Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

deutlich angestiegen ist. Es sind dann immer wieder einzelne größere Ereignisse wie zum Beispiel tagesaktuell der Polizeieinsatz in der Rigaer Straße in Berlin – hier waren auch rheinland-pfälzische Polizisten zur Unterstützung eingesetzt –, die uns das linke Spektrum der Gewalt vor Augen führen.

Trotzdem steht die extreme Linke weit weniger im Fokus von Politik, Wissenschaft und der Öffentlichkeit. Dies kann durchaus beunruhigen, weil es dazu führt, dass Linksextreme immer weiter der Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes entrücken und es so immer weniger Erkenntnisse zu deren Ideologien und Strukturen gibt.

Wenn wir uns beim Blick auf die Bundesebene bewegen – greifen wir uns einmal die Körperverletzungsdelikte heraus –, sind wir im Bereich der Rechten bei 1.177 Körperverletzungen und im Bereich der politisch motivierten Kriminalität links sogar bei 1.354 Fällen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall der AfD)

Dann sehen wir schon, dass es ein ausgeglichenes bzw. ein Verhältnis ist, das eher zu Links tendiert.

Während im Bereich Rechts vor allem die fremdenfeindlichen Übergriffe angestiegen sind, sind im Bereich Links neben den Angriffen auf die Rechten aber vor allem die konfrontativen Gewalttaten gegenüber den Polizeibeamten angestiegen.

(Beifall bei CDU und AfD – Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Jetzt frage ich Sie aber: Spielt es in der Bewertung tatsächlich eine Rolle, ob ein Ausländer von einem Nazi verprügelt wird oder ob ein Polizist von einem Linksextremisten niedergeschlagen wird? Ich glaube, das sollte in der Bewertung keine Rolle spielen.

(Beifall bei CDU und AfD)

Beides ist für unseren Rechtsstaat in keiner Weise zu dulden. Wir müssen zum einen die Schwächeren schützen, die das nicht selbst können, zum anderen sind wir aber genauso verpflichtet, die zu schützen, die uns schützen.

Warum sind die Zahlen auf Bundesebene für uns überhaupt so interessant, werden Sie vielleicht fragen. Bei den Straftaten, die von Extremen im Umfeld von Demonstrationen begangen werden – und hier ziehen sich Rechte und Linke immer gegenseitig an, wenn größere Demonstrationen stattfinden –, erkennt man, dass die Täter oft von sehr weit angereist kommen.

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Sehr richtig!)

Ich erinnere an die Demonstrationen gegen verschiedene Gipfel in Deutschland, bei der EZB-Eröffnung in Frankfurt im März 2015, bei denen die Täter aus ganz Europa angereist waren. Die jährlichen Demonstrationen in Berlin zum 1. Mai sind uns allen bekannt. Sie zeigen uns jedes Jahr ein Abbild dieser linksextremen Gewalt.

Glauben Sie mir, es ist ein verdammt bescheidenes Gefühl, wenn Vermummte auf Sie zurennen, in Ihnen den Staat als personifizierten Feind erkennen, mit Steinen werfen und brennende Barrikaden errichten. Ich habe das mehrfach am eigenen Leib erlebt.

Die Polizisten in unserem Land stehen für das Recht und die Ordnung ein. Da ist es vollkommen unerheblich, von welcher Seite diese Angriffe kommen.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Die traurige Erfahrung der Realität zeigt uns aber – und ich weiß wirklich, wovon ich spreche –, dass es gerade die linksextreme Gewalt ist, die im Zusammenhang mit Demonstrationen oft ausufert. Diese Erfahrung ist es, die dazu führen muss, dass beide Formen der politisch motivierten Kriminalität, sowohl die linke als auch die rechte, gleichwertig behandelt und beobachtet werden müssen.

Weil wir in diesem Bereich oftmals lose Strukturen vorfinden – und um diese losen Strukturen aufzudecken und erkennen zu können und am Ende dann überhaupt strafverfolgen zu können –, macht es das umso wichtiger, dass die Verfassungsschutzorgane der Länder durch die Beobachtung, aber auch durch den Austausch miteinander arbeiten.

Nur so kann dann später ein Versagen der Politik wie im Fall Berlin – und ich möchte sagen, dass das hier fast uneinholbar geschehen ist – bereits in den Anfängen vermieden werden. Dort gelingt es nämlich seit Jahren nicht mehr, die Konflikte um Sicherheit und Gewalt zu befrieden. Das hat sicherlich auch zum großen Teil seine Ursache in der mangelnden konsequenten Auseinandersetzung mit dem linksextremen Spektrum.

(Glocke des Präsidenten)

Ich sage es noch einmal ganz kurz zusammenfassend: Es darf keine Unterscheidung in schlechte und weniger schlechte politisch motivierte Kriminalität geben. Es darf also auch in der Beobachtung des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes keine Unterschiede zwischen der linken und der rechten Beobachtung gemacht werden.

(Anhaltend Beifall der CDU und der AfD – Abg. Julia Klöckner, CDU: Sehr gut!)

