Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

Natürlich fällt es ins Auge, wenn die Bäuerinnen und Bauern dann mit großen Traktoren demonstrieren.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das stimmt, da hat sie recht!)

Sie haben das Recht dazu, und sie haben auch das Recht, sich gegen das, was hier als „Bauernbashing“ bezeichnet wird, zu wehren.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das finde ich gut, dass Ihr das so seht!)

Wir beobachten auch in Rheinland-Pfalz, dass die Schwierigkeiten für die Bäuerinnen und Bauern zunehmen. Sie haben eben auch vom Flächenverlust gesprochen. Da muss man ganz klar sagen: Natürlich ist jedes Infrastrukturprojekt, das durch die Landschaft gehauen wird – ich bin der CDU übrigens jetzt schon dankbar für ihre Aktuelle Debatte morgen zur Hochmoselbrücke, muss ich jetzt einmal sagen –,

(Abg. Martin Brandl, CDU: Warten Sie einmal ab, was wir dann sagen!)

genau solch ein Beispiel. Wie viel an Flächenverlust dieses enorme Bauwerk gekostet hat mit all den Anbindungen, plus Ausgleichsflächen, ist beispielslos.

Man muss sich auch einmal überlegen, inwiefern man etwas Gutes für die Bäuerinnen und Bauern tut, wenn man solche Straßenschneisen in eine Landschaft hackt, die wirklich gerade im Wittlicher Tal eine enorme Fruchtbarkeit hat, und die Bäuerinnen und Bauern dann alleinlässt.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Windkraft sage ich nur! – Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Ich stimme denjenigen zu, die sagen, dass wir in Rheinland-Pfalz eine moderne und bäuerliche Landwirtschaft brauchen – die haben wir jetzt –, wir sie weiter schützen und

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

konkrete Maßnahmen gemeinsam umsetzen müssen. Unsere Landwirtschaft braucht Rahmenbedingungen, genauso wie wir eine funktionierende Landwirtschaft brauchen. Wir brauchen gesunde und nährstoffreiche Lebensmittel. Genauso braucht die Landwirtschaft auch in Zukunft gesunde Böden.

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass ein Weg gegangen werden muss, der diese Ziele realisiert.

Lassen Sie mich ein paar Fakten zur Einordnung nennen, wo wir heute stehen und wo wir herkommen. Die landwirtschaftliche Fläche ist in Rheinland-Pfalz seit 1990 in etwa konstant, mit einer sehr leichten Abnahme der Fläche. Gleichzeitig haben wir heute mit 17.100 Betrieben nur noch etwa ein Drittel der Betriebe, die wir 1990 hatten.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist das!)

Ein sehr geringer Flächenverlust unter dem Strich, aber ein echtes Höfesterben. Dieses Höfesterben ist leider kein neuer Effekt. Wenn man sich einmal die Zahlen zwischen 1960 und 1990 anschaut, dann gaben in diesem Zeitraum deutlich mehr Landwirte auf, als es relativ gleichmäßig über die letzten Jahre geschehen ist. Es sind, das will ich auch noch einmal betonen, also nicht die angeblich zu hohen Umweltauflagen oder die steigende Bürokratie per se, die zum Höfesterben führen, wenn man sich auch einmal die Zahlen aus den Jahren vor 1990 ansieht.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz.)

Wir erreichen mit der bäuerlichen Landwirtschaft, wie wir sie hier haben und erhalten wollen, einen sehr hohen Selbstversorgungsgrad. Auch der hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren wenig verändert und liegt derzeit bei 90 %, was im europäischen Vergleich sehr gut ist. Wir können uns, wenn wir das wollen und es uns das wert ist, auch in Zukunft sehr gut mit regionalen Lebensmitteln versorgen. Das sollten wir auch tun; denn es ist genau das, was die Verbraucherinnen und Verbraucher heute nachfragen: regionale und gesunde Lebensmittel.

Da hat die Bundesregierung sehr lange gezögert, nur ein Schrittchen darauf zuzutun. Insofern ist das, was jetzt verabschiedet worden ist, immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, wenn auch sehr gemächlich.

Das muss man hier auch konstatieren; denn immer mehr Menschen fragen nach tiergerecht produzierten Lebensmitteln und nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln. Das können gerade Betriebe, wie wir sie in Rheinland-Pfalz haben – keine massenindustriellen Betriebe –, leisten.

