Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

Das Beispiel aus der Fußballberichterstattung ist im Vergleich zu vielen sexistischen Handlungen ein eher harmloses. Denken Sie an großflächige Plakatwerbung, in der Frauen unter dem Motto „Sex sells“ vermarktet werden. Denken Sie an die #MeToo-Debatte, in der millionenfach über sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe berichtet wurde. Und denken Sie an männerdominierte Institutionen, in denen strukturelle Diskriminierung von Frauen insbesondere im Arbeitsleben noch immer an der Tagesordnung ist. Damit muss Schluss sein!

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich durch den Einsatz der Kämpferinnen und Kämpfer für Emanzipation und Gleichberechtigung vieles positiv entwickelt. Wir sind aber noch lange nicht am Ende dieser Entwicklung. Ich finde es deshalb richtig, dass die Frauenministerin sich dem Thema annimmt und es auch über den Vorsitz der Frauenund Gleichstellungsministerinnenkonferenz prominent platziert.

Inzwischen konnten viele Botschafterinnen und Botschafter für die Kampagne gewonnen werden: von der Autorin über die Fußballvereinsvorsitzende bis zur Ministerpräsidentin. Personen des öffentlichen Lebens müssen Vorbilder sein, wenn es darum geht, Sexismus entschieden entgegenzutreten, Grenzen aufzuzeigen und im Sinne der Gleichberechtigung zu handeln. Da braucht es Frauen und Männer, die vorangehen und diese Prinzipien Tag für Tag leben.

Wichtig ist aber auch ein funktionierendes Beratungs- und Hilfenetz. Dies hat in Rheinland-Pfalz mit der Verabschiedung des jüngsten Doppelhaushalts an vielen Stellen eine Stärkung erfahren. Die vielfältigen Angebote existieren aber nicht nur, um Schutz und Halt zu geben, sie brechen auch tradierte Rollenbilder auf und stärken den einzelnen Menschen in seinem Lebensentwurf fernab des klassischen Geschlechterbilds.

Wer sich dieser Arbeit entgegenstellt – das haben wir durch Anträge zur radikalen Kürzung oder gar Streichung von Landesmitteln für diese Institutionen gesehen –, wird nie glaubwürdig im Kampf für Gleichstellung

(Glocke der Präsidentin)

und gegen Sexismus sein können.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Staatsministerin Anne Spiegel das Wort.

Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend,

Integration und Verbraucherschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich zitiere, mit Erlaubnis der Präsidentin: „Ich weiß, Du magst es nicht, wenn ich Dich ‚Engelchen‘ nenne.“ Oder: „Gut, dass Sie da sind, könnten Sie bitte den Kaffee auffüllen?“ Oder: „Wenn Du nicht so jung und hübsch wärst, würdest Du schon lange nicht mehr hier arbeiten.“ Oder: „Für eine Frau machst Du das eh ganz gut.“

Meine Damen und Herren, dies alles sind anonymisierte Zitate von betroffenen Frauen, die am Arbeitsplatz von männlichen Kollegen genau so gesagt wurden. Dies sind Beispiele aus den letzten Monaten und Jahren. Traurigerweise ließe sich diese Liste an Beispielen für Sexismus nahezu unendlich fortsetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe die Debatte im Hohen Hause zum Thema „Sexismus“ sehr aufmerksam verfolgt, und ich muss sagen, es war die goldrichtige Entscheidung, dass man sich hier einmal mit dem Thema „Sexismus“ auseinandersetzt; denn eine Fraktion hat sich doch ziemlich abgehoben in der Debatte und klargemacht, dass es umso wichtiger ist, im Jahr 2019 auch hier im Parlament einmal darüber zu sprechen, was Sexismus noch ist, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der AfD)

Wenn hier Menschen von der AfD-Fraktion die ganze Zeit „Und was ist mit den Männern? Und was ist mit den Jungs?“ hereinrufen, dann zeigt mir das einfach, dass es noch einiges zu tun gibt, wenn es um Geschlechterrollen und Stereotype geht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Auch über die wirklich abenteuerliche – danke für den Begriff – Interpretation der Kampagne „LAUT+STARK – Gegen Sexismus“ kann ich nur den Kopf schütteln, wenn ich mir aus Kreisen, die dem rechten Milieu zuzuordnen sind, vorwerfen lassen muss, dass ich eine Rabenmutter sei, weil ich mit vier kleinen Kindern