Als Nächstes hat Frau Kollegin Becker von der Fraktion der FDP das Wort. Bitte schön, Frau Becker.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn eine grundsätzliche Bemerkung machen: Selbstverständlich sind Extremismus und Gewalt grundsätzlich abzulehnen. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob Extremismus von links, rechts oder religiösen Fundamentalisten ausgeht. Extremismus ist insgesamt schlicht abzulehnen.

Gewalt und strafrechtlich relevantes Verhalten haben im demokratischen pluralistischen Diskurs einfach keinen Platz. Wir müssen deshalb alles dafür tun, dass Extremismus präventiv verhindert wird und Straftaten konsequent aufgeklärt und verfolgt werden. Ich habe dabei ein hohes Vertrauen in die Polizei und die Justizbehörden.

Nun zu Ihnen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der AfD: Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie den Menschen im Land Sand in die Augen streuen wollen. Sie verzerren einfach die Realitäten.

Dem aktuellen Verfassungsschutzbericht – wir haben es schon mehrfach gehört – ist zu entnehmen, dass es im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz 73 Straftaten gegeben hat, die dem linksextremen Spektrum zuzuordnen sind. Jede einzelne dieser Taten ist zu viel und gehört verfolgt. Das steht völlig außer Frage.

Auf der anderen Seite ist dem Bericht des Verfassungsschutzes aber auch zu entnehmen, dass im Jahr 2015 701 Straftaten auf das Konto von Rechtsextremen gegangen sind. Das ist ein Anstieg von 35 % im Vergleich zum Jahr 2014. Zu diesen erschreckenden Zahlen sagen Sie gar nichts.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie werden ja auch ausführlich erwähnt!)

Dabei sprechen die Relationen eine klare Sprache.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde Ihnen deshalb wirklich empfehlen, den Bericht des Verfassungsschutzes noch einmal genau zu lesen und sich mit den Realitäten des politisch motivierten Extremismus in Rheinland-Pfalz vertraut zu machen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Die sehen wir!)

Ich sage zum Schluss einen Satz: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Sie das Thema Extremismus ansprechen und aus dem Bericht des Verfassungsschutzes zitieren,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ja!)

in dem Teile Ihrer Partei im kommenden Jahr ebenfalls Erwähnung finden können.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Werden wir sehen!)

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächstes hat der Abgeordnete Herr Dr. Braun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Braun.

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist nun schon gesagt worden, dass Straftaten Straftaten sind, egal aus welcher Motivation heraus sie begangen werden, egal ob aus linker oder aus rechter Motivation heraus. Wir sind der Auffassung – und dazu bekennen wir uns in diesem Parlament und natürlich auch als Partei –, politische Auseinandersetzungen dürfen nicht mit Gewalt geführt werden, egal von welcher Seite, egal wo, egal wie. Sie sind in den Auseinandersetzungen im Parlament, in der Diskussion zu führen und darüber hinaus nicht.

Deswegen ist auch hier, wenn man eine Debatte zwischen Links- und Rechtsextremismus führt, zu sagen, beide extremistische Richtungen bzw. natürlich auch der religiöse Extremismus werden von uns aufs Schärfste verurteilt. Wir sind für parlamentarische Demokratie, und deswegen werden die Debatten in Parlamenten und mit Worten geführt, und nicht mit kriminellen Taten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund übernimmt den Vorsitz)

Die Diskussion zeigt allerdings doch, dass die AfD, die diese Aktuelle Debatte beantragt hat – Frau Becker hat es schon gesagt –, ein etwas schräges Bild der Wirklichkeit zeichnet.

Ich habe noch einmal gegoogelt, welche Rigaer Straße es in Mainz gibt. Ich habe sie nicht gefunden. Sie kommen mit der Debatte, die in Berlin geführt wird. Natürlich kann man das hier auch einmal als Beispiel nehmen.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Sie haben versäumt, auf Rheinland-Pfalz zu kommen. Sie haben angekündigt, Sie kommen auf Rheinland-Pfalz.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Ich komme!)

Wenn Sie das sehen, was der Verfassungsschutzbericht über Rheinland-Pfalz sagt, dann sind nicht die Seiten ausschlaggebend, Herr Herber.

Es ist klar, es ist ausschlaggebend, was an Taten drinsteht. Wenn Sie 700 Taten der rechtsextremen Szene und 70 Taten der linksextremen Szene haben, dann wäre es seltsam, wenn wir gleich viel Platz im Verfassungsschutzbericht darauf verwenden würden, weil auch die Taten und die Art der Taten aufgezählt werden. Deswegen ist es richtig, dass über den Rechtsextremismus umfangreicher in Rheinland-Pfalz berichtet wird, weil die Straftaten des Rechtsextremismus umfangreicher sind als die des Linksextremismus.

Herr Herber, wenn es anders herum ist, dann steht auch im Verfassungsschutzbericht – darauf können Sie sich verlassen – mehr über Linksextremismus als über Rechtsextremismus. Aber im Moment ist das Problem in RheinlandPfalz doch eher der Rechtsextremismus. Beide haben wir verurteilt, aber es ist klar, dass die Straftaten des Rechtsextremismus in der absoluten Zahl in einem Jahr mehr