Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

Macht die assistierte Reproduktion Kinder nicht zu Objekten medizinischer Verfahren, nicht mehr gezeugt, sondern geschaffen, durch technische Vorgänge hergestellt und mitunter schon heute einer Qualitätskontrolle durch Präimplantationsdiagnostik unterworfen? Haben nicht jene – im Übrigen auch linke und feministische Kreise – recht, die das grundsätzlich kritisch bewerten? Führt uns das alles nicht auf eine schiefe Ebene, an deren Ende eine immer

weitere Technisierung der Zeugung mit einer Zertifizierung des Produktes steht? Können wir die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, überhaupt überschauen, und falls ja, können wir sie verantworten?

Wer einen Blick in die reproduktionsmedizinische Zukunft werfen will, der muss nicht einmal die jährlichen Kinderwunschtage besuchen, auf denen alles angeboten wird, was heute medizinisch möglich ist: vom All-inclusiveLeihmutterschaftsprogramm für 55.000 Euro bis hin zu einer Flaterate für künstliche Befruchtung in Kalifornien.

(Unruhe im Hause)

Nein, es genügt, die aktuellen biopolitischen Debatten im Land zu verfolgen oder einfach einen Blick in den Deutschen Bundestag zu werfen, in dem die FDP die Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaft fordert.

All das, meine Damen und Herren, gehört eben auch zu diesem Thema, wenn man sachgerecht und verantwortungsbewusst darüber diskutieren will. Es greift daher einfach zu kurz, nur die finanzielle Dimension zu betrachten, wie das der Antrag tut. Ich frage mich schon, wie es die Union mit einer Politik auf der Basis des christlichen Menschenbildes vereinbaren kann, hier der Förderung einer Sache das Wort zu reden, die zumindest partiell mit christlichen Werten kollidiert und die von den Kirchen daher durchaus kritisch beurteilt wird.

Um nicht missverstanden zu werden, es geht nicht um ein Verbot der Reproduktionsmedizin, aber es geht darum, ob es wirklich Sache des Staates ist, etwas zu fördern, was nicht nur vielen Menschen hilft, sondern leider auch mit einer ganzen Reihe schwerwiegender ethischer Probleme verbunden ist. Auf diese Frage gibt es keine einfachen Antworten, und deshalb gibt es auch innerhalb meiner Fraktion sehr unterschiedliche Standpunkte dazu. Wir respektieren hier die Gewissensentscheidung eines jeden Einzelnen, und deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.

Den Alternativantrag der Ampelfraktionen lehnen wir ab.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind eine Bereicherung in unserem Leben und für unsere Gesellschaft. Sie sind schlichtweg unsere Zukunft.

Wir besprechen heute allerdings die Situation von Paaren, die ungewollt kinderlos sind und mithilfe der künstlichen Befruchtung ihre Chancen auf ein Kind erhöhen möchten. Seit Jahren drängt die Landesregierung darauf, dass es eine bundeseinheitliche und verlässliche Regelung zur Ausgestaltung und Finanzierung für den Wunsch dieser

Paare gibt. Alle Vorstöße wurden bisher von der Bundesregierung abgelehnt bzw. nicht beachtet.

Daher sollte die Frage erlaubt sein: Warum hat die Bundesregierung hier nicht reagiert, und was spricht gegen eine bundesgesetzliche Lösung, die allen Paaren gleichermaßen hilft?

Mehrere Argumente sprechen gegen eine landesgesetzliche Lösung. Erstens hängt die finanzielle Förderung an der jeweiligen Haushaltslage des Landes Rheinland-Pfalz, eine verlässliche Regelung kann somit nicht 100%ig gewährleistet werden. Die Mittel der Bundesrichtlinie werden nur bei entsprechenden Beteiligungen des Landes bewilligt.

Es ist aber auch erstaunlich, dass der Antrag der CDU ohne ein einziges Wort zur Finanzierung auskommt. Die Kosten für eine reproduktionsmedizinische Behandlung sind hoch, je nach Methode kostet sie ab 3.000 Euro.

Zweitens müssen wir uns die Frage stellen, wer mit der Bundesrichtlinie gefördert wird. Was sind Paare, oder was ist Familie in diesem Kontext?

Drittens sah die Bundesförderrichtlinie beim Inkrafttreten am 1. April 2012 nur eine Förderung von verheirateten Paaren vor. Seit dem 7. Januar 2016 – die Kolleginnen haben es erwähnt – erhalten auch unverheiratete Paare finanzielle Unterstützung, allerdings nur, wenn das Paar eine auf längere Zeit und Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau führt. Gleichgeschlechtliche Paare sind ausgeschlossen.

Wir als Freie Demokraten begreifen Familie als Verantwortungsgemeinschaft, in der Menschen füreinander einstehen. Es sollen alle unterschiedlichen Lebensformen und Lebensentwürfe anerkannt werden.

