Protokoll der Sitzung vom 18.09.2019

Zu viele Ärzte, die in die Versorgung gegangen sind, scheiden sogar relativ früh aus. Das ist schon erstaunlich. Im Jahr 2015 wurde es genau untersucht. 17 % der Ärzte, die vorzeitig wieder aus einer ambulanten Versorgung ausgeschieden sind, sind schon nach 2,9 Jahren herausgegangen.

Auch der Versorgungsumfang der neuen Ärzte liegt deutlich unter dem der ausgeschiedenen Ärzte. Viele Ärztinnen, aber auch Ärzte, arbeiten einfach weniger in den Praxen. Wir können es uns durchaus vorstellen, der Hausarzt nach altem Muster, der fast sieben Tage, 24 Stunden zur Verfügung stand, ist nicht mehr das Idealbild, welches junge Ärztinnen und Ärzte für ihre berufliche Tätigkeit haben.

Das zeigt sich auch in den Zahlen. Lag der Durchschnitt bei den Aussteigern, also denen, die aufgehört haben, noch bei 0,79 Vollzeitäquivalenten, liegt er bei den neuen im Schnitt nur noch bei 0,57 %. Und es sind auch nicht nur

die Ärztinnen, die in Teilzeit gehen. Der Anstieg der Zahl dieser Ärztinnen und Ärzte, die weniger leisten, verläuft bei Männern und Frauen durchaus parallel.

Das größte Problem aber, welches sich uns stellt – das stellt sich in ganz vielen Berufen –, sind die Menschen geburtenstarker Jahrgänge, die natürlich auch als Ärzte tätig sind – die in allen Berufen tätig sind –, und die jetzt schon dabei sind, ihre Praxen zu verlassen, mit Glück mit einem Nachfolger.

Die Zahlen kann man sehr gut im Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung nachlesen. Entscheidend ist natürlich, in welchem Alter Ärzte aufhören. Nun wissen wir, es gibt auch zunehmend Ärzte, die arbeiten, bis sie über 70 Jahre alt sind. Das ist aber die Ausnahme. Mich hat schon ein bisschen dieses Medianalter gewundert, welches festgestellt wurde. Die letzten Zahlen, die uns aus dem Versorgungsatlas vorliegen, betreffen genau die letzten sechs Jahre; er erschien im Jahr 2016, und es sind die Jahre 2010, 2011, 2012 usw. bis 2015.

Bei den Hausärzten lag das mittlere Alter derjenigen, die aufhörten, bei 61 Jahren, bei den Fachärzten bei 59 Jahren. Daraus ergeben sich rein rechnerisch die Zahlen der Stellen, die nachbesetzt werden müssen, um zumindest auf gleichem Stand die Versorgung zu halten. Allein bis 2022 – wir haben ja schon fast Ende des 3. Quartals 2019 – müssten mindestens 1.645 Hausarzt-, 2.007 Facharzt- und 658 Psychotherapeutenstellen nachbesetzt werden. Das sind über 4.300. Das ist dramatisch.

Logisch ist, dass sich diese Situation seither eher noch verschlechtert und verschärft hat. Wir haben die Faktoren vorhin gehört. Es wird hochgerechnet – bundesweit –, dass wir bis 2030 mit einem Nachbesetzungsbedarf von 50 % der heute niedergelassenen Ärzte rechnen müssen. Das sind dramatische Zahlen. Und ich frage mich: Woher nehmen und nicht stehlen?

In einzelnen Regionen, in ländlichen Regionen wird sogar mit bis über 60 % gerechnet, bei mir in der Stadt Andernach mit 68 %, und das ist eine große kreisangehörige Stadt, ein Städtchen mit 30.000 Einwohnern – eine dramatische Entwicklung.

Das heißt, die flächendeckende ärztliche Versorgung für die Menschen in unserem Land ist in den nächsten Jahren in höchstem Maße gefährdet. Es ist die Aufgabe und Pflicht von Ihnen, von dieser Landesregierung, von dieser Ministerin, von diesen Fraktionen, eine gute flächendeckende Versorgung insbesondere mit den so wichtigen Hausärzten sicherzustellen.

(Beifall der CDU)

Dieser Aufgabe sind Sie bisher und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur unzureichend nachgekommen. Auf die ausrechenbaren und absehbaren Probleme in der ärztlichen Versorgung weisen wir Sie seit dem Jahr 2006 in diversen Anfragen und Anträgen hin, aber Sie nehmen die berechtigten Sorgen der Bevölkerung und Ihre Verantwortung als Landesregierung nicht wirklich wahr.

