Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Projekt WohnPunkt RLP ist prinzipiell ein richtiger Ansatz, aber es hat viele externe Limitationen. Erstens: Die relativ hohen Mieten für die Bewohner der Wohn-PflegeGemeinschaften können bisher nur bedingt durch die soziale Wohnraumförderung abgefangen werden. Es entstehen teilweise Refinanzierungslücken.
Mögliche Lösungen sind a) eine Erhöhung des Tilgungszuschusses fördermietstufenunabhängig auf mindestens 30 % und/oder b) eine Erhöhung der zulässigen Mieten in den Fördermietstufen 1, 2 und 3 zulasten der Mieter.
Daraus ergibt sich das zweite Problem: Die Grundsicherung im Alter begrenzt die Kostenübernahme für die Unterkunft und steht damit in Konflikt mit der Erhöhung der zulässigen Mieten. Irgendwann haben ältere Menschen ihre Rücklagen aufgebraucht und fallen in die Sozialhilfe.
Hier müssten entweder andere Regeln für die Wohngemeinschaften im SGB XII geschaffen werden, oder das Land müsste als überörtlicher Träger der Sozialhilfe einen pauschalen Zuschuss gewähren. Des Weiteren werden anfallende Betreuungskosten in Wohngemeinschaften nicht von allen örtlichen Trägern der Sozialhilfe übernommen. Hier bräuchte es ebenfalls eine klare gesetzliche Regelung im SGB XII oder eine Übernahme der Kosten durch den überörtlichen Träger, also durch das Land.
Auch gibt es keine klare Abgrenzung im Bereich der Pflege. Das ist nun unser Problem Nr. 3. Der pauschale Zuschlag nach § 38 a SGB XI dürfte in kleinen Wohngruppen nicht
ausreichen, um eine allgemeine Betreuung zu finanzieren. Außerdem steht seine Zahlung infrage, sobald Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI relevant werden.
Es ist also abschließend festzustellen, dass unsere Sozialsysteme mit den Wohn-Pflege-Gemeinschaften teilweise überfordert sind. Hier ist der Einsatz der Landesregierung für die Schaffung von bundes- und landeseinheitlichen Regelungen gefragt; denn diese sind Voraussetzungen für einen Erfolg und eine massiv notwendige Ausdehnung dieses Projekts.
EU-Binnenmarkt als Garant für Wirtschaftswachstum und Wohlstand in Rheinland-Pfalz auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 17/9206 –
Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Land Rheinland-Pfalz liegt im Herzen von Europa. Unsere Bürgerinnen und Bürger leben die Idee Europas und schätzen so beispielsweise die Nähe zu unseren Nachbarn aus Frankreich.
Europa ist viel mehr als ein Staatenbündnis, es ist eine Idee der Einheit, eine Idee des Friedens, die Idee der Zusammenarbeit und des Zusammenhalts. Die Idee wird nicht nur gedacht, sie wird gelebt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU ist eine der gelebten Formen der europäischen Idee.
Die Vorteile unseres gemeinsamen EU-Binnenmarkts liegen zahlreich auf der Hand. Verschiedene Länder und Regionen der EU sind für verschiedene Produkte und Dienstleistungen bekannt. Durch den gemeinsamen Binnenmarkt, der durch erleichterten Handel anstelle von Repressalien geprägt ist, können diese Regionen und deren Produkte in ganz Europa entdeckt werden und glänzen.
Durch Imagegebung und den vereinfachten Handel können die Märkte in den jeweiligen Ländern stets wachsen. Durch die Erleichterung des Exports können Produkte vereinfacht in ganz Europa ihren Platz finden, und Rheinland-Pfalz ist ein Exportland. Ja, wir haben eine Exportquote auf Rekordniveau, und ja, unser Land ist auch darauf angewiesen, dass unsere Produkte ins Ausland exportiert werden können.
So schaden zum Beispiel Zölle und andere Hemmnisse unserer Wirtschaft und damit unserem Land. Zollfreiheit ist in der heutigen Welt leider nicht mehr selbstverständlich. Blickt man in die USA, so droht ein Präsident ganz Europa immer wieder mit Strafzöllen.
Da Chancen auf ein Abkommen mit den USA verpasst sind, wird es umso wichtiger, unseren EU-Binnenmarkt zu fördern und zu schützen, meine Damen, meine Herren;
denn alles in allem kann die Zollfreiheit unseres EUBinnenmarkts auch als Investitionsförderung der hiesigen Wirtschaft angesehen werden. Nicht nur Investitionen durch rheinland-pfälzische Unternehmen sind für unser Wirtschaftswachstum entscheidend, der EU-Binnenmarkt erleichtert auch Investitionen durch Unternehmen aus anderen Staaten der EU. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der gesamten EU wird hierdurch unterstützt.
Mit unserem europäischen Konzept sind wir in dieser Hinsicht bestens für die Zukunft aufgestellt. Aber der gemeinsame EU-Binnenmarkt ist nicht nur Garant für das Wirtschaftswachstum in Rheinland-Pfalz, er ist Garant für das Wirtschaftswachstum in ganz Europa.
Deshalb ist es so wichtig, dass Europa in Rheinland-Pfalz nicht nur gedacht, sondern gelebt wird. Darin liegt ein wesentlicher Faktor unseres langfristigen Erfolgs. Gerade in unserer brisanten Zeit ist es wichtig, sich zu Europa und dessen Ideen zu bekennen. Das tun wir.
Wir Freien Demokraten stehen hinter der Idee Europas. Schützen wir daher offene Märkte, investieren wir und schützen wir unsere Zukunft. Stärken wir Europa.
