Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

(Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!)

Man kann die positiven Auswirkungen des Binnenmarkts also sehr gut von den negativen Auswirkungen einer Währungsunion trennen, sowohl gedanklich als auch politisch.

(Beifall der AfD)

Target-Salden, reale Negativzinsen, Vermögensverluste, hohe Arbeitslosigkeit in Südländern: Der Euro kann nur durch Transfers am Leben gehalten werden. Zahlen wir also nicht mehr, wird das gesamte Euro-Projekt zusammenbrechen. Diese Probleme sind gerade nicht dem Binnenmarkt anzulasten, wohl aber der missratenen politischen Währungsunion.

Der Kern des Binnenmarkts umfasst die vier Grundfreiheiten, nämlich den freien Warenverkehr, die Personenfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreizügigkeit sowie den freien Kapital- und Zahlungsverkehr. Wir stehen im Grundsatz zu jeder dieser Freiheiten, dürfen aber die massiven negativen Effekte durch die starke EU-Zuwanderung nicht verschweigen.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

So sind seit 2011 über 1 Million Nettozuwanderer aus der EU nach Deutschland gekommen. Einerseits hat diese Migration also zum Wohlstand beigetragen, auf der anderen Seite hat sie viele inländische geringerqualifizierte Menschen unter starken Lohndruck gesetzt.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Sind wir jetzt bei der Migration? Das ging schnell!)

Weiterhin wurde das Preisniveau auf dem Immobilienmarkt nach oben gezogen und verzerrt, nicht nur durch die Niedrigzinsen, sondern auch wegen massiver Migration.

Liebe Kollegen, ganz klar nicht zur Personenfreizügigkeit gehört jedenfalls die freie Wahl des Sozialsystems. Überhaupt muss mehr Vorsorge dagegen getroffen werden, dass die Niederlassungsfreiheit nicht zu Lohnoder Sozialdumping führt. Die Zurückweisung der EUDienstleistungscharta, die wir gemeinsam auf unsere Initiative hin auch im Landesparlament gefordert haben, war darum wichtig und durchdacht. Wir müssen undifferenzierter Gleichmacherei entgegentreten und dürfen nicht vorschnell ausländische Bewerber klarstellen.

Der europäische Binnenmarkt selbst leidet unter einer Überregulierung in vielen Bereichen. Beispiele lassen sich schnell finden: ob Bierkrugverbot, Pizzamaximalgrößen oder völlig überzogene Berichtsanforderungen für Banken. Die Verwaltung nährt die Verwaltung, und das Raumschiff Brüssel entfernt sich immer weiter von der Lebenswirklichkeit der Menschen.

(Beifall der AfD)

Auch der Europäische Gerichtshof beteiligt sich eifrig an einer weiteren Bürokratisierung und Lähmung, wie wir es

gestern am Urteil zur Arbeitszeiterfassung sehen konnten. Während man manches noch mit Humor nehmen könnte, gefährdet anderes Hunderttausende Arbeitsplätze. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß für Pkw soll bis zum Jahr 2030 um knapp 38 % verringert werden. Mit dieser Richtlinie soll dem Verbrennungsmotor planwirtschaftlich der Todesstoß versetzt werden. Hinzu kommen die niedrigen EU-Emissionswerte; gerade Herr Dr. Bollinger debattiert hierzu gern leidenschaftlich.

(Abg. Marco Weber, FDP: Ui, ui, ui!)

Die Neue Zürcher Zeitung titelte dazu: „Freude an Selbstzerstörung statt Freude am Fahren“. Die Altparteien machen sich hier zum Erfüllungsgehilfen der Gegner der deutschen Herzindustrie.

(Beifall bei der AfD)

Durch diese Politik der EU werden jetzt Patente und Entwicklungen im Wert von Milliarden entwertet, und die Konkurrenz freut sich. Die Lobeshymnen auf Vergangenes zeigen nur, die Stellen des abblätternden EU-Lacks alter Probleme hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit sollen übertüncht werden. Mit dieser Prosa können Sie bestenfalls als Jubiläumsredner enden.

(Heiterkeit bei der AfD)

In diesem Sinn lassen Sie uns Verbesserungswürdiges verbessern statt den Mantel des Schweigens darüber zu decken. Europa ist unsere Heimat und unsere Zukunft. Die AfD möchte den Europäern eine gute, freundschaftliche und gemeinsame Zukunft ermöglichen.

(Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD)

Die EU ist eben nicht gleichbedeutend mit Europa. Die EU kann nur eine Zukunft haben, wenn sie grundlegend umgebaut wird, wenn sie weniger planwirtschaftlich und stattdessen bürgernah

(Glocke der Präsidentin)

ich komme zu Ende – als Projekt der Freiheit und nicht der Gängelung agiert. Europa sollte kein Zuchtmeister sein, der die Mitgliedsstaaten auf Linie bringen will, sondern hinterfragen, warum berechtigte Vorbehalte und Widerstände in bestimmten politischen Fragen herrschen.

(Glocke der Präsidentin)

Letzter Satz: Die Aufgabe der Europäer ist es, gemeinsam mehr zu schaffen. Wir brauchen neue Antworten, neue Vorgehensweisen und gerade nicht Lobhudelei und Sätze derer, die nicht verstehen können, dass Europa viel mehr als ein bloßes ökonomisches Projekt bedeutet.