(Beifall bei der CDU)

Um deutlich zu machen, wie Sie die Realität wahrnehmen, muss man nur in Ihre Gesetzesvorlage schauen. Vorneweg kommt die Problembeschreibung. Diese Problemschilderung, in der Sie auch auf diese Faktoren eingehen, schließen Sie mit folgendem Satz: „Trotz der auf Bundes- und Landesebene ergriffenen vielfältigen Maßnahmen ist daher ein Nachbesetzungsbedarf vor allem im ländlichen Raum für die Zukunft nicht auszuschließen.“

Das ist Verharmlosung. Frau Ministerin, dafür gebe ich Ihnen die Note 1. Schlimmer kann man die dramatische Situation nicht verharmlosen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wer verharmlost, reagiert nicht richtig, sondern zu spät, unzureichend und nicht konsequent. Es fängt bei den Studienplätzen an: zu wenige, aufgesattelt 13 %, im Prinzip mit dem vorletzten Semester hochgerechnet. Wir brauchen 200 zusätzliche Studienplätze. Wir haben die Landarztquote, aber nutzen sie nicht aus. Wir hätten die Chance, 10 % einzusetzen. Sie gehen nur auf 6,3 %.

(Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: Nein, das ist falsch!)

Das steht im Gesetz. Dort können Sie nachschauen.

(Glocke der Präsidentin)

Wir haben den Eindruck, dass auch die Umsetzung dieser Landarztquote nicht wirklich darauf abzielt, so schnell wie möglich die jungen Ärztinnen und Ärzte, die sich verpflichtet haben, in die Arbeit, in die unterversorgten Gebiete zu holen, weil Sie die zehn Jahre der Verpflichtung erst zum Ende des Studiums beginnen lassen und das Studium elf Jahre dauert.

(Glocke der Präsidentin)

Das heißt, wir können frühestens 2031 mit den ersten Quotenlandärzten aufgrund Ihres Gesetzes rechnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, – –

Frau Thelen!

Sie nehmen die Sorgen der Menschen in RheinlandPfalz nicht ernst.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Tanja Machalet das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe

Frau Thelen, manchmal habe ich wirklich den Eindruck, dass Sie all die Dinge, die wir in den letzten Jahren im Ausschuss diskutiert und besprochen haben, und selbst die Großen Anfragen, die Sie gestellt haben, nicht gelesen haben,

(Zurufe von der CDU – Abg. Hedi Thelen, CDU: Ich habe das getan!)

sonst würden Sie wissen, welch vielfältiges Maßnahmenbündel, welche vielfältigen Maßnahmen diese Landesregierung in den letzten Jahren – und nicht nur in den letzten zwei Jahren, sondern in den letzten zehn Jahren – ergriffen hat,

(Abg. Matthias Lammert, CDU: Unglaublich!)

um den Fachkräftebedarf im Bereich der medizinischen Versorgung für die Zukunft zu sichern. Das muss man, glaube ich, noch einmal sehr deutlich sagen. Sie haben auch wieder so getan, als würde sich nur die CDU darum bemühen und sich sorgen, wie die Ärzteversorgung im Land aussieht. Mitnichten, und das wissen Sie auch.

Wir waren einige Tage in Kopenhagen und haben uns dort das dänische Gesundheitssystem angeschaut. Ich glaube, dass wir uns alle sehr einig waren, dass das unser drängendstes Problem ist, und auch nicht erst seit gestern. Tun Sie also nicht so, als wären Sie hier die Einzigen, die das Thema interessiert und die sich um dieses Thema kümmern. – Das vorweg.

Ich habe vorhin auf die Uhr geschaut. Ich glaube, Sie haben bis kurz vor Schluss das Wort „Landarztquote“, also worum es eigentlich geht, in keiner Weise erwähnt. Sie haben eine Zahlenanalyse gebracht; das ist auch gut so, dann brauche ich das nicht zu machen. Aber es wäre schon schön gewesen, wenn Sie ein bisschen mehr zu dem Gesetz gesagt hätten.

Ich habe es schon in der ersten Lesung gesagt, wir waren uns ja gerade, was das Thema der Landarztquote angeht, relativ schnell einig, dass wir sie wollen und brauchen. Und wir haben es ja auch in einigen Anhörungen gehabt. Ich erinnere mich immer noch gerne an den Auftritt von Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister in NordrheinWestfalen. Das war sicherlich ein Highlight auch für die Anhörungserfahrenen unter uns. Ich denke, das war schon ganz spannend, und ich war froh, dass wir bei dem Thema relativ schnell einig waren.

