Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

Lassen Sie mich beispielhaft nennen: Die Novellierung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes haben wir gestern in erster Lesung beraten. Sie stellt den Beginn weiterer Novellierungsschritte in den Jahren 2019 und 2020 dar. Das Ausführungsgesetz zum Bundesteilhabegesetz ist am 28. Dezember 2018 in Kraft getreten. Die Umsetzung einer personenorientierten Teilhabe für Menschen mit Behinderungen wird dadurch in Rheinland-Pfalz deutlich vorangebracht.

Individuelle Teilhabe und Gesamtplanung, das Budget für Arbeit sowie die Trennung von Wohnen und Fachleistung sind dafür besondere Beispiele. Auch das Thema der inklu

siven Bildung ist nach wie vor zentral für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Im Jahr 2014 wurde mit der Neufassung des Schulgesetzes ein wichtiger Schritt hin zu einem inklusiven Bildungssystem in Rheinland-Pfalz getan.

Zu Frage 2: Die zentrale Maßnahme der Umsetzung in Rheinland-Pfalz ist der bundesweit erste Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2010. „Leben wie alle – mittendrin von Anfang an“ ist die Leitlinie der rheinland-pfälzischen Landesregierung für ihre Politik für und mit Menschen mit Behinderungen.

Unser Landesaktionsplan ist unsere Leitlinie und unser Steuerungselement für die schrittweise Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Der Plan definiert zehn Handlungsfelder, von der Bildung über Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Mobilität bis hin zur Barrierefreiheit, und definiert ganz spezifische Ziele, die wir uns als Landesregierung gesetzt haben. Er ist damit auch ein Vorbild für die vielen kommunalen Aktionspläne.

All das zeigt, die Botschaft der Inklusion ist angekommen in Rheinland-Pfalz. Die aktuell laufende zweite Fortschreibung des Landesaktionsplans ist ebenfalls die erste in Deutschland. Sie wird im Jahr 2020 abgeschlossen sein.

Zu Frage 3: Unser Landesaktionsplan hat in vielen Bereichen zu ganz konkreten und spürbaren Verbesserungen geführt, zum Beispiel im Bereich des Wohnens. RheinlandPfalz unterstützt mit einer Reihe von Maßnahmen die Verbesserung der Wohnsituation der Menschen mit Behinderungen. Neue gemeinschaftliche Wohnformen wie Wohn-Pflege-Gemeinschaften, barrierefreie Quartiersmodelle oder gemeinschaftliche inklusive Wohnprojekte entstehen in den Städten und im ländlichen Raum.

Die Landesbauordnung aus dem Jahr 2014 hat für die Bereiche des Neubaus und Umbaus entscheidende Weichen in eine barrierefreie bauliche Zukunft gestellt.

Wir sind bundesweit in der Umsetzung baulicher Barrierefreiheit führend. Auch im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben gibt es sehr konkrete Verbesserungen.

Wir fördern mit Nachdruck den Ausbau und die Weiterentwicklung von Inklusionsbetrieben. Bis zum Ende der Legislaturperiode will die Landesregierung die Zahl der Integrationsarbeitsplätze von derzeit rund 900 auf 1.000 erhöhen, etwa durch eine landesweite Informationskampagne. Auch bei der Umsetzung des Budgets für Arbeit ist Rheinland-Pfalz bundesweit wegweisend. Das sind ganz konkrete beispielhafte Felder, in denen sich spürbare Verbesserungen ergeben haben.

Zu Frage 4: Die beschriebenen Maßnahmen und Ziele werden wir konsequent weiterverfolgen und ausbauen. Dennoch gibt es über das Erreichte hinaus zweifellos noch viel zu tun. Die nächsten Schritte stehen bereits an.

Mit der Zusammenführung des Ausführungsgesetzes zum Bundesteilhabegesetz und des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes zu einem Inklusionsgesetz schaffen wir ein modernes, an Gleichstellung und Barrierefreiheit orien

tiertes Gesetz. Aktuell wird der Gesetzentwurf überarbeitet und soll im Laufe des Jahres 2020 umfassend novelliert werden.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Köbler.

