Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

schrift Kinder aus. Sie sind zu langsam, werden schnell verunsichert, produzieren Fehler aufgrund falsch geschriebener Buchstaben. Der Grund allerdings – das haben Sie selbst ausgeführt – für eine unsichere Handschrift liegt viel tiefer. Es sind oft oder meistens grafomotorische Problemstellungen, die es zu beheben gilt.

Probleme der Motorik im Allgemeinen führen auch zu Feinmotorikproblemen. Das Schreiben mit der Hand ist quasi die Königsdisziplin der Feinmotorik. Feinmotorikprobleme beginnen mit kompliziert verlaufenden Liegeschwangerschaften und Frühgeburten, mit mangelnder Bewegung im elterlichen Haus, unzureichender Förderung im Kindergarten aufgrund fehlender Diagnose, aber auch langer Krankheitsphasen in entscheidenden Entwicklungsphasen.

Ergotherapeuten sind mit diesen Herausforderungen befasst. Kindergärten und Schulen arbeiten oft schon eng mit diesen Praxen zusammen. Zur Förderung der Feinmotorik und somit auch der komplizierten Vorgänge im Gehirn – denn auch andere Bereiche werden davon bestimmt und verändert – ist das Schreiben mit der Hand im Allgemeinen unablässig. Da sind wir uns einig.

An Reformschulen wird oft sogar noch Kalligrafie mit der Feder angeboten, um noch mehr feinmotorische Fähigkeiten zu erlangen. Aber der Schluss auf die Rechtschreibkompetenz, quasi linear einen Schluss zu ziehen, ist so nicht einfach zu ziehen und nicht nachgewiesen. Wir wollen hier faktenbasiert argumentieren.

Ich möchte diese komplexe Fragestellung deswegen zurück in die Kollegien geben und vertraue auf die Sorgfalt und Expertise der Akteure.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Warum werden die Ergebnisse dann schlechter?)

Eine bestimmte Methode vorzuschreiben oder gar zu verbieten – Sie haben die Idee wahrscheinlich aus Bayern –, ohne dass es dafür einen wissenschaftlichen Beleg gibt – das für uns entscheidend –,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Also weiter so!)

halte ich nicht für zielführend.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: Was ist denn Ihr Ziel?)

Für eine Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Beilstein das Wort.

Liebe Frau Kollegin Kazungu-Haß, es ist nicht das erste Mal, dass wir hier erleben, wenn wir gerade in der Bildungsdebatte einen Missstand ansprechen, dass die Reaktion

wie bei einem Pawlow-Reflex erfolgt,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Genauso so ist es!)

und zwar immer dahin gehend, dass wir kein Vertrauen entweder in die Lehrerinnen und Lehrer oder in die Erzieherinnen und Erzieher hätten.

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Stimmt doch!)

Genau das stimmt nicht. Aber eines steht doch fest, sie können dies nur mit Blick darauf leisten, was am Ende rauskommen soll, wenn man ihnen die entsprechende Zeit und die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellt.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Genau darum geht es uns. Wenn feststeht, dass sich Handschriften verschlechtert haben und eine flüssige Handschrift ein wichtiger Aspekt auch bei dem Erbringen von Leistungen in der Schule ist, dann muss man das erkennen und an das Grundproblem herangehen.

Nichts anderes sage ich: Stellen Sie den Lehrerinnen und Lehrern genügend Ressourcen, genügend Zeit, genügend Personal zur Verfügung, damit die entsprechenden Übungen und Möglichkeiten bestehen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Kazungu-Haß zu einer Erwiderung das Wort.

Das sind interessante Worte, dass Sie jetzt plötzlich über Ressourcen und Zeit sprechen,

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Das habe ich in der ersten Runde schon getan!)

wo Sie eben wertend davon gesprochen haben, mit welcher Schrift man am besten zum Ziel gelangt.

Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Es gab gute Gründe, warum man nicht mit der Schreibschrift weiter eingestiegen ist. So haben wir beide wahrscheinlich noch in der Schule das Ganze gelernt. Das hat man deswegen nicht gemacht, weil viele Kinder dadurch länger gebraucht haben und mehr Probleme hatten, eine Schrift zu erwerben, mit der sie flüssig schreiben konnten, weil es viel komplizierter war, auf diesem Wege überhaupt zum ersten Wort zu kommen. Deswegen hat man sich entschieden, über die Druckschrift dann in der 1. oder erst in der 2. Klasse die Schreibschrift zu lernen.

Man müsste das jetzt noch ein bisschen weiter ausführen. Der Weg dorthin war ein ganz anderer. Das, was ich gesagt habe, ist natürlich auch ein Reflex auf etwas, weil Sie immer wieder dieselben Dinge tun: Sie stellen sich hierhin und nehmen ein Thema heraus, das wirklich sehr tief in fachdidaktische Fragestellungen hineingeht. Sie nehmen

es sich heraus, hier festzulegen, dass Wege offensichtlich nicht richtig gegangen werden, wissen aber offensichtlich überhaupt gar nicht ganz genau, wovon Sie eigentlich sprechen,

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Gerd Schreiner und Anke Beilstein, CDU: Unverschämtheit! Unterstellungen! – Weitere Zurufe von der CDU)

und gehen so weit, Empfehlungen in diesem Haus abzugeben, wie die Kolleginnen und Kollegen ihre Methodik zu gestalten haben.

(Zurufe von der CDU: Oje, oje!)

Wissen Sie was? Da stelle ich mich ganz klar vor die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, denen ich das zutraue, und das tun Sie nicht, liebe CDU.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der AfD)

Das tun Sie nicht, Frau Beilstein.

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Nein, das ist nicht wahr!)

Deswegen frage ich mich ganz ehrlich, wenn es Ihnen um Ressourcen geht, dann sagen Sie es doch. Aber dann fangen Sie doch nicht an und machen irgendwelche seltsamen Diskussionen auf, welche Schrift denn zum Ziel führt, ohne wissenschaftliche Belege in dieses Haus mitzubringen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Schmidt das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Ich werde einmal versuchen, wieder ein wenig mehr Sachlichkeit in die Diskussion hineinzubringen,

(Beifall der AfD)

auch wenn das Thema durchaus so ist, dass man sich emotional darüber aufregen könnte. Ich werde es in sachliche Worte fassen, aber Sie werden merken, dass wir uns auch an vielem sehr stark stören.

Das Schreiben nach Gehör und die Verwendung der Anlauttabelle für die Rechtschreibung, das ist die Grundschrift für die Handschrift. Ein unverantwortliches Experiment an unseren Kindern!

(Beifall der AfD – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Oje!)

Wohin die Anlauttabelle und das Schreiben nach Gehör

führen, hat uns der IQB-Bildungstrend gezeigt. Ein Viertel der Viertklässler in Rheinland-Pfalz erreichten beim Rechtschreibtest nicht einmal den Mindeststandard.

Diese beängstigenden Ergebnisse sind allerdings nicht monokausal erklärbar. Wir haben es hier mit einem Bündel an Fehlentwicklungen zu tun. Eine davon ist die sich ausbreitende Grundschrift als Ausgangsschrift.

Die Große Anfrage, über die wir nun debattieren, ergab, dass an 99 Grundschulen in Rheinland-Pfalz ausschließlich die Grundschrift als Ausgangsschrift verwendet wird. Außerdem planen 20 weitere Grundschulen die Einführung der Grundschrift.

„Die Grundschrift einzuführen bedeutet, die Schreibschrift abzuschaffen“, betont Ute Andresen, die ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben. Es werde „leichtfertig eine Kulturtechnik aufs Spiel gesetzt“.

Was sagt nun die Bildungsministerin dazu? – Nach einem Antrag unserer Fraktion im Bildungsausschuss erklärte sie: „Kinder müssen und sollen Schreibschrift erlernen, und darauf müssen Lehrkräfte achten.“

Auf Frage Nummer 29 unserer Großen Anfrage zur Rechtschreibung antwortet die Landesregierung: „Eine verbundene Schrift fördert das flüssige Schreiben. Eine flüssige und formklare Handschrift hat wiederum positive Auswirkungen auf die Rechtschreibung.“