Ich muss noch einmal betonen, auch unsere Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler hat sich schon sehr früh sehr offen dafür gezeigt, die Quote in RheinlandPfalz einzuführen. Ich bin wirklich froh, dass wir heute als zweites Bundesland nach Nordrhein-Westfalen die Landarztquote für Rheinland-Pfalz beschließen und damit jungen Menschen die Möglichkeit eröffnen, einen bevorzugten Zugang zum Medizinstudium zu erhalten, wenn sie sich verpflichten, mindestens zehn Jahre als Allgemeinmedizinerin oder Allgemeinmediziner in einem unterversorgten Gebiet zu praktizieren.

Sie sind auf das Thema der Quote eingegangen. Ja, wir

haben gesagt, bis zu 10 %. Und ja – ich habe das in der letzten Sitzung schon gesagt –, auch wir waren natürlich etwas überrascht, dass im Gesetzentwurf jetzt „nur“ 6,3 % stehen. Aber man muss natürlich berücksichtigen, dass es schon andere Vorwegabzugsquoten gibt, die derzeit rein rechtlich mehr leider nicht zulassen. Auch das ist die Wahrheit, und es stimmt eben nicht, was Sie vorhin gesagt haben.

Was ich für die Allgemeinmedizin gesagt habe: Gleiches gilt natürlich – auch das ist Inhalt des Gesetzes – für die Quote im Öffentlichen Gesundheitsdienst.

Und ja, auch das ist richtig: Wie notwendig die Quote ist, ist mir gerade wieder an zwei Beispielen deutlich geworden. In meiner Region schließt ein Medizinisches Versorgungszentrum, weil es trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist, die Stelle zu besetzen. Auf der anderen Seite hört man dann aber von einer jungen Frau, die Medizin studieren möchte und trotz einem Abitur von 0,8 keinen Studienplatz bekommt, aber gerne bereit wäre, auf dem Land zu praktizieren. Genau deswegen ist es richtig, dass wir die Landarztquote einführen und die Möglichkeit schaffen, mit anderen Qualifikationen und mit der Verpflichtung, zehn Jahre auf dem Land zu praktizieren, einen Studienplatz zu bekommen.

Ich wollte eigentlich auch noch einmal auf das eingehen, was wir im Ausschuss diskutiert haben. Da ging es ja nicht so sehr um das Gesetz an sich, sondern vor allem um die Rechtsverordnung. Da gab es den einen oder anderen Knackpunkt – der Kollege Gensch ist heute leider nicht da –, auch das Thema, ob man nicht möglicherweise Ausbildungszeiten in den allgemeinmedizinischen Praxen auf dem Land auf die zehn Jahre anrechnet. Das war ein Vorschlag. Natürlich kann man darüber diskutieren. Ich denke allerdings, dass es kein gangbarer Weg ist, weil wir diese zehn Jahre natürlich für die Planungssicherheit vor allem der Patientinnen und Patienten brauchen.

Ein anderer Punkt war das Thema, dass Studierende so früh wie möglich mit ihrem künftigen Arbeitsort in Kontakt gebracht werden. Ja, in der Rechtsverordnung ist vorgesehen, dass das vier Jahre nach Aufnahme der Weiterbildung erfolgen soll. Das ist zu spät. Aber ich sehe durchaus schon Signale, dass es an dieser Stelle zu Änderungen kommen wird, weil die Datenlage der Kassenärztlichen Vereinigungen es hergibt, dass die unterversorgten Orte schon frühzeitig feststehen.

Auch das Thema der Staffelung der Vertragsstrafen, so wie es in der Verordnung vorgesehen ist, war Thema.

(Glocke der Präsidentin)

Auch da kann man sicherlich noch an der einen oder anderen Stelle nachjustieren. Nichtsdestotrotz bin ich sicher, dass das Gesetz als weiterer Baustein zur Sicherstellung der allgemeinmedizinischen Versorgung ein gutes ist, ein Baustein unserer Landarztoffensive. Ich bin mir auch sicher, dass wir uns an dieser Stelle nicht um Bewerbermangel sorgen müssen. Ich freue mich jedenfalls darauf, dass es jetzt endlich umgesetzt wird.

Ich möchte abschließend dem Ministerium danken, aber

ich möchte auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Glocke der Präsidentin)

für die konstruktive Debatte danken.