(Abg. Michael Frisch, AfD: Was?)

ja – Vollzeit in der Politik tätig bin. Ich weiß auch von anderen Kolleginnen und Kollegen, dass das vor allem bei den Kolleginnen nach wie vor ein Thema ist, mit dem sie konfrontiert sind. Ich schaue in einige Gesichter hier im Saal. Hier sitzen viele Mütter, auch von noch relativ jungen Kindern. Es ist nicht in Ordnung, dass wir uns im Jahr 2019 dafür rechtfertigen müssen, dass wir eine Familie und in der Politik auch einen Beruf haben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Sexismus hat viele Formen und geschieht, wenn Frauen in Bemerkungen herabgewürdigt werden, wenn sie auf ihr äußeres Erscheinungsbild reduziert werden durch distanzund respektloser Anmache bis hin zu sexualisierter Gewalt

und Vergewaltigung.

Genau deshalb ist meine Kampagne „LAUT+STARK – Gegen Sexismus“ auch im Jahr 2019 wichtig, weil Sexismus leider nach wie vor ein gesellschaftliches Problem und ein gesellschaftliches Phänomen ist. Genau da setzen wir an.

Warum haben wir diesen Sexismus? Weil wir nach wie vor ungleiche Machtstrukturen zuungunsten der Frauen in unserer Gesellschaft haben. Weil wir Geschlechterrollen haben, die in unserer Gesellschaft stark verfestigt und verankert sind. Weil wir Stereotype haben.

Die Kampagne setzt mit drei Säulen an. Zum einen konnte ich zum Glück Botschafterinnen und Botschafter gewinnen, zum Beispiel aus der Politik; die Ministerpräsidentin ist eine Botschafterin. Wir haben weitere Botschafterinnen, beispielsweise Frau Alushi, eine ehemalige Fußballnationalspielerin, aber auch Frau Dr. Stoll, eine sehr erfolgreiche und gefragte Drehbuchautorin.

Es sind alles Frauen, die in ihrer Rolle als Botschafterin in den unterschiedlichen Bereichen in Kultur, Medien, Sport, Politik und Gesellschaft klarmachen, dass Sexismus im Jahr 2019 in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr haben sollte und es wichtig ist, dagegen aufzustehen und klarzumachen, es ist eben nicht in Ordnung, wenn Sexismus in unserer Gesellschaft passiert.

Das ist eine wichtige Säule, und ich bin sehr dankbar, dass die Botschafterinnen und Botschafter sich in ihren Reden, Statements und Auftritten hier auch klar bekennen und das Wort ergreifen.

Wir haben uns natürlich ein Stück weit die #MeToo-Debatte zu eigen gemacht, eine Debatte, die gezeigt hat, welch enorme Macht entfaltet werden kann, auch global, wenn Frauen – und auch Männer – rund um den Globus aufstehen und sagen, es ist Zeit, Sexismus beim Namen zu nennen, und wenn sich betroffene Frauen zu Wort melden.

Mir ist es wichtig, mit der Kampagne – deswegen heißt sie auch „LAUT+STARK“ – eben nicht nur den Blick für die Frauen in der Opferrolle zu haben, sondern klarzumachen: Wenn wir Sexismus etwas entgegensetzen wollen, brauchen wir natürlich auch die Männer mit im Boot, aber wir brauchen laute und selbstbewusste und mutige Frauen, die aufstehen und klarmachen, wenn so etwas passiert, ist das absolut nicht in Ordnung, und zwar in keinem gesellschaftlichen Bereich, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP sowie der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Die zweite Säule der Kampagne sind der Leitantrag und die diesjährige Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, die GFMK, die letzte Woche in Deidesheim in Rheinland-Pfalz stattfand, und deren Vorsitz ich im Jahr 2019 innehabe.

Der Leitantrag kommt aus der Feder meines Ministeriums. Es geht um den Kampf gegen Sexismus. Wir konnten nicht nur den Leitantrag einstimmig verabschieden, was ein starkes Signal ist, sondern wir konnten auch einstimmig – alle,

gleich welcher politischen Farbe – als Frauenministerinnen und -minister einen Appell unterzeichnen, mit dem wir klarmachen, dass Schluss sein muss mit Sexismus in all seinen Facetten in unserer Gesellschaft und es wichtig ist, dass Menschen auch weit über die Politik hinaus aufstehen und sich für den Kampf gegen Sexismus einsetzen, meine Damen und Herren.