Aber auch mehr als zwei Drittel, im Verhältnis zu vorherigen Jahren,

(Glocke der Präsidentin)

entscheiden sich für Bio-Lebensmittel, für eine bessere Tierhaltung und wollen eben auch aus diesen Gründen die Vorteile dieser Wirtschaftsform weiter stützen.

In der zweiten Runde komme ich noch zu den konkreten Maßnahmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Staatsminister Dr. Wissing das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grünen Kreuze, die die Landwirtinnen und Landwirte aufstellen, sind Ausdruck blanker Existenzangst, und wir sollten das sehr, sehr ernst nehmen. Es ist ein Hilferuf an die Politik und an die Öffentlichkeit aus dem ländlichen Raum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele bäuerliche Familienbetriebe haben Angst um ihre wirtschaftliche Existenz. Sie haben Angst um ihre Zukunft. Allein die Tatsache, dass diese Ängste heute so geäußert werden, hat schon negative Auswirkungen auf die grünen Berufe; denn das sind keine guten Signale an die jungen Generationen, die vor der Frage stehen: Übernehme ich einen landwirtschaftlichen Betrieb oder nicht? Deswegen sind wir wirklich gut beraten, das sehr, sehr ernst zu nehmen.

Ich habe deshalb, auch aus Betroffenheit heraus, weil ich in die Augen der Bäuerinnen und Bauern geschaut habe, am Rand der Agrarministerkonferenz in Mainz den Vorschlag gemacht, dass wir auf nationaler Ebene einen Agrar- und Klimarat einberufen, in dem wir die Menschen zusammenbringen, die aus unterschiedlichen Perspektiven heraus die gleichen Ziele verfolgen und unterschiedliche Erfahrungen und Fachkompetenzen mitbringen.

Es muss aufhören, dass einzelne gesellschaftliche Gruppen den Landwirtinnen und Landwirten unterstellen, sie verfolgten keine Klimaschutz- und Umweltziele. Schauen wir uns an, was beispielsweise die Bäuerinnen und Bauern in Rheinland-Pfalz in dem Blühstreifen-Projekt machen. Das sind vorbildliche Projekte. Sie brauchen dabei zum Teil Unterstützung, auch fachliche Unterstützung.

Wenn man genau hinschaut, stellt man fest, so einfach ist das alles gar nicht. Einfach nur ein paar Blumen säen, und die blühen dann immer, so leicht ist das nicht. Man muss sie auch mähen, wenn die Blühpflanzen nicht verdrängt werden sollen. Und wenn man dann schaut, was Mähen bedeutet, stellt man am Ende fest, auch das ist nicht so einfach. Die Landwirte verfügen am Markt gar nicht ohne Weiteres über Mäheinrichtungen, um so etwas vollbringen zu können.

Aber selbst da setzen sie sich durch und engagieren sich. Wir haben gesehen, dass sie beispielsweise gemeinsam mit Landwirten in Bayern Wege gefunden haben. Teilweise werden von Landwirtinnen und Landwirten besondere Balkenmäher entwickelt, um Blühstreifen am Leben zu erhalten und solche Biotope schaffen zu können.

Das ist ein vorbildliches Engagement. Wenn das übersehen und nicht honoriert wird, sind die Menschen zutiefst frustriert. Das führt zu einem Auseinanderklaffen zwischen Stadt und Land, und das führt zu einer Frustration in den ländlichen Räumen, und das führt auch zu einer Spaltung der Gesellschaft. Deswegen muss man das sehr, sehr ernst nehmen.

Ich kann noch einmal an die Bundesregierung appellieren: Nehmen Sie das ernst. Wir brauchen einen nationalen Agrar- und Klimarat. Die Menschen müssen zusammengeführt werden. Es müssen gemeinsame Ziele formuliert werden, und es muss dann auch mit Fachkompetenz und Sachlichkeit und differenzierter Vorgehensweise erarbeitet werden, wie wir diese Ziele erreichen können, ohne dass die ländlichen Räume aussterben und Chancen des Naturund Klimaschutzes im Einklang mit landwirtschaftlicher Produktion übersehen werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das sind große Aufgaben. Wir haben in Rheinland-Pfalz gezeigt, wie es möglich ist, auch zwischen Umwelt- und Agrarressort Lösungen zu finden. Wir können hier sehr sachlich und differenziert beispielsweise über die Saatgutbeize bei Zuckerrüben reden. Wir halten es nicht für richtig, dass man ein Pauschalverbot von Neonikotinoiden verhängt und die Landwirte, die auf die Zuckerrübenbeize verzichten müssen, alleinlässt mit der Frage, wie es denn jetzt weitergeht mit der Zuckerrübe. Ich halte eine solche undifferenzierte Vorgehensweise für äußerst problematisch.

