Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

Auf Frage Nummer 29 unserer Großen Anfrage zur Rechtschreibung antwortet die Landesregierung: „Eine verbundene Schrift fördert das flüssige Schreiben. Eine flüssige und formklare Handschrift hat wiederum positive Auswirkungen auf die Rechtschreibung.“

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

Dennoch, im Teilrahmenplan Deutsch für die Grundschulen ist von einer verpflichtenden Schreibschrift von Anfang an keine Rede. Leider! Hier fehlt es an der notwendigen Konsequenz.

Am 9. April wurde die Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema „Handschreiben“ – kurz STEP 2019 – veröffentlicht. Diese bundesweite Studie enthält auch ein Kapitel über Rheinland-Pfalz. Die Ergebnisse sind besorgniserregend. Die befragten Lehrkräfte stellten mit überwältigender Mehrheit – 89 % im Primarbereich, 86 % im Sekundarbereich – eine Verschlechterung der Handschrift fest.

Im Trend liegen die für Rheinland-Pfalz ermittelten Einschätzungen. Hier sind im Primarbereich 86 % und im Sekundarbereich 94 % der Ansicht, die Handschrift habe sich verschlechtert.

In der Studie heißt es zudem: „Die Mehrheit der Lehrer ist von der positiven Auswirkung des Handschreibens auf schulische Leistungen überzeugt, vor allem die Rechtschreibung und das Verfassen von Texten.“

Es bleibt festzuhalten: Die Studie unterstreicht die große Bedeutung, die eine flüssige Schreibschrift für den schulischen Erfolg hat. Ich habe den Eindruck, dass die CDU in dieser Frage inhaltlich recht nahe bei uns ist. Frau Kollegin Beilstein hat auch einige sehr wichtige Feststellungen getroffen, schwerpunktmäßig, was den kognitiven und auch den motorischen Bereich betrifft.

Aber dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen AfD und CDU in dieser Thematik, nämlich was die Frühdigitalisierung an den Grundschulen betrifft. So hört man von den leider immer häufiger grün anlaufenden Christdemokraten keine Kritik, und das, obwohl Experten wie Josef Kraus oder Professor Manfred Spitzer ausdrücklich davor warnen.

Kraus, 30 Jahre Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes, sagt wortwörtlich: „In die Grundschulen gehören die neuen Techniken schon mal gar nicht.“

Deutliche Worte findet auch Neurowissenschaftler Spitzer: „Beim Digitalpakt geht es um die Computerisierung des normalen Unterrichts. Daten der OECD aus den Pisa-Studien belegen, Staaten, die ihre Schulen stärker computerisiert haben, erzielten schlechtere Bildungsergebnisse als jene mit weniger Computern an Schulen.“

Wir von der AfD haben uns immer gegen eine Frühdigitalisierung an den Grundschulen ausgesprochen. Die Landesregierung treibt demgegenüber die Digitalisierung an den Grundschulen aktiv voran. Die Richtlinie zur digitalen Bildung in der Primarstufe, eine Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung vom 30. Oktober 2018, soll am 1. August 2019, also demnächst, in Kraft treten. Die Bildungsministerin erläuterte am 17. Januar dieses Jahres im Bildungsausschuss laut Sprechvermerk wörtlich: „Interaktive Tafeln und Tablets ermöglichen zum Beispiel die Texteingabe mit einem Stift oder die Nutzung entsprechender Lehramtssoftware.“

Wir als AfD sind nicht der Meinung, dass die Digitalisierung an den Grundschulen für eine Verbesserung der Schreibschrift sorgen wird, ganz im Gegenteil. Wir befürchten vielmehr, dass die Schreibschrift durch die digitale Bildung noch mehr vernachlässigt wird. Auch der CDU fehlt von daher leider die Konsequenz in diesem Thema. Sie denkt das Thema nicht zu Ende.

Schließen möchte ich mit einem ebenso treffenden wie schönen Zitat der bekannten Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke:„Eine Druckschrift zu beherrschen reicht meiner Meinung nach als Handschrift nicht aus. Sie fließt nicht wie eine Schreibschrift und ist daher sehr viel langsamer.

