Nicht ein einziger Muslim hat an der Veranstaltung des Innenministeriums und der Staatskanzlei zum Präventionstag gegen Antisemitismus teilgenommen. Nicht einer!
Frau Ministerpräsidentin, vielen Dank für Ihre Worte. Herr Minister, Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Meine Damen und Herren, das sind Worte, die im Jahr 2017 in diesem Raum gesprochen wurden, um genau zu sein, am 27. Januar. Gesagt hat sie Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas e. V., in unserer Gedenksitzung für die Opfer des Nationalsozialismus. „Nie wieder das Menschenrecht so verletzen lassen“, sagte Lea Rosh.
Meine Damen und Herren, in unserem Land wurde Menschenrecht verletzt. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von den Vereinten Nationen verkündet wurde, findet sich die Religionsfreiheit.
Die schrecklichen Ereignisse aus Halle zeigen uns, dass es in diesem Land Menschen gibt, die sich radikalisieren und die politisch und gesellschaftlich in ganz extreme Bereiche abrutschen und bereit sind, einen antisemitisch motivierten Anschlag live im Internet zu übertragen. Wir Freien Demokraten sind darüber schockiert, verurteilen diese Tat aufs Schärfste und sprechen den Angehörigen der Menschen, die nur zufällig Opfer geworden sind, unser Mitgefühl aus.
Meine Damen und Herren, jüdisches Leben ist Teil unseres Alltags und damit auch Teil unserer Nachbarschaft. Ich bin unglaublich froh, dass es so ist.
Als ich in Mainz zur Welt kam, hatten die Nazis jüdisches Leben endgültig auslöschen wollen. Umso dankbarer bin ich, dass es im vergangenen Jahr für die Jüdische Gemeinde eine Selbstverständlichkeit war, meine Fraktion und mich in der neuen Synagoge unweit unseres Plenarsaals zu empfangen. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass dieser Besuch in mir ein beklemmendes Gefühl ausgelöst hat.
Immer wieder und gerade bei solchen Besuchen wird uns bewusst, dass jüdisches Leben noch heute nur unter besonderem Schutz möglich ist. Ich schäme mich für diese Situation, die einem Land, das so selbstbewusst seine europäischen Werte demonstriert, nicht würdig ist.
Wir alle sind zu mehr Solidarität mit den jüdischen Gemeinden in unserem Land aufgefordert. Es geht um die Freiheit aller Menschen in diesem Land.
„Nie wieder wegsehen“, sagte Lea Rosh. Meine Damen und Herren, das ist ein Auftrag zu konsequentem Handeln gegenüber Antisemitismus, mit welchem Hintergrund auch immer, ob aus extremer politischer Ideologie, extremer religiöser Motivation oder durch krude Verschwörungstheorien angetrieben. Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.
Im konkreten Fall von Halle müssen wir genau hinsehen. Aus dem mutmaßlichen Täter sprach die Art von Hass und eine menschenfeindliche rechtsextreme Argumentation, die wir bereits aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert kannten. Diese hat damals den Antisemitismus salonfähig und die Machtergreifung der Nazis möglich gemacht. Dieses Denken ist leider Gottes noch unter uns, und dagegen müssen wir mit aller Entschiedenheit vorgehen.
Ich bin sicher, dass auch die rheinland-pfälzischen Behörden aus diesem Fall ihre Schlüsse ziehen werden und
Wie Lea Rosh sagte: „Nie wieder Hass gegen irgendwelche Minderheiten dulden. Sich immer vorstellen, man ist auf der Seite der Verlierer, nicht der Gewinner“. Viel zu oft nehmen wir es als Selbstverständlichkeit, dass wir in diesem Land in Frieden und Freiheit leben können. Für die vielen Jüdinnen und Juden in diesem Land ist es nicht so. Polizeischutz gehört für sie zum Alltag.
Und weil ich nicht zwischen dem Leben von uns und jüdischem Leben unterscheide, sondern weil jüdisches Leben Teil von uns ist, bin ich der Ansicht, dass wir alle in Verantwortung stehen, ohne Ausnahme.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, meine Damen und Herren! Wir stehen hier in tiefer Trauer und in großer Scham, dass das, was passiert ist, in Deutschland nach dem Jahr 1945 noch einmal passieren konnte. Ich hatte gehofft, dass es in meiner Lebenszeit nicht dazu kommen muss, dass ich hier in einem Parlament Deutschlands stehen und darüber reden muss, dass ein rechtsterroristisches Attentat irgendwo in Deutschland geschehen ist, und wir wieder einmal hier stehen und sagen müssen, Antisemitismus ist kein Teil unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, das ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist traurig, dass wir das tun müssen, und es erfüllt mich tatsächlich mit Scham, dass wir hier stehen müssen, und es erfüllt mich auch mit Scham, dass wir hier in nicht so großer Einigkeit stehen, wie ich es gedacht und erhofft hätte.
Auf das Attentat in Halle kann man verschieden reagieren. Man kann mit Trauer reagieren, man kann mit Wut reagieren, man kann mit Verzweiflung reagieren. Dass sich Menschen jüdischen Glaubens – das ist schon des Öfteren
hier gesagt worden – in Deutschland nicht frei bewegen können, dass sie Angst haben müssen, das ist für diese Gesellschaft nicht erträglich. Das wird diese Gesellschaft nicht auf die Dauer aushalten. Deswegen müssen wir alles, aber auch wirklich alles tun, damit das nicht zum Alltag wird, dass dies vielleicht eine einzelne Tat war, aber dass es nicht zu weiteren Taten kommen kann.
Dazu gehört es, dass wir einerseits natürlich die jüdischen Einrichtungen schützen, und das tut die Landesregierung mit all ihren Möglichkeiten und mit der Art und Weise, die geboten ist.
Aber wir müssen dafür kämpfen, dass Menschen nicht nur geschützt werden, sondern sie irgendwann einmal ohne Schutz auf die Straße gehen und frei sein können.
Dieses Land, diese Bundesreplik Deutschland, mein Land, meine Heimat, für das ich kämpfen werde, hat die Freiheit an oberste Stelle gesetzt, die Freiheit vor Angst, vor Verfolgung sowie die Sicherheit gegenüber dem Staat und Attentaten. Nur wenn man frei ist, kann man frei denken. Nur wenn man nicht bedroht wird, kann man Demokratie leben, meine Damen und Herren.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP, bei der CDU und des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)
Ich möchte, damit es nicht zu falschen Interpretationen kommt, dazu sagen – das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber man muss es sagen –, natürlich geht es nicht nur um den Rechtsterrorismus. Es geht um Antisemitismus in allen Schattierungen. Natürlich ist der vonseiten der Palästinenser und der Muslime kein zu rechtfertigender Antisemitismus. Das ist vollkommen klar. Das wird alles von uns verurteilt. Ich glaube, es ist falsch, wenn darüber eine Diskussion entsteht, die Sie, Herr Dr. Böhme, hier entstehen lassen wollten, dass es Antisemitismus nur von einer Seite gäbe, die zu verurteilen ist, und von der anderen nicht.