Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Das Gesetz wurde mit einer überwältigen Zustimmung der Abgeordneten aller Fraktionen beschlossen. Es ist – das wurde bereits gesagt, das möchte ich auch noch einmal unterstreichen – ein Meilenstein für die Frauenpolitik in Deutschland, für die Frauenpolitik in Rheinland-Pfalz und für die Frauenbewegung, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Es gibt nun den neuen Grundtatbestand § 177 Strafgesetzbuch, bei dem es alleine auf den Willen des Opfers ankommt.

Was ist neu am Gesetz? Künftig ist nicht mehr nur strafbar, wer sexuelle Handlungen mit Gewalt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwingt. Das ist ein wichtiger, längst überfälliger Schritt.

Künftig gilt auch als Vergewaltigung, wenn sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt.

Ich möchte auch darauf hinweisen – das wurde von meinen Vorrednerinnen ebenfalls in Teilen erwähnt –, dass auch Grapschen in Zukunft unter Strafe gestellt ist. Meine Damen und Herren, auch dieser Schritt ist längst überfällig, und er stärkt an dieser Stelle endlich das Selbstbestimmungsrecht von Mädchen und Frauen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Auch die Istanbul-Konvention verlangt, dass alle nicht einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe stehen müssen. Es geht um den umfassenden Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Dieser Schutz ist ein sehr hohes Gut.

Die Landesregierung begrüßt deshalb ausdrücklich, dass diese Gesetzeslücke nun geschlossen wurde. Meine Damen und Herren, das Gesetz ist ein Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht, der längst überfällig war.

Ich möchte ebenfalls noch einmal betonen, es ist besonders den Frauenverbänden zu verdanken, dem Bundesverband der Frauenberatungsstellen, den Frauennotrufen, die eine eigene Kampagne auf die Beine gestellt haben, dem Frauenrat, den Frauenhauskoordinierungsstellen, aber auch den weiblichen Abgeordneten in den Fraktionen und den vielen Frauen in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz, die für diesen Schritt und diese Schließung der Gesetzeslücke jahrelang gekämpft haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Sexualisierte Gewalt kommt leider täglich vor. In Deutschland hat etwa jede siebte Frau mindestens einmal in ihrem

Leben schwere sexuelle Gewalt erlebt. Das ist eine Statistik, die sehr schwierig ist und uns auf jeden Fall an dieser Stelle auffordern sollte, weiter dafür zu kämpfen, dass wir alle in dieser Gesellschaft das Thema enttabuisieren und wir dafür stehen, dass Gewalt an Frauen ein Thema ist, das alle angeht und das nicht stattfinden darf, nicht im engen sozialen Umfeld, nicht von Angehörigen und auch nicht von Bekannten und auch nirgendwo in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Sie betrifft Frauen aus allen Schichten, unabhängig von ethnischer Herkunft, sozialer Lage, Alter und Bildungsstand. Sexuelle Gewalt ist immer eine schwere Straftat, ungeachtet der Herkunft, des Alters oder der sozialen Schicht der Täter. Im Unterschied zu psychischer oder körperlicher Gewalt ist sexualisierte Gewalt noch immer tabuisiert, und die Opfer werden oftmals stigmatisiert. Das Sprechen darüber fällt den Opfern schwer und verhindert, dass sie sich Hilfe holen, die Tat anzeigen oder vor Gericht gegen den Täter aussagen.

Entsprechend groß ist das Dunkelfeld bei Vergewaltigungen, vor allem, wenn sie durch Beziehungspartner oder im engen sozialen Umfeld geschehen.

Schätzungen gehen davon aus, dass 85 % bis 95 % der erlebten Vergewaltigungen nicht angezeigt werden. Jedes Jahr werden etwa 8.000 Vergewaltigungen und sexuelle Nötigung bundesweit angezeigt. In weniger als 10 % der Fälle werden die Täter verurteilt. Das macht den Betroffenen nicht viel Mut, gegen die Täter vorzugehen.

Ich hoffe, dass das neue Sexualstrafrecht den Betroffenen auch mehr Mut macht, Anzeige zu erstatten, und auch erfolgreicher bei der Verurteilung der Täter ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nein zu Gewalt heißt auch Gewaltschutz. Deswegen freue ich mich, dass es im Rahmen des rheinland-pfälzischen Interventionsprojektes RIGG gelungen ist, eine stabile Vernetzung und Abstimmung zwischen den Beratungs- und Zufluchtseinrichtungen für Frauen, den Täterarbeitseinrichtungen und den staatlichen Stellen wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendämtern und Familiengerichten zu entwickeln.

Es ist mir ein Anliegen, bei RIGG die neuen Interventionsansätze, die in den Fachgruppen entwickelt wurden, auch umzusetzen.