(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Welches Thema könnte anderthalb Wochen vor der Europawahl aktueller sein, als sich mit dem europäischen Binnenmarkt zu beschäftigen?
und Wohlstand in Rheinland-Pfalz, wie die antragstellende Fraktion zutreffend festgestellt hat. Die Wirtschaft in unserem Bundesland profitiert ganz stark von der Globalisierung. Die Exportquote ist zum neunten Mal in Folge gestiegen und liegt bei 57,6 % im Jahr 2018. Demnach erwirtschaften die Industriebetriebe mit 50 und mehr Beschäftigten 60 % ihres Umsatzes außerhalb Deutschlands.
Betrachtet man die wichtigsten Export- und Handelsländer, so sind acht der zehn wichtigsten Länder europäische Mitgliedsstaaten, inklusive Großbritannien.
(Abg. Joachim Paul, AfD: Bis auf Ungarn, den Staat, den Sie vergessen und verdrängen! Einer der wichtigsten Handelspartner, doch was tut die Landesregierung? Dämonisierung!)
Der EU-Binnenmarkt stützt unsere wirtschaftliche Entwicklung in ganz besonderer Weise. Man mag sich kaum vorstellen, was passieren würde, wenn dieser europäische Binnenmarkt nicht mehr da wäre, wenn dieser Garant wegfallen würde. Was würde das für den Mittelstand bedeuten?
Ich habe ein mittelständisches Handwerksunternehmen mit 20 Beschäftigten in meinem Wahlkreis danach gefragt. Fahrzeugbau Bocklet stellt Wohnmobile und spezielle Fahrzeuge her, zum Beispiel für Laboruntersuchungen, Gewässerprobenentnahmen und ähnliche Dinge. Der Firmengründer Michael Bocklet hat mir geantwortet, der Wegfall des europäischen Binnenmarkts wäre für ihn eine Katastrophe, vor allem wegen der Warenflüsse.
Das Unternehmen bezieht verschiedene Bauteile aus europäischen Ländern. Es ist heutzutage genauso einfach, Bauteile in Frankreich zu bestellen wie in Frankenthal. Die Elektronikteile bezieht das Unternehmen beispielsweise aus den Niederlanden, Schubladensysteme aus Großbritannien. Es wird einige Schwierigkeiten zu meistern haben, wenn der Brexit kommt, einen neuen Lieferanten zu finden; denn Lieferanten für spezielle und wenig nachgefragte Teile findet man national nicht an jeder Ecke.
Der Gedanke, dass die Kunden aus dem europäischen Ausland wegbrechen würden, ist für dieses Unternehmen ein Horrorszenario; denn der deutsche Markt ist viel zu klein. Hinzu kommt die Tatsache, dass ein solches Unternehmen auf europaweite Standards angewiesen ist. In der Regel ist das, was in Deutschland genehmigt wurde, auch europaweit zulässig. Würde wieder jedes Land seine eigenen Normen setzen, wäre dies ein großes Handelshemmnis.
Europa hat dieses Unternehmen stark gemacht. Das gilt natürlich für viele, viele weitere mittelständische Unternehmen in unserem Land. Gerade für den Mittelstand ist die Stabilität des europäischen Binnenmarkts mit einer einheitlichen Währung und offenen Grenzen ebenso wichtig wie Rechtssicherheit und Vereinfachungen durch die EUHandelsabkommen.
(Abg. Joachim Paul, AfD: Offene Grenzen, genau! – Abg. Michael Frisch, AfD: Die wirft alles in einen Topf! – Unruhe bei der AfD – Glocke des Präsidenten)
Noch deutlicher wird das, wenn wir einmal am anderen Ende der Skala auf unser größtes Unternehmen im Land schauen, die BASF mit 39.000 Beschäftigten in RheinlandPfalz und 122.000 weltweit. In Europa hat die BASF weit über 100 Produktionsstandorte, zehn davon in Großbritannien. Der Chemiekonzern hat eine integrierte Produktion. Das heißt, dass Vorprodukte beispielsweise in Deutschland hergestellt werden, dann in ein anderes Land gehen, um dort zu einem Zwischenprodukt veredelt zu werden, und zurückkommen oder in einem dritten Land zum Endprodukt werden.
Die integrierte Produktion mit den britischen Unternehmen zu entflechten, wird ein großes Problem; denn gerade in Großbritannien werden viele Zwischenprodukte hergestellt. Das Unternehmen macht 45 % seines Umsatzes in Europa. Europa ist für die BASF der wichtigste Markt, weit vor Asien und den USA. Der europäische Umsatz betrug 26,7 Milliarden Euro im Jahr 2018, davon in Deutschland 7 Milliarden Euro.
(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Die BASF liefert in alle Länder dieser Erde, ganz egal, ob sie zur Europäischen Union gehören oder nicht!)
An diesem Verhältnis kann die Bedeutung des europäischen Binnenmarkts für die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz ziemlich plastisch abgelesen werden. Der BASF-Standort Ludwigshafen im Speziellen verdankt seine Stärke dem europäischen Markt. Von hier aus versorgt das Unternehmen ganz Europa mit seinen Produkten. Weil Rheinland-Pfalz im Herzen Europas liegt, sind alle Kernmärkte innerhalb von 24 Stunden erreichbar.
Die Wirtschaft unseres Landes profitiert sehr stark von der Globalisierung und vom europäischen Binnenmarkt, und zwar die Industrie genauso wie das Handwerk, die mittelständischen Unternehmen genauso wie die Großkonzerne. Es wäre absolut unverantwortlich, diesen europäischen Binnenmarkt in Gefahr zu bringen, wie es sich einige hier im Parlament wünschen.
(Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Stimmt doch gar nicht! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Stimmt doch gar nicht! Warten Sie auf den Kollegen, der wird Sie korrigieren!)