Und weil hier immer damit gespielt wird, wir würden in der Landesregierung miteinander streiten: Das tun wir nicht, sondern wir diskutieren solche Sachen sehr sachlich, sehr differenziert,

(Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

weil wir uns darüber im Klaren sind, dass wir das den Menschen schuldig sind, die im ländlichen Raum arbeiten und in ihre Betriebe investieren wollen.

Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen eine Planungsperspektive für die nächsten Jahre. Das bedeutet nicht nur, dass man ihnen von europäischer Ebene klare Regeln vorgibt und diese nicht ständig wieder infrage stellt, sondern das bedeutet auch, dass wir einen gesellschaftlichen Konsens herbeiführen. Die Menschen auf dem Land fühlen sich von den Menschen in der Stadt nicht mehr verstanden. Ich beobachte, dass in den urbanen Zentren erhebliche Missverständnisse darüber vorliegen, was Landwirte denken, wie Landwirte handeln und welche konkreten Aufgaben sie haben.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vereinzelt bei der CDU)

Deswegen muss sich in der Agrarpolitik etwas ändern. Ich hoffe, dass wir es in den nächsten Jahren wieder schaffen, die Länder stärker einzubeziehen. Föderalismus hat mal eine größere, mal eine geringere Bedeutung. Aber in der Landwirtschaftspolitik kommt dem Föderalismus eine überragende Bedeutung zu, weil die ländlichen Räume sehr unterschiedlich strukturiert sind.

Ich sage ganz ehrlich: Ich finde, es war nicht klug, dass die Bundesregierung bei dem Insektenschutzpaket die Landesregierungen nicht einbezogen hat. Wir sind bei einem Kompromiss zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsressort auf Bundesebene vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Wir konnten unsere Fachkompetenz nicht einbringen, und wir konnten auch die spezifischen Interessen der Bäuerinnen und Bauern, der Winzerinnen und Winzer unseres Standortes nicht mit einbringen.

Ich appelliere an die Bundesregierung, so etwas künftig zu unterlassen. Wir brauchen die Vertretung der Länder auch in diesen Fragen. Niemand außer dem Weinbauminister aus Rheinland-Pfalz kann mit der gleichen Betroffenheit die Interessen des deutschen Weinbaus einbringen. Niemand kann mit der gleichen Betroffenheit wie der Landwirtschaftsminister aus Rheinland-Pfalz die besondere Situation in der Eifel oder im Hunsrück einbringen. Deswegen ist es wirklich wichtig, dass wir hier künftig anders vorge

hen. Ich verstehe, dass man sich schwertut in der Großen Koalition, Einigungen zu finden, aber es muss hier um die Sache gehen

(Abg. Arnold Schmitt, CDU: Sagen Sie das Herrn Weber, Herr Minister!)

und nicht um faule politische Kompromisse.

Deswegen appelliere ich an alle, dieses Thema ernst zu nehmen. Die grünen Feldkreuze sind ein Warnsignal. Mich schauert es jedes Mal, wenn ich sie sehe. Ich denke wirklich, wir müssen mit großer Geschlossenheit – auch die Bundesebene mit den Ländern – in den nächsten Jahren praktikable Lösungen erarbeiten. Jede Form von Populismus wird den Menschen nicht gerecht, die mit ihrem langjährigen familiären Engagement und mit vielen Investitionen ländliche Räume lebendig halten wollen. Wir sollten diesen Menschen den Respekt entgegenbringen, den sie verdient haben. Das bedeutet, sachlich miteinander zu reden, die Interessen in einen gerechten Ausgleich zu bringen und nicht mit politischen Kompromissen Länderinteressen zu übergehen und mit politischen Kompromissen undifferenziert vorzugehen.

Ich glaube, wenn wir das schaffen, können wir auch wieder mehr Motivation und mehr Begeisterung in den ländlichen Räumen entfachen. Das sollte unser Ziel sein.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal der Abgeordnete Weber.