Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Manche werden sich erinnern, im Jahr 2015 wurde die Landesbauordnung zum letzten Mal – damals umfassend – novelliert. Inhalt der Änderungen waren damals gewichtige Fragen, wie zum Beispiel die Schaffung von Barrierefreiheit mit dem Ziel, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen, aber auch von Familien mit kleinen Kindern zu verbessern.

Heute befassen wir uns mit der Landesbauordnung, weil ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Änderung notwendig macht. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass in den Bauordnungen der Bundesländer an europarechtlich bereits zum Verkauf zugelassene Bauprodukte weitere Anforderungen gestellt wurden, und hat dies vor dem Hintergrund des Marktbehinderungsverbot als nicht zulässig erachtet.

Der eingebrachte Gesetzentwurf kommt dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach und gewährleistet gleichzeitig das notwendige Sicherheitsniveau. Zusammengefasst kann man sagen, dass an die Bauprodukte selbst keine weiteren nationalen Anforderungen mehr gestellt werden. Erfüllt ein Bauprodukt die europarechtlich einheitlichen Vorgaben, ist es also mit dem sogenannten CE-Kennzeichen – das kennen viele aus dem Baumarkt – versehen, kann es europaweit verkauft werden. Bei seiner Verwendung in einem konkreten Bauwerk können jedoch Anforderungen gestellt werden.

Ich versuche einmal, diese doch recht komplizierte Materie ein bisschen anschaulicher zu machen: Nehmen Sie einen Mauerstein, der auf Grundlage der europäischen Vorschriften gehandelt werden darf. Dieser Stein konnte nach bisherigem Recht in Deutschland nicht verkauft werden, wenn der Hersteller nicht nachgewiesen hatte, dass der Stein auch frostbeständig war, weil die Vorgaben in Deutschland dies als zusätzliches Kriterium vorsahen.

Dem hat jetzt der Europäische Gerichtshof einen Riegel vorgeschoben. Dieser Stein kann also jetzt in Deutschland ohne Weiteres vertrieben werden. Jetzt kommt aber der Punkt: Wenn er zum Beispiel für eine Außenmauer vorgesehen werden soll, kann dafür gefordert werden, dass ein zu verwendender Stein auch frostbeständig ist.

Um für die einzelnen Anwender klarzustellen, welches Bauprodukt bei welcher Verwendung welche Anforderungen erfüllen muss, sieht das Gesetz eine Ermächtigung für eine noch zu erlassende Verwaltungsvorschrift vor, in der alle Regelungen zusammengefasst werden, um so einen umfassenden Überblick zu gewährleisten. Ich glaube, mit dem Gesetzentwurf, der in der Ländergemeinschaft abgestimmt ist, ist eine für alle Beteiligten gangbare Umsetzung gelungen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch hervorheben, dass die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs durchaus auch für die Hersteller von Bauprodukten aus Deutschland eine positive Seite haben; denn EU-Normen entsprechende Bauprodukte können auch europaweit verkauft werden, ohne dass – wie zum Teil bisher notwendig – für andere Länder zusätzliche Zulassungen

beantragt werden müssen.

Um die Übereinstimmung der vorgeschlagenen Regelungen mit den europäischen Bestimmungen sicherzustellen, erfolgte im Vorfeld über die Gremien der Bauministerkonferenz eine enge Abstimmung mit der Europäischen Kommission und darauf aufbauend eine Änderung der Musterbauordnung, an der sich der vorliegende Gesetzentwurf orientiert.

Ich bin zum Bereich des Bauordnungsrechts in der Tat der Meinung, dass es sinnvoll ist, möglichst ländereinheitliche Regelungen zu schaffen. Gerade im Bereich des Bauproduktenrechts sehe ich daher eine umfassende Umsetzung der Musterregelungen als sinnvoll an. Deshalb haben wir das in dem Gesetzentwurf so vorgesehen.

Lassen Sie mich noch zwei kleinere Änderungen ansprechen. Unter anderem sollen die Anforderungen an Außenwandverkleidungen den geänderten europäischen Bauproduktenregelungen angepasst werden, insbesondere damit auch künftig die gleichen Wärmedämmverbundsysteme wie bisher genutzt werden können. Gleichzeitig werden Dämmsysteme mit nachwachsenden Rohstoffen ermöglicht. Damit wird ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet.

Darüber hinaus wird durch eine Klarstellung bezüglich der Abweichungsmöglichkeiten der Einbau von Treppenliften auch bei Unterschreitung der Mindestlaufbreiten von Treppen ermöglicht. Auch diese Veränderung ist als Erleichterung vorgesehen.

Um ein durchgängig konsistentes Bauordnungsrecht zu gewährleisten, werden gleichzeitig verschiedene Verordnungen den gesetzlichen Bestimmungen angepasst. Alles in allem ist das eine sehr technische Änderung der Landesbauordnung. Das liegt in der Materie begründet.