(Glocke der Präsidentin – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Hat er das eigentlich handschriftlich, was er da abliest?)

Eine fließende Handschrift dagegen fördert den Fluss der Gedanken und ist gleichzeitig so individuell, dass man ganz bei sich ist.“

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Apropos ganz bei sich! – Abg. Martin Haller, SPD: Ja, irgendwo im Mittelalter, würde ich einmal sagen! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das sagt er, während er etwas Gedrucktes vorliest und es noch nicht einmal in seiner eigenen Handschrift geschrieben hat! – Abg. Uwe Junge, AfD: Er hat eine sehr schöne Handschrift, das kann ich bezeugen! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja? Schreibt er Ihnen manchmal nette Briefe, Herr Junge? – Abg. Martin Haller, SPD: Vielleicht ist er auch auf Mittelaltermärkten als Kaligraf! – Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat die Abgeordnete Helga Lerch.

(Weitere Zurufe von der SPD – Abg. Uwe Junge, AfD: Jetzt kehren wir wieder zur Sachlichkeit zurück, Herr Schweitzer!)

Meine Herren Fraktionsvorsitzenden, das Wort hat die Abgeordnete Lerch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, in welcher Schrift Sie schreiben? Unsere Landesjournalisten draußen in der Steinhalle probieren das gerade aus und fragen sich: Was ist es eigentlich für eine Schrift?

Wissen Sie noch, nach welcher Schrift Sie schreiben lernten, und erfüllt Ihre heutige Handschrift das Kriterium, gut lesbar und flüssig zu sein?

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Ja, natürlich!)

Und schließlich: Wissen Sie, in welcher Schriftart Sie hauptsächlich lesen? Wenn Sie die Zeitung lesen, mit dem iPad arbeiten oder die Protokolle der Landtagsverwaltung lesen, was ist das für eine Schrift?

Um ehrlich zu sein, für viele von uns geschehen Schreibund Lesevorgänge automatisch. Da schaltet sich so eine Art Autopilot ein. Aber wie verhält es sich mit unseren Kindern, die Schreiben und Lesen erst noch im Begriff sind zu erlernen?

In den Bildungsstandards für die Grundschule, die seit 2004 bundesweit – ich betone, bundesweit – gelten, ist festgelegt, dass die Kinder zuerst Druckbuchstaben erlernen. Am Ende der 4. Klasse sollen sie eine individuelle Handschrift gefunden haben, leserlich und flüssig schreiben können.

Die Frage, wie man von den Druckbuchstaben zu dem erstrebenswerten Ziel kommt, ist sehr unterschiedlich ge

regelt. Da gibt es – das vielleicht auch als Antwort für unsere Journalisten draußen in der Steinhalle – die lateinische Ausgangsschrift, die 1953 in Deutschland eingeführt wurde, die Schulausgangsschrift, die 1968 in der DDR ihren Anfang nahm, oder die sogenannte vereinfachte Ausgangsschrift.

Meine Damen und Herren, für Eltern stellt allein dieser Katalog schon eine gewisse Verwirrung dar, und ich nehme an, auch für Sie. Nun kommt noch die sogenannte Grundschrift hinzu, die auch in Rheinland-Pfalz an manchen Grundschulen gelehrt wird. Spätestens an dieser Stelle fragen sich die Eltern, wer eigentlich darüber entscheidet, welche Schrift ihr Kind erlernen soll.

In Rheinland-Pfalz ist das geregelt. Die Schulen entscheiden per Gesamtkonferenzbeschluss, welche Schrift zur Anwendung kommt. Diejenigen von Ihnen, die sich eine Vorstellung machen können, was in Fachkonferenzen abgeht, wissen, dass dort um unterschiedliche Meinungen, Ansätze, Methodik, Didaktik gerungen wird. Es ist keine einfache Sache, dort einen gemeinsamen Weg zu finden, der dann noch in der Gesamtkonferenz verteidigt und gerechtfertigt werden muss; insofern sind die Schulen zwar souverän, aber sie müssen sich wirklich auch klar argumentativ rechtfertigen können.

