Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

Natürlich kümmern sich auch Polizei und Staatsanwaltschaft um dieses Problem. Hier wären bundesweite Ermittlungen notwendig, in die die Steuerfahndung einbezogen wird. Vielleicht könnten eine Einstufung solcher Delikte als Betrugstatbestand und die damit verbundenen härteren Sanktionen eine gewisse abschreckende Wirkung entfalten. Dafür ist jedoch der Bundesgesetzgeber zuständig. Angesichts der mit vielen Aufgaben ohnehin überlasteten Polizei dürfte ein nachhaltiger Fortschritt auch hiervon nicht zu erwarten sein.

Vor diesem Hintergrund bleibt vom Ampelantrag eigentlich nichts übrig. Er beschränkt sich auf die Aufzählung bereits vorhandener, allerdings erfahrungsgemäß wenig wirkungsvoller Maßnahmen und erhebt zum anderen Forderungen, die die Experten der Verbraucherzentrale als ungeeignet ansehen, um das Problem wirklich zu beseitigen.

Wieder einmal produziert die Ampel viel heiße Luft anstatt der von den Bürgern erwarteten Lösung.

Wir dagegen bringen einen Alternativantrag ein, der die Sache an der Wurzel packt. Wenn Reglementierung und staatliches Vorgehen unseriöse, ja kriminelle Anbieter nicht beeindrucken, macht es wenig Sinn, diese direkt zu be

kämpfen. Dann müssen wir vielmehr dafür sorgen, dass nicht sie zu den Kunden gehen, sondern die, die rechtskonform und zu angemessenen Preisen helfen.

Dazu sollten wir ein Gütesiegel einer Verbraucherschutzorganisation oder einer geeigneten Behörde einführen, das nur nach einer sorgfältigen Prüfung vergeben und bei Missbrauch unverzüglich wieder entzogen wird. Damit könnten die zertifizierten Anbieter werben.

Wenn man dieses Siegel im Rahmen einer Kampagne bekannt macht, dann könnten sich Verbraucher mit wenigen Klicks im Internet und frühzeitig darüber informieren, bei wem sie im Falle eines Falles Hilfe bekommen können.

Langfristig würde dies das Geschäftsmodell der schwarzen Schafe austrocknen und den seriösen Betrieben auch bei niedrigeren Preisen ein wirtschaftliches Arbeiten ermöglichen, all das ohne großen bürokratischen oder polizeilichen Aufwand.

Die im Ausschuss problematisierte Möglichkeit, ein solches Siegel zu missbrauchen, sollte kein Grund sein, darauf zu verzichten; denn erstens lässt sich so etwas im Netz leicht identifizieren und dann mit strafrechtlichen Mitteln ahnden, und zweitens würde ein punktueller Missbrauch keineswegs die positiven Wirkungen vollständig aufheben. Drittens gibt es tatsächlich keine bessere Alternative zu dieser Lösung.

Dass eine solche Maßnahme funktioniert, zeigen die zahlreichen Qualitäts- und Prüfsiegel, die bundesweit von den Verbraucherzentralen oder anderen Verbraucherschutzorganisationen vergeben werden.

Was den CDU-Antrag betrifft, der diesen unseren Vorschlag als einzige neue Kernforderung übernommen hat, so kann ich nur wiederholen, was wir hier an dieser Stelle schon häufiger sagen durften: Das Plagiat ist die höchste Form der Anerkennung.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam etwas für die rheinland-pfälzischen Verbraucher tun. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Roth das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines vorweg: Die meisten Schlüsselnotdienstanbieter sind mit Sicherheit seriös. Diese gilt es, mit diesem Antrag auf jeden Fall zu stärken; denn je mehr ich mich in den vergangenen zwölf Monaten mit dem Thema der Schlüsselnotdienste beschäftigt habe, umso stärker fand ich bestätigt, hier haben wir in ein Wespennest hineingestochen.

Mit einem Berichtsantrag im Ausschuss für Verbraucherschutz haben wir vor ziemlich genau einem Jahr, nämlich am 24. Januar 2019, den Stein ins Rollen gebracht. Berichte über Abzocke, Wucherei und Preistreiberei sind beileibe keine Seltenheit. Sie stehen fast jeden Tag in der Zeitung.

Allein in den vergangenen zehn Jahren gab es rund 300.000 Fälle von unseriösen Schlüsseldienstleistungen, also im Schnitt rund 30.000 in Deutschland im Jahr.

Besonders dreist war für mich zum Beispiel ein Fall in Schweinfurt im Januar 2019. Hier hat ein herbeigerufener Schlüsselnotdienst trotz einer mit sich geführten Werkzeugtasche einfach die Wohnungstür eingetreten und 150 Euro verlangt, da die Tür ja schließlich nun offen sei.

Meine Damen und Herren, wenn Bürgerinnen und Bürger in einer Notsituation Hilfe brauchen, dann dürfen sie nicht durch unseriöse Anbieter ausgenutzt, unter Druck gesetzt und letztendlich mit horrenden Summen abkassiert werden. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.