Wir werden sicher auch in der Zukunft Debatten über die Landesbauordnung haben. Es wird auch andere Gründe geben, die Landesbauordnung fortzuschreiben. Als Beispiel möchte ich nennen, dass auf Bundesebene zurzeit eine Fortschreibung der Musterbauordnung zur Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten des Holzbaus abgestimmt wird. Das wird uns sicher wieder beschäftigen. Auch andere Gründe führen bei der Landesbauordnung immer wieder zu einem Fortschreibungsbedarf.

Ich bin der Meinung, dass wir mit dem jetzt vorliegenden Entwurf das getan haben, was akut zu tun ist, vor allen Dingen im Bereich des Bauproduktenrechts. In der Zukunft werden noch weitere Punkte für die Landesbauordnung relevant werden und hoffentlich auch in Rheinland-Pfalz zu entsprechenden Änderungen führen.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum Gesetzentwurf.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgrund der verlängerten Redezeit der Landesregierung steht den Fraktionen zusätzlich 1 Minute Redezeit zur Ver

fügung.

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Dr. Wansch – ja, jetzt habe ich ihn schon befördert –, dem Abgeordneten Thomas Wansch das Wort.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Man muss es nicht nutzen!)

Sehr verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Landesgesetz zur Anpassung baurechtlicher Vorschriften an das europäische Bauproduktenrecht hat unsere Bauministerin erläutert

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut, Thomas!)

und Kernpunkte daraus zitiert. Ich möchte das nicht wiederholen. Wenn wir diesen Text vor uns sehen, erkennen wir einen Umfang von nahezu 100 Seiten. Es geht beim Bauordnungsrecht, beim Bauproduktenrecht und bei den notwendigen Änderungen um sehr viel Theorie, die aber das Bauen für uns vereinfachen soll, die die Anpassung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vollzieht und die Abstimmung mit den anderen Bundesländern – unseren Partnern in dieser Sache – über die Musterbauordnung sicherstellt.

Ich möchte das auch als einen Bestandteil einer Vielzahl von Maßnahmen sehen, die das Land Rheinland-Pfalz umsetzt, um Bauen einfacher zu machen und damit Wohnraumförderung leichter zu ermöglichen. Wir müssen das als einen Baustein einer Vielzahl von Aktivitäten sehen, weil Wohnen ein soziales Gut ist. Wir wollen für unsere Menschen eine gute Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe schaffen, und das muss auch über die Möglichkeit des Bauens umgesetzt werden.

Wenn man diese Bausteine sieht, kann man in Erinnerung rufen, dass unsere Bauministerin mit der Bauwirtschaft und den kommunalen Spitzenverbänden im Jahr 2015 durch die Gründung des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen in Rheinland-Pfalz auch bundesweit Maßstäbe gesetzt hat.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ich würde sagen: international!)

Ja, das ist wirklich ein wunderbares Beispiel dafür, wie wir zusammenarbeiten können, um den Menschen bezahlbares Wohnen in Rheinland-Pfalz weiter näherzubringen.

Unsere Förderkonditionen, die seit dieser Legislaturperiode gelten, zeigen, dass das Land mit einer Vielzahl von Instrumenten am Markt ist, um Bauen zu ermöglichen. Wir sehen das auch an den Anträgen. So hatten wir mit Abschluss des Jahres 2015 1.650 Anträge auf Förderung einzelner Wohneinheiten und können heute mit Abschluss des Jahres 2018 sagen, dass wir über 3.000 Anträge vorliegen haben und sich noch 800 Anträge im Antragsverfahren befinden. Der Doppelhaushalt 2019/2020 sichert das auch

finanziell ab. Gemeinsam mit der Investitions- und Strukturbank stehen 300 Millionen Euro zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Wir haben auf der einen Seite die recht theoretische Änderung unserer Landesbauordnung und weiterer Bauvorschriften, um Bauordnungsrecht und Bauproduktenrecht zu gewährleisten. Auf der anderen Seite existiert eine Vielzahl von Bausteinen, um dieses Bauen auch zu nutzen, um bezahlbaren und vom Land Rheinland-Pfalz geförderten Wohnraum zu schaffen.

Ich bin gespannt auf die weiteren Beratungen und glaube, dass meine Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Martin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung einen Gesetzentwurf, bei dem es – wenn ich die Begründung lese – um ein Gesetzesvorhaben geht, das keine große Wirkungsbreite oder erheblichen Auswirkungen hat. Es geht um einen Gesetzentwurf, bei dem es auch nicht um die spezifische Lebenssituation von Frauen und Männern geht, und der Entwurf hat auch keine erheblichen Auswirkungen auf Verwaltungsaufwand, Arbeitsplätze oder Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, das zeigt schon ganz deutlich, dass es hochpolitische, intensive Beratungen in den Ausschüssen werden. Deswegen will ich diesen intensiven Beratungen auch nur zwei Gedanken voranstellen. Der erste Aspekt ist: Die Ministerin hat völlig zutreffend den Hintergrund erläutert. Letztlich geht es bei dieser Anpassung um die Umsetzung einer Entscheidung des Europöischen Gerichtshofs, die zum Ziel hatte, den freien Handel in der EU zu fördern und bis dahin bestehende Beschränkungen abzuschaffen.

