Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

(Glocke der Präsidentin)

Auch hier wird noch einmal deutlich, unsere Wertschöpfung fußt auf dem europäischen Binnenmarkt. In Europa tun wir alles dafür, dass das so bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und der Abg. Christine Schneider, CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Staatsminister Dr. Wissing das Wort.

Frau Präsidentin, besten Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig und wichtig, dass wir als RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer in diesem Hohen Hause über Europa und die Bedeutung des Binnenmarkts für unser Land sprechen. Rheinland-Pfalz – das ist heute zu Recht in der Debatte angeklungen – profitiert überproportional von Europa, und zwar explizit von der Europäischen Union, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Deswegen bekennt sich die Landesregierung zum europäischen Einigungsprozess. Die Landesregierung bekennt sich zum europäischen Binnenmarkt, den Grundfreiheiten und ausdrücklich auch zur Europäischen Union. Die europäische Idee steht für Frieden, und sie steht für Wohlstand.

Wir haben in Rheinland-Pfalz allen Grund, Europa zu danken. Fast zwei Drittel unserer Exporte gehen in die Europäische Union. Wir stehen heute als eines der wachstumsstärksten Bundesländer im Bundesranking da. Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 38 Milliarden Euro exportieren wir in die Europäische Union. Im vergangenen Jahr sind die Exporte in die EU aus Rheinland-Pfalz um 13 % gestiegen. Das ist eine beachtliche Zahl. Im Vergleich dazu liegen die Exportzuwächse in ganz Deutschland gerade einmal bei 3,8 %.

Auch bei den Importen spielt die Europäische Union eine besondere Rolle für die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz. Knapp 70 % der Importe kommen aus EU-Ländern. Der Wert der Einfuhren lag im vergangenen Jahr bei knapp 32 Milliarden Euro.

Die Bertelsmann-Studie – Herr Kollege Hartenfels hat sie angesprochen – bescheinigt uns einen erheblichen Einkommenszuwachs in Rheinland-Pfalz: 3,9 Milliarden Euro aus der Europäischen Union. Das sind 2,6 % der rheinlandpfälzischen Wirtschaftsleistung und pro Einwohner knapp 1.000 Euro nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen war es in Rheinland-Pfalz möglich, mit einem Wachstumsplus von 1,7 % im vergangenen Jahr abzuschließen. Im Bundesdurchschnitt wurden nur 1,4 % erreicht.

Weil hier in der Debatte der Eindruck erweckt wird, man könne Europa ohne die vier Grundfreiheiten haben, sage ich für die Landesregierung ganz klar: So etwas ist blanker Populismus und ergibt keinen Sinn. Europa ist kein Geschäftsmodell. Europa kann nicht nur einen Binnenmarkt ohne die Grundfreiheiten bieten.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wir sehen es gerade in der Diskussion um den Brexit; das ist für uns kein Modell. Wir wollen an der Europäischen Union und an ihren vier Grundfreiheiten festhalten. Wir wollen die einmalige wirtschaftliche Erfolgsgeschichte auch für unser Bundesland Rheinland-Pfalz fortsetzen. Deswegen sagen wir als Landesregierung ganz klar Nein zu jeder Tendenz der Renationalisierung.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir profitieren nicht davon, dass es den Kontinent Europa gibt, um auch das klar zu sagen, sondern wir profitieren davon, dass es die EU und einen Binnenmarkt mit den Grundfreiheiten gibt. Die Differenzierung, die von Ihnen seitens der AfD vorgenommen wird, führt Europa als Idee ad absurdum. Es gab in Europa niemals einen offenen Binnenmarkt ohne diese Grundfreiheiten. Das ist auch denklogisch ausgeschlossen, und es ergibt ökonomisch keinen Sinn.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Genau so ist es! Das ist ein wichtiger Unterschied!)

Ich will mit einem zweiten Irrtum aufräumen. Die Arbeitnehmermigration und die Fachkräftezuwanderung ist keine Belastung für den deutschen Arbeitsmarkt, sondern sie ist nachweislich eine Lösung der Probleme des deutschen Arbeitsmarkts. Wir profitieren von Fachkräftezuwanderung.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Es gibt auch Nichtfachkräfte!)

Auch deswegen ist die Grundfreiheit der Personenfreizügigkeit für uns genauso wichtig wie der freie Warenverkehr, die Dienstleistungsfreiheit und der freie Kapital- und Zahlungsverkehr. Alles gehört zusammen. Wer hier die Axt anlegt und das aufspalten will, legt in Wahrheit Hand an unser Wohlstandskonzept für Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ja, natürlich gibt es Herausforderungen. Die Welt wandelt sich. Wir sind als exportstarkes Bundesland mit vielen Risiken auf den Weltmärkten konfrontiert. Der Handelsstreit zwischen den USA und China betrifft auch die rheinlandpfälzische Wirtschaft. Aber wir suchen ganz klar die Lösungen nicht gegen Europa, und wir suchen sie auch nicht allein, sondern wir suchen die Lösung mit Europa, weil wir überzeugt sind, dass wir den großen Volkswirtschaften, die uns mit anderen Systemen und Möglichkeiten herausfor

dern – ich habe in meiner Regierungserklärung unlängst über China gesprochen –, nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern etwas entgegensetzen können.