Auch hier stehen wir dafür, dass alle Menschen, Paare, Familien und Gemeinschaften eine Förderung erhalten sollten und dieses bundesgesetzlich und -einheitlich geregelt wird.

Es gibt mit der derzeitigen Regelung keine Möglichkeit, einen effektiven und unbürokratischen Antragsweg herzustellen. Es müssen drei unterschiedliche Förderanträge gestellt werden: an die Krankenkasse, an das Land und letztendlich auch an den Bund.

Hinzu kommen je nach Ausrichtung der Landesförderung unterschiedliche Förderkriterien. Es kann daher zu erheblichen Unterschieden zwischen den Ländern kommen. Außerdem gibt es auch noch die Möglichkeit, dass zum Beispiel die Krankenkasse 100 % erstattet. Diese Vielzahl von Anträgen, Regelungen und Kriterien macht es bisher unmöglich, einen unbürokratischen und effektiven Antragsweg herzustellen.

Meine Damen und meine Herren, wir als FDP-Fraktion favorisieren ganz klar eine bundeseinheitliche Lösung, um ungewollt kinderlose Paare in Rheinland-Pfalz zu unterstützen. Deswegen werbe ich für unseren Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Binz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast jedes zehnte Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos, und obwohl reproduktionsmedizinische Behandlungen, sogenannte Kinderwunschbehandlungen oder künstliche Befruchtungen, große finanzielle Belastungen mit sich bringen und für die Frauen zusätzlich große körperliche Belastungen bedeuten, entscheiden sich viele Paare trotzdem dafür, weil sie sich so sehr ein Kind wünschen.

Immerhin, bei der finanziellen Belastung ist es vonseiten der Politik möglich, diese Paare zu entlasten und auch zu unterstützen. – Das ist auch notwendig; denn seit der Gesundheitsreform 2004 werden nur noch 50 % der Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Daher hat der Bund im Nachgang ein Förderprogramm aufgelegt, das es den Paaren ermöglicht, einen weiteren Teil der Kosten erstattet zu bekommen.

Eigentlich klingt das insgesamt nach einem guten System; aber leider ist dieses System von vielen Ungerechtigkeiten gekennzeichnet, gegen die sich unser Alternativantrag richtet. Ich bin der CDU dankbar, dass sie mit ihrem Antrag dieses wichtige Thema aufgreift; aber ihr Antrag richtet sich eben nur gegen einen Teil dieser Ungerechtigkeiten und geht uns daher nicht weit genug. Unser Alternativantrag richtet sich gegen die anderen Ungerechtigkeiten, die ebenfalls vorliegen.

Eine Ungerechtigkeit steckt bereits im Förderprogramm des Bundes; denn es können nur Paare von einer Kostenerstattung profitieren, die in einem Bundesland leben, in dem die dortige Landesregierung sich ebenfalls mit einem eigenen Förderprogramm beteiligt. Auch wenn man den Wunsch der Bundesregierung nach Kofinanzierung durch die Länder verstehen kann, kann es doch so, wie es jetzt umgesetzt ist, nicht wirklich sein; denn am Ende sind die Leidtragenden die Paare.

Aber weitere Ungerechtigkeiten stecken auch in der Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch die Krankenkassen. § 27 a SGB V regelt, wer überhaupt die Voraussetzungen erfüllt, um eine Erstattung von den Krankenkassen zu bekommen. Das sind momentan ausschließlich heterosexuelle verheiratete Paare.

Das bildet aber die vielfältigen Familienmodelle unserer heutigen Gesellschaft nicht ab; denn Kinder werden heute ganz selbstverständlich auch in Familien geboren, in denen die Eltern nicht verheiratet sind oder in denen es zwei Mütter gibt. Auch solche Familien können heute rechtlich abgesichert werden, durch die Vaterschaftsanerkennung schon vor der Geburt oder durch die Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren, wobei hier das Bundesjustizminis

terium dankenswerterweise eine rechtliche Erleichterung durch eine Änderung des Abstammungsrechts plant, für die es allerdings noch an der Zustimmung durch die Union hapert.

Aber darum soll es heute nicht gehen. Es geht um den diskriminierungsfreien Zugang von unverheirateten und lesbischen Paaren zur Kinderwunschbehandlung. Daher fordert unser Antrag die Landesregierung auf, sich zusätzlich auch auf Bundesebene für eine Änderung des § 27 a SGB V in dieser Weise einzusetzen.

