreisträger Richard Thaler und dem Rechtswissenschaftler Cass Sunstein. Auch diese beiden analysieren das Thema „Organspende“ und kommen zu dem Schluss, dass eine Widerspruchslösung zu mehr Spendern führen würde.

Bedenkt man also alles zusammen, ergibt sich das folgende Bild: Die Widerspruchslösung würde aller Voraussicht und Studien nach die Anzahl der Organspenden erhöhen. Sie würde es ermöglichen, sich explizit gegen eine Spende auszusprechen. Sie würde das Spenden ganz einfach machen, und sie würde auch dann Menschenleben retten, wenn wir uns mit dem Thema nicht beschäftigen, warum auch immer. Das kommt uns allen entgegen und wird dem Umstand gerecht, dass 81 % von uns Spenden grundsätzlich gut finden, und ermöglicht eine bewusste Entscheidung dafür oder dagegen.

Bleibt die Frage zum Schluss: Geht die Widerspruchsregelung rechtlich und gesellschaftlich? – Ja, das geht. Wir haben in Europa 23 Länder, die wir fragen können, wie es geht. Von den 30 europäischen Ländern haben 23, also gut drei Viertel, eine Widerspruchslösung, einige eine Zustimmungslösung und wir eine Entscheidungslösung. Dieses Alleinstellungsmerkmal trägt dazu bei, dass wir Spendenschlusslicht sind in Europa, und das kann nicht unser Anspruch sein. Die Widerspruchslösung ist deshalb – Strukturen gehören natürlich auch dazu – ein

Baustein auf dem Weg, mehr Betroffenen helfen zu können. 10.000 Menschen warten darauf, und morgen könnten wir es sein.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende der Orientierungsdebatte angekommen.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, freue ich mich, mit Ihnen Gäste unter uns begrüßen zu dürfen. Ich begrüße zum einen die Mitglieder der Frauengemeinschaft Ahrweiler. Seien Sie uns herzlich im Landtag willkommen!

(Beifall im Hause)

Zum anderen begrüße ich ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt Grünstadt. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir behandeln die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 4 gemäß der Absprache im Ältestenrat ohne Aussprache.

Ich rufe nun Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Wahl eines Mitglieds des Landtags in den Interregionalen Parlamentarier-Rat (IPR) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/8499 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – Damit ist dieser Wahlvorschlag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Landtags in die Datenschutzkommission beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Wahlvorschlag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/8553 –

Wer diesem Wahlvorschlag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – Damit ist dieser Wahlvorschlag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:

Wahl eines schriftführenden Abgeordneten Wahlvorschlag der Fraktion der SPD

Drucksache 17/8585 –

Wer diesem Vorschlag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Damit ist dieser Wahlvorschlag einstimmig angenommen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: So geht das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen nun zu Punkt 5 der Tagesordnung:

Brexit-Übergangsgesetz Rheinland-Pfalz Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/7960 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – Drucksache 17/8329 –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/8637 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf Sie noch kurz über das bisherige Ausschussverfahren informieren. Die erste Plenarberatung fand in der 74. Plenarsitzung am 31. Januar 2019 statt. Der Gesetzentwurf wurde an den Rechtsausschuss überwiesen, der die unveränderte Annahme empfiehlt.