Eine dritte Säule ist der vorhin schon angesprochene Kabinettsbeschluss. Ja, wir haben das ganz bewusst gemacht. Ich bin dem Kabinett sehr dankbar, dass wir in der letzten Woche die Vorlage verabschieden konnten. Worum geht es? Es geht darum, klarzumachen – und da muss man sich auch ehrlich machen –, es gibt keinen Raum, der von Sexismus ausgenommen ist.

Natürlich gibt es auch leider nach wie vor in der Politik Sexismus. Hier wollen wir als Landesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und unsere Strukturen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessern, eine Anlaufstelle schaffen und auch eine kostenlose rechtliche Erstberatung anbieten.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch die Strukturen ausgebaut haben – darauf komme ich gleich noch einmal beim dritten Thema der Aktuellen Debatte –, um den Kampf gegen Gewalt zu verstärken und hier insbesondere die Notruf- und Interventionsstellen im Land zu stärken. Wir haben auch eine weitere Interventionsstelle geöffnet. Das eine tun heißt, das andere nicht lassen. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt.

Frau Demuth, zu Ihrem Hinweis, warum nicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Das ist jetzt ein erster Schritt, den wir letzte Woche im Kabinett beschlossen haben. Ich denke, wenn wir durch die Erprobungsphase hindurch sind, sollte man durchaus darüber nachdenken, inwieweit man das dann noch ausweitet; denn klar ist, jede Frau in Rheinland-Pfalz sollte Anlaufstellen haben und Unterstützung erfahren, wenn sie von Sexismus betroffen ist. Auch darum geht es in der Kampagne. Wir werden diesen Weg entschlossen weitergehen, damit das Phänomen des Sexismus hoffentlich irgendwann der Vergangenheit angehört.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Aufgrund der verlängerten Redezeit der Landesregierung haben die Fraktionen in der zweiten Runde weitere 40 Sekunden zur Verfügung.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Fraktionsvorsitzende Dr. Braun zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Diskussion hier zeigt auch, wie notwendig es ist, dass es solche Kampagnen weiterhin gibt, bis tatsächlich eine Gleichheit

in der Gesellschaft erreicht ist. Es sind viele Beispiele dafür genannt worden, dass diese Gleichheit eben noch nicht da ist.

Ich möchte weitere Beispiele gerade aus der Politik hinzufügen. Wenn Sie sich die Ergebnisse der Kommunalwahlen anschauen, werden Sie sehen, dass trotz aller Debatten und aller Förderung, die wir versuchen, die Anzahl von Frauen und Männern in den Parlamenten noch nicht gleich ist, in den Kommunalparlamenten noch weniger als im Landtag, aber auch weder im Landtag noch im Bundestag. Das alleine zeigt schon, dass es natürlich keine Gleichheit und keine gleiche Machtverteilung zwischen den Geschlechtern gibt.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Es gibt auch keine Gleichheit! – Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Gleichberechtigung!)

Ach herrje, die AfD: „keine Gleichheit, sondern eine Gleichberechtigung“. Aber Sie sind ja auch nicht für die Gleichberechtigung. Dann müssen Sie das nicht monieren, meine Damen und Herren. Sie sind mit Ihren Ansichten – darüber reden wir morgen – in der Zeit der Mittelaltermärkte stehen geblieben.

(Beifall und Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Abg. Uwe Junge, AfD: Mannomann!)

Meine Damen und Herren, es geht darum, dass diese Kampagne einerseits gleiche Möglichkeiten fördern will. Andererseits ist es aber nicht nur die Machtverteilung, sondern tatsächlich auch die Belästigung, die angegangen werden soll. Deswegen braucht es auch die Meldestellen und die Rechtsberatung. Natürlich ist man bzw. ist Frau bei Belästigungen aufgrund des Geschlechts zuerst einmal hilflos. Das ist genau der Sexismus, den wir bekämpfen wollen. Deswegen sind wir dankbar, dass das Kabinett diese Beschlüsse gefasst hat.