Frau Ministerin, vielen Dank für die Beantwortung der Mündlichen Anfrage und dass Sie aufgezeigt haben, was sich schon alles getan hat. Im Bereich des inklusiven Arbeitsmarkts stagniert die Entwicklung ein bisschen. Vielleicht können Sie sagen, was wir gerade in dem Bereich Inklusion am Arbeitsmarkt tun können, um die Situation zu verbessern.

Sehr gern, herzlichen Dank für die Frage. Wie gesagt, zum einen ist das Budget für Arbeit ein ganz wichtiges Instrument. Wir sind sehr froh, dass das Budget für Arbeit über das Bundesteilhabegesetz in ganz Deutschland verankert ist. Wir sind aber auch sehr froh, dass wir als Mutterland dieses Budgets unseren Standard beim Budget für Arbeit halten konnten und über 400 Budgets in Rheinland-Pfalz verankern. Dies gilt es voranzubringen.

Der andere große Ansatz sind die Inklusionsfirmen, in denen nicht nur Menschen mit Behinderungen einen Arbeitsplatz finden, sondern auch Menschen ohne Handicaps. Die Anzahl von derzeit 900 Plätzen für Menschen mit Behinderungen soll auf 1.000 gesteigert werden. Ich denke, wer sich vor Ort einmal ein Bild davon geschaffen hat, sieht, wie viel an Selbstbestimmung, um die es in der UN-Behindertenrechtskonvention geht, den Menschen mit diesen Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt wird.

Wir fahren derzeit eine große Informationskampagne, um diese Inklusionsfirmen noch stärker zu unterstützen, damit sich noch mehr gründen. Darüber hinaus gibt es immer noch die Situation, dass viele Menschen mit Behinderungen von dieser positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt nicht so profitieren, wie wir es uns wünschen. Wir haben dazu unser Forum „Arbeiten für Menschen mit Behinderungen“, bei dem wir mit vielen verschiedenen Partnern und Playern zusammensitzen, um wieder zu sensibilisieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, wo man Menschen mit Behinderungen eine Chance im Arbeitsleben geben kann. Das ist eine wichtige Maßnahme.

Darüber hinaus hat die Landesregierung die eigene Initiative „6 Prozent“ auch für den Bereich des öffentlichen Dienstes innerhalb der Landesregierung gestartet, bei der wir ressortübergreifend zusammenarbeiten.

Es gibt viele Beispiele, bei denen noch Luft nach oben ist und wir alles daransetzen müssen, den Menschen mit Behinderungen noch mehr Teilhabe am Arbeitsleben zu

ermöglichen, weil das wirklich gelebte Selbstbestimmung ist.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Frisch.

Frau Ministerin, genau heute vor einer Woche haben wir den Welttag der Menschen mit Downsyndrom begangen. In der Öffentlichkeit wurde das kaum registriert, vielleicht auch deshalb, weil die Zahl der Menschen mit Downsyndrom bei uns seit Langem rückläufig ist.

Das liegt aber nicht daran, dass diese genetische Anomalie seltener auftreten würde, sondern daran, dass wir mittlerweile eine ausgefeilte, auch nicht invasive Pränataldiagnostik haben und der Schwangerschaftsabbruch bei behinderten Kindern nicht nur bis zur zwölften Woche nach der Beratung straffrei gestellt ist, sondern auch ohne jede Befristung als rechtmäßig gilt. Die Diagnose Trisomie 21 führt mittlerweile in mehr als 90 % aller Fälle zur Tötung des Kindes.

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Das ist ein Vortrag!)

Herr Frisch, bitte zur Frage.

Ich komme zur Frage. Ich musste das einleitend kurz erklären.

(Abg. Jens Guth, SPD: Das ist nicht notwendig! – Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frisch hat das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank. Frau Ministerin, lässt sich dieser bedrückende Zustand für Sie mit der UNBehindertenrechtskonvention und dem in unserer Verfassung verankerten Diskriminierungsverbot für Menschen mit Behinderungen vereinbaren, oder sehen Sie Handlungsbedarf?

