Das ist seit über 70 Jahren so. Wenn uns eine Partei – der Terminus technicus Dexit kommt aus Ihren Reihen – jetzt erzählen möchte, welche Forderungen wir haben, dann platzt mir demnächst der Kragen, das kann ich Ihnen sagen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, es ist gut, dass man zehn Tage vor einer so wichtigen Wahl wie der Europawahl eine solche Debattengelegenheit hat. Indem heute die Große Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Plenum ausgesprochen wird, werden sehr unterschiedliche Positionen zu Europa deutlich, und es wird klar, wer für dieses großartige demokratische Projekt von Frieden und Wohlstand wirklich einsteht, das so viele Menschen vereint, das beispielgebend ist auf der Welt und das uns momentan auch in die Lage versetzt, dass wir uns als Deutsche in der Europäischen Gemeinschaft auch im internationalen Handel eindeutig besser positionieren können.
Ich möchte aber zunächst einmal mit ein paar Punkten aufräumen, die Sie soeben genannt haben. Herr Lohr, Sie sind häufig Gast, wenn wir verschiedene europäische Themen in der Staatskanzlei in den Mittelpunkt stellen. Wir haben alle Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags zu dem Konzert gestern Abend eingeladen, möglicherweise ist dann vielleicht irgendetwas nicht gesehen worden. Aber ich verwahre mich dagegen, dass hier Behauptungen aufgestellt werden, und das muss auch im Protokoll richtiggestellt werden. Alle Fraktionen hatten eine Einladung.
(Vereinzelt Beifall bei SPD, FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Christine Schneider, CDU: Aha! – Abg. Joachim Paul, AfD: Unterschiedliche Wahrnehmungen, damit kennen Sie sich ja gut aus!)
In der Debatte ist auch deutlich geworden – dies haben Frau Scharfenberger, Herr Hartenfels, Herr Roth und viele andere aufgegriffen –, wenn etwas schief läuft, dann ist es immer Europa gewesen. Wenn wir etwas gut gemacht haben, dann war es immer die Errungenschaft der Bundesrepublik Deutschland allein. Ich glaube, wir tun gut daran,
In der Großen Anfrage, die wir beantwortet haben, wird gerade deutlich, wie durch und durch europäisch RheinlandPfalz ist. Wir haben unglaublich viele Bereiche. Herr Hartenfels, Sie haben schon das Exportland genannt. Dies hat gestern auch in der Aktuellen Debatte eine Rolle gespielt. 40 Milliarden Euro, zwei Drittel aller Exporte, fließen ins EU-Ausland.
Wir haben aber auch die Bereiche des Arbeitsmarkts, die grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung EURES, und dieser Bereich trägt Früchte. Ich möchte auch ausdrücklich den Bereich Schule, Studium und Ausbildung nennen.
In dieser Woche hatten wir ein zweitägiges Seminar in Ingelheim mit dem Titel „Austausch macht Schule“. Frau Bildungsministerin Dr. Hubig und wir von der Staatskanzlei durften es begleiten. Dies ist das Motto der Landesregierung. Wir haben nicht nur die 64 Europaschulen und das Europahaus, sondern wir haben dort viele Lehrkräfte erlebt, die sich einbringen, fortbilden, um europäische Bildung zu vermitteln.
Wir haben allein insgesamt 1.129 Luxemburger, die in Rheinland-Pfalz studieren. Wir haben 1.400 Auszubildende aus den europäischen Mitgliedstaaten, die in RheinlandPfalz eine duale Ausbildung absolvieren. Dies sind großartige Zahlen.
Frau Schneider, das Thema „Bilingualität“ ist für uns sehr wichtig. Sie haben auch die Kitas angesprochen. Dies sind Programme, die alle fortgeführt werden können. Das ist auch gewünscht und ausdrücklich so gesagt worden.
Es gibt aber auch viele andere Bereiche, beispielsweise die kommunale Förderung. Allein in den Förderprogrammen von 2014 bis 2020 konnten 595 Millionen Euro – ohne die Agrarförderung – in Rheinland-Pfalz verausgabt werden, in kommunale Projekte gesteckt werden.
Wir werden uns jetzt als Land Rheinland-Pfalz für den mehrjährigen Finanzrahmen einsetzen, damit diese Mittel weiterlaufen, damit gerade auch unsere ländlichen Regionen, aber auch die Städte – Kaiserslautern allein hat 10 Millionen Euro aus Fördertöpfen erhalten – profitieren können.
Es geht aber weiterhin um die Innere Sicherheit. Wir haben ein gemeinsames Zentrum Polizei und Zoll in Luxemburg. Wir haben im Bereich Umwelt und Klimapolitik eine ganze Reihe von Projekten, die zeigen, wie wichtig es ist. Allein im Vertragsnaturschutz konnten im letzten Jahr 6 Millionen Euro verausgabt werden.
Lassen Sie mich aber auch kurz den Blick in die Zukunft werfen; denn die Bilanz ist da. Rheinland-Pfalz wird am 1. Juli den Vorsitz in der Europaministerkonferenz übernehmen. Wir werden das Thema des mehrjährigen Finanzrahmens und viele andere Themen wie Umwelt, Klima, aber auch das soziale Europa in den Mittelpunkt stellen und werden dann gemeinsam einen Beitrag mit der Länderge
meinschaft leisten. Darüber hinaus wollen wir den Blick auf die deutsche Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 richten, die unter dem tollen Motto „Für ein solidarisches, starkes und soziales Europa“ steht.
Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Staatssekretärin Raab hat sich der Abgeordnete Schmidt von der Fraktion der AfD gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin, ich muss doch noch einmal ein paar Worte sagen zu dem sehr billigen Vorwurf wegen gestern Abend. Ich habe von der Einladung nichts gewusst, sonst wäre ich vielleicht zu dem Polen-Jubiläum gegangen. – Warum auch immer.
Aber wenn ich recherchieren würde, könnte ich Ihnen zahllose Veranstaltungen zur europäischen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nennen, an denen ich als einziger MdL teilgenommen habe, oder als einer von ganz wenigen.
Frau Staatssekretärin, ich glaube, wir waren im letzten Jahr, als es um das Jubiläum des Prager Frühlings ging, im Kino Capitol in Mainz die einzigen beiden aus dem Landtag. Ich war der einzige MdL, der im Juni des vergangenen Jahres zum dortigen Rheinland-Pfalz-Tag in Dijon war. Wenn es um Aktivitäten des Vierernetzwerks oder um Aktivitäten im Haus Burgund geht, war ich letzte Woche wiederum der einzige MdL.
Also, es ist eine sehr billige Assoziationskette, die Sie da bedienen. Ich könnte genau das Gegenteil behaupten und Ihnen mit guten Gründen beweisen, dass wir viel aktiver sind als die anderen Parteien hier.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht mehr vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache zu der Großen Anfrage „Rheinland-Pfalz in Europa – Europa in Rheinland-Pfalz“. Die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung sind mit dieser Besprechung erledigt.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich Gäste auf unserer Besuchertribüne willkommen hei
ßen. Wir freuen uns über die Anwesenheit von Mitgliedern des Verkehrsvereins Einrich. Herzlich willkommen, schön, dass Sie da sind!
Außerdem begrüße ich ganz herzlich Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Projekt „Neue Nachbarn in der Mainzer Neustadt“. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
Kinderarmut bekämpfen – Chancen für jedes Kind durch Kindergrundsicherung sicherstellen Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/9171 –
dazu: Starke Familien – Familienpolitisches Gleichgewicht wieder herstellen – Kinderarmut bekämpfen Alternativantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/9227 –
Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf zunächst Frau Dr. Machalet für die Fraktion der SPD das Wort erteilen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst vor einigen Tagen – vielleicht hat es der eine oder andere auch gesehen – wurde in dem Beitrag der ARD-Sendung „Rabiat“ mit dem Titel „Arsch hoch, Deutschland!“ eindrucksvoll geschildert, dass Armut in Deutschland trotz sinkender Arbeitslosigkeit immer noch bittere Realität ist. Wenn man mit den Tafeln vor Ort und auch mit den Beratungsstellen vor Ort spricht, erfährt man das Gleiche.
Noch bitterer ist, dass die Armut nicht ab-, sondern weiter zunimmt. Wir alle wissen, Armut ist vor allem für Kinder schwierig: schlechtere Startchancen durch weniger Teilhabe, durch höhere psychische Belastungen, durch höhere gesundheitliche Belastungen – wir alle kennen ja die Fakten.
Bereits im Jahr 2017 haben wir im Sozialpolitischen Ausschuss eine umfangreiche Anhörung zu den Auswirkungen von und zu Maßnahmen gegen Kinderarmut durchgeführt, und seitdem sind durchaus einige Dinge auf den Weg gebracht worden. Ich bin Frau Ministerin BätzingLichtenthäler sehr dankbar, dass sie sich mit ihrem Prozess „Armut begegnen – gemeinsam handeln“ umfangreich und sehr detailliert dem Problem angenommen hat. Wir konnten dies unterstützen, indem wir die Mittel zur Armutsbekämpfung insbesondere auf der kommunalen Ebene im laufenden Doppelhaushalt auf dann insgesamt 1 Million Euro aufgestockt haben.
Durch das kommunale Armutsprogramm können Initiativen und Netzwerke zur Armutsbekämpfung auf lokaler Ebene niedrigschwellig und unbürokratisch unterstützt werden.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die kleinen Summen manchmal mehr helfen als große Summen.
Mit dem Arbeitsmarktprojekt „Bedarfsgemeinschaftscoaching“, einer in der Tat rheinland-pfälzischen Idee aus der Westpfalzinitiative, werden inzwischen landesweit Familien im Langzeitleistungsbezug unterstützt. Wenn man mit den Betroffenen spricht, sieht man, wie froh die Menschen sind, dass sich endlich jemand ohne irgendeine Sanktionsandrohung um sie und ihre Situation kümmert. Für uns ist immer noch klar, dass die beste Armutsprävention sichere Arbeitsplätze mit existenzsichernden Löhnen sind.
Auch im Bund wurden auf Initiative der SPD mit dem im März beschlossenen Starke-Familien-Gesetz wichtige Entlastungen für einkommensschwache Familien auf den Weg gebracht. Der Kinderzuschlag wurde neu gestaltet, sodass deutlich mehr Eltern unterstützt werden und nicht wegen ihrer Kinder auf Grundsicherung angewiesen sind. Es gibt Erleichterungen bei der Schülerbeförderung und beim Schulessen, der Zugang zur Lernförderung wird verbessert, und der Zuschuss zum Schulbedarf wird erhöht. Das alles sind Schritte in die richtige Richtung.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal mit einem Vorurteil aufräumen, das sich leider hartnäckig hält und auch im Ausschuss am 17. Januar 2019 von Ihnen, Frau Thelen, wieder in den Raum gestellt wurde, nämlich – Herr Präsident, ich darf aus dem Protokoll zitieren – dass sich in der Praxis Probleme ergeben, wenn das für die Kinder bestimmte Geld „vom Papa versoffen werde“.