Es muss auch unser Ziel sein, dass wir von dem momentanen Förderflickenteppich der Kostenerstattung wegkommen. Ja, auch wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Landesregierung jetzt ein Förderprogramm auflegt, damit auch Paare aus Rheinland-Pfalz Kosten erstattet bekommen. Aber gleichzeitig finden wir, dass diese Förderstruktur doch so, wie sie insgesamt ist, gar nicht bleiben könnte. Wir wären dann das zehnte Bundesland – mit Bayern, die auch ein Programm planen, wären es dann elf Länder –, aber dann kommen immer noch Paare in fünf Bundesländern nicht in den Genuss einer solchen Kostenerstattung. Gerade bei einem so emotionalen und für die Lebensplanung der Menschen so relevanten Thema kann es doch nicht sein, dass es vom Wohnort abhängt, welche Unterstützung man bekommt.

Hinzu kommt auch noch, dass es je nach Bundesland sehr unterschiedlich ist, welche medizinischen Behandlungen überhaupt gefördert werden. Wir wollen diesen Flickenteppich daher abschaffen. Uns ist die Förderung aller Familienformen ein großes Anliegen.

Kinder zu bekommen und großzuziehen, ist wunderschön, aber auch fordernd und anstrengend. Wir sind hocherfreut, dass seit einigen Jahren auch in Rheinland-Pfalz wieder mehr Kinder geboren werden. Wir wollen noch mehr Menschen dabei unterstützen, Kinder zu bekommen, Familien zu gründen, und zwar in den vielfältigen Familienmodellen, wie sie heute schon gesellschaftliche Realität sind.

Wir bitten daher um Unterstützung für unseren Alternativantrag.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin BätzingLichtenthäler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung setzt sich seit vielen Jahren und bis in die jüngste Vergangenheit hinein immer wieder für eine bundeseinheitliche, verlässliche und nicht von der jeweiligen Haushaltslage von Bund und Ländern abhängige Regelung für ungewollt kinderlose Paare ein. Alle entsprechenden Vorstöße und auch Bundesratsbeschlüsse wurden aber von der Bundesregierung bedauerlicherweise

bislang nicht aufgegriffen.

Aktuell sieht die Förderrichtlinie zur finanziellen Unterstützung von Paaren bei der Inanspruchnahme von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vor, dass die Mittel nur dort zur Verfügung gestellt werden, wo sich die Länder mit einem eigenen Anteil in mindestens gleicher Höhe wie der Bund einbringen. Trotzdem muss man sieben Jahre nach Beginn der Initiative des Bundesfamilienministeriums feststellen, dass weiterhin sieben Länder ohne eine solche Regelung sind. Das heißt, einem Großteil der Bevölkerung kommt demnach diese Kostenentlastung, wie sie durch das Bund-Länder-Förderprogramm angestrebt war, überhaupt nicht zugute. Dazu kommt, dass die Förderung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich aussieht. Eine Änderung ist dringend erforderlich.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung setzt an zwei Hebeln an. Wir favorisieren klar den Weg einer bundeseinheitlichen Lösung, der gesetzlich fixiert und nicht den Unwägbarkeiten der Entwicklung der Länderhaushalte ausgesetzt ist. Wir sind bereits im Juni diesen Jahres auf die anderen Länder mit dem Ziel einer gemeinsamen Initiative zugegangen.

Liebe Frau Huth-Haage, Ihr Thema haben Sie im Ausschuss gesetzt. Ich glaube, das war im Herbst. Ihr Antrag datiert vom 8. November. Ich will nur noch einmal festhalten, Ihrer Aufforderung hat es nicht bedurft. Wir waren nämlich schon längst tätig.

Unser Ziel, mit dem wir auf die Länder bereits im Juni zugegangen sind, ist nach wie vor das Ziel einer bundeseinheitlichen Lösung, die gesetzlich im Fünften Buch Sozialgesetzbuch fixiert werden soll und damit einen Rechtsanspruch für Bürgerinnen und Bürger garantiert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser derzeit bestehende Flickenteppich zwischen einer Bundesförderung und Landesförderprogrammen soll einer solchen übergreifenden Lösung weichen, die über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert wird und damit auch Paare bei der Familienplanung unterstützt.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Die Landesregierung will sich daher dafür einsetzen, dass künftig die Behandlungskosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung wieder weitgehend von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, um die Einschränkungen durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 1. Januar 2004 zumindest wieder teilweise zurückzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe von zwei Hebeln gesprochen. Deshalb wird sich die Landesregierung darüber hinaus dafür einsetzen – das streben wir flankierend zu unseren bundesweiten Initiativen an –, dass wir bereits im Laufe des Jahres 2020 auch in Rheinland-Pfalz ein eigenes Förderprogramm anstreben, um die betroffenen Paare finanziell bei ihrem Kinderwunsch zu unterstützen. Hinsichtlich der Kofinanzierung stehen wir dazu im Übrigen ebenfalls seit Sommer im engen Austausch mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Wir wollen mit diesen beiden Ansätzen ungewollt kinderlo