Herr Frisch, danke für die Frage. Ich möchte noch einmal deutlich betonen, wir tun gerade in Umsetzung des Landesaktionsplans und damit auch in Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention alles dafür, dass Menschen die Entscheidung erleichtert wird zu sagen, ja, wenn mein Kind eine Behinderung haben soll, ich nehme es an.

Wir haben in vielfältiger Form Unterstützungsmöglichkeiten, ob bei der Frühförderung, später in der Schule oder bei den Möglichkeiten für Teilhabe am Arbeitsleben und in vielen anderen Bereichen. Wir tun wirklich alles dafür, dass Teilhabe ermöglicht wird, um Eltern Unterstützung zu geben und sie zu ermutigen.

Wenn Sie den Welttag der Kinder mit Downsyndrom in der vergangenen Woche ansprechen, dann ist dieser ein ganz wichtiger Tag, um wieder aufzuzeigen, welche vielfältigen Möglichkeiten da sind, um Eltern zu unterstützen und auf der anderen Seite zu zeigen, diese Kinder bereichern unser Leben, machen unser Leben bunt und gehören einfach dazu.

(Abg. Michael Frisch, AfD: 90 %!)

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. Groß.

Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Das Wohnprojekt und die Inklusivbetriebe sind sinnvolle Maßnahmen. Es stellt sich aber die Frage, was die Evaluation dazu sagt. Es wird immer nur gesagt, was getan wird, was gefördert wird und was gemacht werden soll.

Wie viel Prozent der behinderten Menschen, von einem gegebenen Zeitpunkt aus beobachtet, haben aber beispielsweise nun ein Mehr an Arbeit in diesen Inklusivbetrieben bekommen bzw. wohnen in diesen besonderen Wohnformen?

Danke schön.

Frau Dr. Groß, danke, ich wiederhole das sehr gern noch einmal. Wir haben 900 Plätze in Inklusionsfirmen für Menschen mit Behinderungen. Das heißt, 900 Menschen haben die Möglichkeit, in Inklusionsfirmen zu arbeiten.

Dazu kommen zusätzlich über 400 Budgets für Arbeit in Rheinland-Pfalz, mit denen Menschen mit Behinderungen Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht wird. Allein das sind schon sehr deutliche Zahlen, die dafür sprechen, wie wichtig es ist, über diese Instrumente am Arbeitsleben und damit an der Gesellschaft teilhaben zu können.

Was die Wohnformen angeht, kann ich Ihnen ad hoc keine konkrete Zahl nennen, wie viele der Menschen mit Behinderungen in den Wohnformen darin leben. Diese Wohnformen sind aber nicht nur für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben wichtig, sondern wir setzen uns vor allem für diese gemeinschaftlichen Wohnformen ein, weil sie Menschen mit Behinderungen und ohne Behinderungen zusammenbringen, sie eine tolle Unterstützung für ältere Menschen sind und sie verschiedene Generationen miteinander verbinden, wenn Sie beispielsweise an ein Mehrgenerationenwohnen denken.

Deshalb ist es eine generelle Haltung der Landesregierung zu sagen, diese gemeinschaftlichen Wohnformen in ihrer unterschiedlichsten Ausprägung sind für uns Zukunftsmodelle für die gesamte Gesellschaft und damit auch für Menschen mit Behinderungen.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. Groß.

Frau Bätzing-Lichtenthäler, ich habe das mit den 900 bis 1.000 Plätzen schon sehr wohl verstanden. Das ist das Soll. Aber was Sie doch bestimmt interessieren dürfte, ist, wie viel Prozent der behinderten Menschen von einer gewissen Gruppe schon Arbeit gefunden haben. Was interessiert, sind doch nicht die Arbeitsplätze, die vorhanden sind, sondern wie sie von dieser Gruppe genutzt werden. Sind die 900 bis 1.000 Plätze beispielsweise besetzt?

Ja, die 900 Plätze sind besetzt.

(Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Gut!)

Die 900 Plätze sind besetzt, und die 400 Plätze im Rahmen des Budgets für Arbeit sind auch besetzt. Wir wollen im Bereich der Inklusionsfirmen auf 1.000 Plätze aufstocken, um 1.000 zu bekommen.

(Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Okay, prima!)

Mir liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit ist die Frage beantwortet. Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)