Ich möchte mich ebenfalls an dieser Stelle noch einmal für die Arbeit der vielen Notrufe, Interventionsstellen und Frauenhäuser hier in Rheinland-Pfalz bedanken, die den Frauen in dieser furchtbaren traumatischen Situation beistehen, die ihnen zur Seite stehen, sie unterstützen und begleiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, das neue Sexualstrafrecht ist für mich ein deutliches Signal, dass wir uns weiterhin mit großem Engagement gegen Gewalt an Frauen einsetzen müssen. Eine klare Haltung gegen Gewalt an Frauen sollte auch bei allen Männern zum Ausdruck kommen, egal ob im privaten oder im öffentlichen Raum. Gewalt an Frauen muss immer entschieden entgegengetreten werden. Dafür werde ich mich als Frauenministerin weiter vehement einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich eröffne jetzt die zweite Runde und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Blatzheim-Roegler. Bitte schön.

Vielen Dank.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was die Kollegin der AfD eben hier eingebracht hat, war schon ziemlich abstrus. Den Gedanken zu haben, jetzt eine Änderung des Gesetzes und des gemeinsamen Sagens „Nein heißt Nein“, wenn es zu sexuellen Übergriffen kommt, allein auf Ereignisse von vor drei Monaten abzustellen, entbehrt jeder Realität. Das sage ich Ihnen als jemand, der in den 70er- und 80er-Jahren mit der lila Latzhose für die Frauenbewegung gekämpft hat.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Schon damals war es ein Ziel, dieses „Nein heißt Nein“ in der Gesellschaft zum Konsens zu machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Damit müssen Sie mir also echt nicht kommen.

Zwei Sätze noch. Es kam von der CDU, dass die Grünen im Bundestag nicht dem ganzen Gesetz zugestimmt haben. Dies vielleicht als Hintergrund: Diesen Gruppenantrag verstehe ich bis heute nicht, weil wenn aus einer Gruppe heraus kriminelle Handlungen vollbracht werden, gibt es jetzt schon einen Paragrafen. Der heißt nämlich „unterlassene Hilfeleistung“. Sie können nicht einfach in einer Gruppe dastehen und zusehen, wie einer dem anderen etwas tut, sage ich jetzt mal.

Die andere Änderung, die sich auf Asylbewerber bezog, ist am 4. Juli, drei Tage vor der Befassung mit dem Gesetz, noch irgendwie völlig aus dem Off gekommen. Deswegen fand ich die Entscheidung unserer Fraktion und auch der Fraktion DIE LINKE folgerichtig, sich bei den Punkten zu enthalten.

Aber – das habe ich ganz am Anfang gesagt – ich wollte heute hier herausheben, wir wollten heute hier heraushe

ben, was für eine gute und wirklich super Errungenschaft es ist, dass wir bei „Nein heißt Nein“ einen Konsens haben. Wenn das nicht alle nachvollziehen können – aus der Fraktion der AfD habe ich das so herausgehört –, dann ist das vielleicht damit zu erklären, dass in Ihrer Partei die Sache halt so gesehen wird – ich zitiere jetzt Beatrix von Storch –:

(Glocke des Präsidenten!)

Ehemänner müssen jetzt beim Sex die Ohren spitzen. Ein überhörtes Nein kann sie zum Vergewaltiger machen. – Da sage ich ganz klar:

(Glocke des Präsidenten)

Das ist keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Thematik.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Als Nächste hat Frau Dr. Ganster für die Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön. Zwei Minuten!

Vielen Dank.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vorhin, glaube ich, sehr differenziert dargestellt, dass es sich um verschiedene Dinge handelt, über die wir heute sprechen. Ich glaube, Konsens – zumindest bei uns, wenn ich in diese Richtung schaue – war „Nein heißt Nein“. Es ist gut so, dass wir das jetzt im Gesetz stehen haben. Absolut d’accord.

Dann haben wir aber – das ist auch Inhalt der Gesetzesänderung – diesen neuen Gruppentatbestand. Den gab es vor der Silvesternacht auch schon. Wenn man sich an Szenen im Karneval zurückerinnert und selbst vielleicht einmal erlebt hat, dass man angefasst worden ist, obwohl man es gerade nicht wollte, oder dass man auch einmal in einer Disco von mehreren Männern angetanzt wird, bei denen die Finger irgendwohin wandern, sind das Tatbestände als Tat in einer Gruppe. Das haben wir leider in der Silvesternacht noch einmal in einer ganz neuen Dimension in einer verabredeten Form erlebt.

Das Gesetz und alle Änderungen, die wir heute darin haben, sind also schon lange, schon einige Jahre diskutiert worden. Es ist schon seit einigen Jahren dokumentiert, dass es hier eine Gesetzesreform braucht. Genau darüber sprechen wir. Auch in dieser Differenziertheit ist es ganz wichtig zu sagen „Nein heißt Nein“, da besteht der Konsens.

Bei der Abstimmung über das gesamte Gesetz konnten dann leider DIE LINKE und Grüne wegen des Tatbestands der Gruppentäterschaft nicht mitgehen. Ich denke, diese Differenzierung müssen wir hier festhalten.

Darüber hinaus müssen wir festhalten, egal wer, ob ein Einzelner oder mehrere, wenn sie mit solchen Handlungen, mit sexuellen Übergriffen Frauen, Mädchen oder auch Jungs belästigen, dass das nicht in Ordnung ist. Das ist für uns als CDU an diesem Tag entscheidend.