Erwarten Sie bitte jetzt nicht an dieser Stelle, dass ich die vermeintlichen Vor- und Nachteile der jeweiligen Ausgangsschrift thematisiere. Es gibt in der Fachwissenschaft kein eindeutiges Pro oder Kontra für die eine oder für die andere Schrift. Das ist Fakt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Interessant!)

Was ich allerdings für unabdingbar halte, ist, dass der erste Schreibunterricht sowohl didaktisch als auch hinsichtlich der praktizierten Methode gut durchdacht ist und die Kinder mit Variantenreichtum begeistert. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben, wie das aussehen kann.

Ich hatte vor einigen Wochen Gelegenheit, dem Schreibunterricht einer 1. Klasse beizuwohnen. Die Kinder erarbeiteten einen neuen Buchstaben. An der Tafel gab es die Modellvorgaben. Dann gab es mehrere Gefäße mit feinem Sand, und die erlaubten das Nachzeichnen des Buchstabens mit dem Zeigefinger.

Einige Kinder übten traditionell mit Bleistift im Übungsheft, und wieder andere übten mit dem iPad. Da habe ich einmal genau hingeschaut. Was haben diese Kinder eigentlich gemacht?

Sie hatten ein installiertes Programm und konnten einen vorgezeichneten Buchstaben ebenfalls nachzeichnen und bekamen dann bei 100 % Übereinstimmung vier Sterne. Ich habe das übrigens auch einmal probiert, ich bekam nur drei. Also, die Motorik spielt dabei auch eine große Rolle. Das, meine Damen und Herren, nenne ich Variantenreichtum, und so kann Schreiben auch wirklich Freude bereiten.

Ich komme zum Abschluss, meine Damen und Herren. Die Große Anfrage der CDU gibt uns erstmalig Aufschluss dar

über, an welcher Schule welche Ausgangsschrift gelehrt wird. Aber die Zahlen sagen noch lange nichts darüber aus, wie der Lernerfolg des einzelnen Kindes ist. Lernerfolg ist facettenreich und lässt sich nicht auf eine Form der Ausgangsschrift zurückführen.

(Glocke der Präsidentin)

Etwas hat die Große Anfrage der CDU bei mir auch bewirkt, ich habe mir einmal meine eigene Handschrift angesehen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Gerd Schreiner, CDU: Dann war sie ja etwas wert!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Daniel Köbler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zunächst einmal die gute Nachricht vorweg: An rheinland-pfälzischen Schulen lernen alle Kinder Schreiben.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Auch lernen alle Kinder an unseren Schulen Handschrift.

In der Diskussion und Debatte wird einiges miteinander vermengt und frei nach dem Motto „Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Antwort, die falsch ist“ auch durcheinandergeworfen.

Frau Beilstein, das, was Sie uns bildungspolitisch angeboten haben, war schon ganz schön dünn. Ja, wir haben im IQB-Bildungstrend Ergebnisse erzielt, die uns nicht zufriedenstellen können und die sozusagen Handlungauftrag für die Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz, aber auch in vielen anderen Bundesländern sind. Ja, das gilt auch für den Bereich der Orthografie.

Sie haben aber ausgeführt, dass die Tatsache, dass gut 20 % der Schülerinnen und Schüler auf der Grundschule den Mindeststandard in Orthografie nicht erfüllen, damit zusammenhinge, dass sie nicht die lateinische Ausgangsschrift in der Grundschule lernen würden. Dazu will ich Ihnen nur zwei Dinge sagen.

Das Erste ist, an über 80 % unserer Grundschulen wird die lateinische Ausgangsschrift von allen Schülerinnen und Schülern gelernt und praktiziert. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass sämtliche Schülerinnen und Schüler an den Schulen, an denen andere Schriftarten gelehrt und praktiziert werden, die Mindeststandards nicht erfüllen. Sie wissen auch, das ist aber nicht der Fall.

Dann sage ich Ihnen noch etwas: Sie haben mit Sicherheit den Ländervergleich gesehen. Über so etwas kann man immer streiten, aber schauen Sie sich einmal an, wer bei