Meine Damen und Herren, ich finde, es ist etwas Besonderes, dass ein freier Binnenmarkt bei gleichzeitig hohem Schutzstatus in der EU ein so hohes Gut ist und auch höchstrichterlich immer wieder durchgesetzt wird. Gerade die Nähe zur Europawahl rechtfertigt, dass wir uns das immer wieder klarmachen und dafür werben. Deswegen ist es angemessen, dass wir uns mit einem Nischenthema wie dem technischen Bauordnungsrecht – das ist wirklich ein Nischenthema – in diesem Hohen Hause befassen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Christian Baldauf, CDU: Aber natürlich nicht so wie die Ministerin!)

Der zweite Aspekt ist: Die Ministerin hat gesagt, dass im Wesentlichen – so kann man die Begründung verstehen – die Musterbauordnung umgesetzt wird. Ich nehme das ein

mal so an. Ich hatte den Eindruck, dass nicht nur zu 100 % die Musterbauordnung umgesetzt wird. Deswegen könnte ich mir vorstellen, dass man sich für die Ausschussberatung eine Synopse machen lässt, was wirklich zu 100 % Musterbauordnung ist und welche Abweichungen es gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass das ganz aufschlussreich ist.

Ich will auf ein Beispiel konkret eingehen, das auch die Ministerin schon angesprochen hat und ich ganz bemerkensert fand: dieses Dämmmaterial bei den Fassaden. Jeden, der mit Immobilien zu tun hat, treibt das, was da derzeit passiert, um. Dann sehe ich: § 28 Absatz 2 soll ergänzt werden. Dies geschieht einmal zur Förderung der „Verwendung nachwachsender Rohstoffe“, und der Hanf wird ausdrücklich genannt. Nachdem ich noch einmal die Pressemitteilung der Grünen zum Thema „Cannabis: Legalisierung ist Jugend- und Verbraucherschutz“ – das haben die wirklich so genannt – gelesen habe, war ich froh, dass der Hanf jetzt nur verbaut werden soll. Das ist schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung.

(Heiterkeit bei der CDU)

Bei dieser Ergänzung geht es aber auch darum – jetzt muss ich schauen –, das bisher schon oft verwendete EPS, also expandiertes Polystyrol, soll weiter verbaut werden dürfen.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Das ist insofern bemerkenswert, weil – auch das kann man der Begründung entnehmen – dieses Material, selbst wenn man es mit Flammschutzmitteln behandelt, nach aktuellen Erkenntnissen nicht mehr als schwer entflammbar, sondern als normal entflammbar zu qualifizieren ist. Ursächlich für diese geänderte Qualifizierung sollen neue Messverfahren sein. Das mit den Messverfahren kennen wir aber aus einem anderen aktuellen Zusammenhang, weshalb ich ein bisschen skeptisch bin.

Das zeigt mir Folgendes: Wir stehen bei diesem Thema exemplarisch vor einem Spannungsverhältnis, das wir immer wieder einmal haben. Auf der einen Seite spielen Umweltschutzgedanken eine Rolle; denn – das ist die Begründung für die weitere Zulassung dieses Dämmmaterials – es geht ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf um die Erreichung der umweltpolitischen Energieeinsparziele. Das heißt, wir haben auf der einen Seite dieses Thema der Umweltschutzaspekte und auf der anderen Seite Sicherheitsaspekte; denn wenn eine Fassade auf einmal doch nicht mehr ganz so brandschutzsicher ist – das haben wir bei schlimmen Katastrophen im Ausland erlebt –, kann das natürlich zumindest mit in die Abwägung einfließen.

Und das wiederum zeigt mir auch, dass die Frage der CO2Vermeidung durch Dämmung des Wohnungsbestands und damit die Erreichung von Klimaschutz ein viel komplexeres Thema ist als uns das die eine oder andere Demonstration vielleicht nahelegt.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen hier also immer wieder abwägen, und ich

würde mir wünschen, dass wir gerade bei diesem Thema – das Thema der Gebäudedämmung und des Dämmmaterials ist ein so gravierendes – einen Weg suchen und ihn dann gerne auch intensiv fördern, um dieses Dilemma aufzulösen; denn dass die derzeit verbreitete Gebäudedämmtechnik uns in Zukunft viele Probleme schaffen wird, bestätigen alle Baufachleute, mit denen man spricht. Deswegen wäre es uns als Fraktion ein Anliegen, weiter nach Wegen zu suchen, um dieses Dilemma aufzulösen.