Bei allen Herausforderungen, die Europa bietet: Die Lösung für Rheinland-Pfalz zur Sicherung des Wohlstands dieses Bundeslands liegt immer darin, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern die Herausforderungen zu meistern und niemals im nationalen Alleingang eine Lösung zu suchen. In diesem Sinne sind wir dankbar, dass uns Europa diese Chancen geboten hat, und stehen als rheinland-pfälzische Regierung auch im Bundesrat immer an der Seite der Bundesregierung, wenn es darum geht, Europa zu stärken, den Integrationsprozess voranzutreiben und Europas Herausforderungen im Interesse des Wohlstands, der Sicherheit und des Friedens in unserem Land Rheinland-Pfalz zu meistern.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freue ich mich, dass wir Besucherinnen und Besucher bei uns begrüßen dürfen. Zunächst sind das die Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe des Beruflichen Gymnasiums der Berufsbildenden Schule Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Bei uns zu Gast ist auch die Katholische Frauengemeinde Kestert. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Abgeordneter Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 8. Mai 2019: „Nicht jeder profitiert gleichermaßen, aber alle gewinnen (...).“ Der Binnenmarkt steigere die Einkommen der EUBürger. Mit wettbewerbsfähigen Branchen – in RheinlandPfalz haben wir diese – ist der Binnenmarkt Gold wert.

Wir haben eben gehört, der Europäische Binnenmarkt steht harter Konkurrenz gegenüber. Deswegen ist es so wichtig, die Offenheit, die Zusammenarbeit, den Zusammenhalt und den Mut, den wir in den letzten Jahren immer wieder hatten, weiter aufrechtzuerhalten; denn das brachte uns Frieden und Wohlstand.

Künftig ist der Zusammenhalt noch viel wichtiger denn je. Um unsere Marktstärke in der Welt zu behaupten, gehört natürlich auch der Abbau von selbst gemachten Hemmnissen. Aber unser Binnenmarkt ist der Trumpf gegen Trump und Co.

Dazu gehören natürlich auch Bereiche – sie wurden alle

aufgezählt – wie Forschung und Entwicklung, Innovation, Sicherheit, Gesundheitsversorgung oder aber auch die Marktführerschaft in neuen (Cyber-)Technologien usw. Wir kennen sie alle. Deshalb – das möchte ich noch einmal sagen; denn man kann es nicht oft genug betonen – ist das Projekt Europa so, so, so wichtig!

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD erteile ich der Abgeordneten Dr. Köbberling des Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein kurzes Wort zu meinen Vorrednerinnen und Vorrednern. Die AfD hat festgestellt – das konnte man in der Presse nachlesen, und hier haben wir es auch gehört –, dass nach dem Brexit-Desaster offenbar die Neigung der deutschen Bevölkerung, einen Dexit mitzumachen, nicht oder nur mehr in äußerst geringem Maß vorhanden ist. Sie hat deshalb ihre Rhetorik geändert.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Uwe Junge, AfD: Nein! Das ist falsch! – Weitere Zurufe von der AfD)

Und sogar Ihre Frage im Wahl-O-Mat.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Nein! Sie haben es zuerst nicht verstanden! Völlig lächerlich!)

Das heißt aber kein bisschen, dass sie ihre innere Haltung geändert hat. Das hat man aus Ihren Ausführungen nun auch eindeutig herausgehört, Herr Joa. Die Behauptung, die EU habe den Bezug zu den Menschen verloren, habe ich vorher durch die Beispiele, die ich genannt habe, noch einmal ganz klar widerlegt. Ich glaube auch, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gestern vor dem Europäischen Gerichtshof recht bekommen haben, dass sie nämlich ein Recht darauf haben, dass ihre Arbeitszeit festgehalten wird, das ganz anders sehen und sagen würden: Endlich hat jemand einmal den Bezug zu den Menschen auf europäischer Ebene nicht verloren, sondern sieht, wie wichtig uns unser Anliegen ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schneider, man kann darüber reden, wie die Dokumentation der Arbeitszeit vonstattengehen soll. In dem Bereich wird sicherlich auch noch einiges Innovatives notwendig sein. Aber es ist mit Sicherheit nicht die richtige Adresse, die EU dafür zu verteufeln. Das Wichtige daran ist gerade, dass wir einen gemeinsamen Arbeitnehmerschutz und gemeinsame Standards bei den Arbeitnehmerrechten haben, damit wir kein Sozialdumping haben und sich ein Land einen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen kann,

dass es solchen Aufzeichnungspflichten in Zukunft nicht mehr nachkommt.

Insofern ist entscheidend, wie die Umsetzung dieser Maßnahme geschieht. Wenn wir aber keine europaweite Regelung hätten, würde uns das sicherlich sehr schaden.

(Glocke der Präsidentin)

Das Gleiche gilt auch für die Klimapolitik. Gerade in der Klimapolitik sind eine gemeinsame europäische Strategie und ein gemeinsames europäisches Vorangehen ungeheuer wichtig, um Erfolge zu erzielen. Es ist unbestreitbar,

(Glocke der Präsidentin)

wie wahnsinnig drängend die Situation jetzt ist.