Herr Joa, Ihre Redezeit.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordneter Hartenfels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank auch von meiner Seite für diese Aktuelle Debatte. Sie ist sehr zielführend vor dem Hintergrund, dass Europawahlen anstehen und die Bevölkerung noch einmal für die Leistungen, die wir Europa verdanken, sensibilisiert werden sollte und wir sie zugleich ein Stück weit bewahren und schützen vor denen, die sich als Europakiller präsentieren. Sie sind in diesem Parlament leider ganz rechts außen wiederzufinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Vor dem Hintergrund möchte ich auf die globalen Diskussionen hinweisen. Wir haben die Situation, dass wir uns zum Teil in Handelskriegen mit ganz neuen Rollenverteilungen befinden. Die USA verfolgt eine alte neue Politik nach dem Motto „Der Abschottungsweg soll gegangen werden“. Ich hatte eigentlich gedacht, dieser Weg und dieses Vorgehen wären überwunden.

Auf der anderen Seite haben wir China, das eine ganz andere Strategie fährt: eher eine aggressive Strategie nach dem Motto „Wir wollen uns überall auf der Welt platzieren und einkaufen“.

Gegensätzlicher könnten die Positionen gerade nicht sein. Wenn wir dort ein Wort mitreden wollen, weil wir selbst Vorstellungen von einem fairen, von einem gerechten und von einem sozialen Welthandel haben, dann müssen wir schauen, dass wir in Europa nicht mit 28 Stimmen reden, sondern dass wir mit einer Stimme reden.

Deswegen lassen Sie mich vor dem Hintergrund vier Anmerkungen machen, die, glaube ich, ganz wichtig sind. Die erste Anmerkung, ich habe es angedeutet: Wichtig ist es, dass wir als Bündnis in Europa auftreten, weil es nur als Bündnis funktionieren wird, dass dieser größte Wirtschaftsraum auf der Welt als solcher auch wahrgenommen wird und wir uns vor diesem Hintergrund gemeinschaftlich positionieren.

Die zweite Anmerkung: Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern vor Augen führen – die Bertelsmann-Studie ganz aktuell aus dem Mai hat das noch einmal durchgerechnet –, dass die Wohlstandsauswirkungen des europäischen Binnenmarkts enorm sind: nach aktuellen Zahlen im Durchschnitt für die europäischen Bürgerinnen und Bürger ein Einkommensgewinn, den wir dem Binnenmarkt verdanken, von 840 Euro jedes Jahr on top.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Mit England!)

In Deutschland stehen wir noch ein bisschen besser da:

Wir liegen bei deutlich über 1.000 Euro jedes Jahr an Zugewinn durch den europäischen Binnenmarkt. Das zu gefährden oder infrage zu stellen, wäre die größte Dummheit, die Europa und seine Mitgliedsstaaten überhaupt machen könnten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP)

Eine dritte Anmerkung, die, glaube ich, auch wichtig ist: Wir verdanken den Politikergenerationen der letzten sieben Jahrzehnte ungeheuer viel, weil sie für ein grenzenloses Europa im besten Sinn des Worts für die vier Freizügigkeiten, die wir wirklich würdigen und immer wieder schätzen sollten, gestritten und gekämpft haben: die Personenfreizügigkeit, die Warenfreizügigkeit, die Kapitalfreizügigkeit, aber auch die Dienstleistungsfreizügigkeit. Sie sind das Fundament dafür, dass inzwischen 500 Millionen Menschen im europäischen Raum ein Lebensgefühl und eine Freiheit entwickeln sowie ein wirtschaftliches und soziales Zusammenwachsen realisieren können.

Das war für unsere Vorvätergenerationen so nicht denkbar. Das ist ein ungeheurer Gewinn, den wir dort darstellen und realisieren können. Es ist wichtig, gerade in den nächsten zwei Wochen noch einmal deutlich zu machen, wie stark wir aktuell von dieser europäischen Politik und dem Binnenmarkt profitieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Dazu eine vierte Anmerkung, die mir wichtig ist und sich, wenn ich herunterzoome, insbesondere auf RheinlandPfalz, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Bundesland, bezieht. Wir sind im deutschen Raum ein Bundesland, das extrem abhängig vom europäischen Binnenmarkt und auf ihn fokussiert ist.

Wir haben eine Große Anfrage zu Europa gestellt, die morgen vertieft behandelt wird. Aber einige Zahlen, weil sie heute ganz gut passen, möchte ich jetzt schon in die Debatte werfen, weil sie mir wichtig sind:

Zum einen können wir konstatieren, dass wir weit über 200.000 Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz haben, die aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat kommen. Wir haben also heute schon eine enge Verzahnung, die darauf fußt, dass wir so zusammengewachsen sind. Wir haben in Rheinland-Pfalz die Situation, dass wir fast 50.000 Pendlerinnen und Pendler haben, die ihren Arbeitsplatz außerhalb von Rheinland-Pfalz aufsuchen, nämlich in Belgien, in Frankreich und in Luxemburg, und die darauf angewiesen sind, dass wir einen grenzenlosen Raum haben. Das befördert die Lebensqualität, sichert den Arbeitsplatz und trägt dazu bei, dass diese wirtschaftlichen Verflechtungen überhaupt möglich sind.

Wieder Ideen von Schlagbäumen zu entwickeln, ist so etwas von vorgestern, ist so etwas von rückschrittlich und ist so etwas von verstaubt. Wir können auf gar keinen Fall zulassen, dass sich so etwas in Europa wieder durchsetzt.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Damit sich der Kreis schließt, noch eine letzte Zahl aus dieser Großen Anfrage: Rheinland-Pfalz exportiert Güter im Wert von fast 40 Milliarden Euro in den europäischen Raum und in die europäischen Mitgliedsstaaten, allein im Wert von fast 9 Milliarden Euro in Richtung Frankreich, Belgien und Luxemburg.

(Glocke der Präsidentin)