Nach einer am 26. November 2019 stattgefunden Anhörung im Ausschuss zeigte sich schnell, es geht hier keineswegs nur um Einzelfälle. Vielmehr wird mit System und bandenkriminellen Strukturen betrogen. Ich danke an dieser Stelle nochmals Frau Dr. Gerhards von der Verbraucherzentrale und Herrn Hebgen von der ADD, die beide sehr beeindruckende Berichte geliefert haben. Schade nur, dass nicht noch mehr Anzuhörende wie beispielsweise ein seriöser Schlüsselnotdienstler, ein Schlosser, die Handwerkskammer oder die Innung benannt wurden, um hier nur einige zu nennen. Nichtsdestotrotz hat die Anhörung dennoch wichtige Erkenntnisse gebracht.

Erstens handelt es sich zumindest teilweise um ein bundesweit organisiertes und vernetztes System. Sehr geehrter Herr Lammert, somit ist es nicht nur ein länderspezifisches Problem, sondern ein bundesweites. Das hat die Anzuhörende von der Verbraucherschutzzentrale sehr deutlich gemacht. Bundesweite Callcenter sind die Drehscheibe dieses unseriösen Geschäfts.

Zweitens sind Schlüsseldienste zwar nach § 38 der Gewerbeordnung überwachungsbedürftig. Allerdings erfordert dies nur die Vorlage eines Führungszeugnisses und einer Auskunft aus dem Gewerbezentralregister. Da es sich aber bei der Gewerbeordnung um Bundesrecht handelt, drängen wir auch deswegen auf eine Änderung auf Bundesebene.

Drittens hat die Anhörung gezeigt, dass dieses kriminelle Netzwerk extrem anpassungsfähig ist. Ein Beispiel: Die Bundesnetzagentur – Sie haben das vorhin angesprochen – geht gegen das Vortäuschen einer geografischen Präsenz vor Ort mithilfe von Ortsnetzrufnummern vor. Die unseriösen Schlüsselnotdienste geben jetzt nur noch Mobilfunknummern an und bewerben das natürlich als besonders kundenfreundlich. Die Betroffenen werden trotzdem an das Callcenter weitergeleitet.

Viertens führt diese Anpassungsfähigkeit zu gefälschten Gütesiegeln, zu einer Fünf-Sterne-Bewertung bei Google oder falschen Angaben im Impressum.

Fünftens hat sich außerdem gezeigt, dass eine einzelne Maßnahme nicht sinnvoll ist. Ein Gütesiegel ist vielleicht auf den ersten Blick ein hilfreiches Instrument, aber eben nur auf den ersten Blick. Eine rheinland-pfälzische Insellösung mithilfe eines Gütesiegels bringt uns bei bundesweiten bzw. länderübergreifenden Strukturen herzlich wenig. Schon jetzt arbeiten die kriminellen Gruppen mit gefälschten Siegeln. Wie können denn Verbraucherinnen und Verbraucher eine Fälschung vom Original unterscheiden?

Mein persönliches Fazit lautet: Auf der einen Seite haben wir eine Vielzahl von Notfällen, in denen sich Menschen unbeabsichtigt aus der eigenen Wohnung aussperren. Es gibt also einen Markt für Notfalldienstleistungen. Auf der anderen Seite agieren zwar nicht nur, sondern auch (pro- fessionell) unseriöse Anbieter, die diesen Markt nutzen, ohne auch nur annähernd marktgerechte Preise zu verlangen. Noch schlimmer, sie täuschen ihren Kunden überhöhte Kosten vor und setzen sie in einer Notlage dann so unter Druck, dass die Kunden jeden Preis bezahlen, meist ohne Rechnung und in bar.

Was können wir tun? Der für Preise und Preisprüfungen zuständige Beamte bei der ADD, Herr Hebgen, hat berichtet, für öffentliche Aufträge gibt es bereits seit dem Jahr 1953 eine Rechtsverordnung. Sie soll Behörden vor überhöhten Preisforderungen von Unternehmen, Dienstleistern und Handwerkern schützen. Auf dieser Grundlage sollen eingehende Angebote auf ihre Angemessenheit geprüft werden. Die steht uns leider nicht zur Verfügung.

Ich bin aber der Überzeugung, dass trotzdem die Privatverbraucher vor kriminellen Methoden geschützt werden müssen. Unser erster Ansatz ist, wir brauchen unbedingt ein Preisverzeichnis.

Herr Hebgen hat in der Anhörung diesen Gedanken erweitert und vorgetragen, dass die Rechtsverordnung über Preise bei öffentlichen Aufträgen in die Gewerbeordnung aufgenommen werden könnte. Dann hätten Anbieter nämlich ihre Preise vom Ministerium genehmigen zu lassen und müssten sie im Impressum veröffentlichen.

(Glocke des Präsidenten)

Das wäre die Transparenz, die ich mir wünsche. Die Koalition fordert deshalb eine vorrangig bundesweite Lösung für das Problem.

Es freut mich, dass es dazu inzwischen in der Politik und eigentlich bei allen Fraktionen eine große Einigkeit gibt.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Binz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anhörung im Verbraucherschutzausschuss hat uns die Dimension dieses Problems gezeigt. Es liegt ein massiver Missbrauch vor. Das Problem ist auch vielschichtig.

Es fehlt an Auffindbarkeit von seriösen Anbietern, es fehlt an Preistransparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher, und es fehlt auch an rechtlichen und juristischen Möglichkeiten, sich gegen Missbrauch zur Wehr zu setzen.

Schon seit vielen Jahren gibt es betrügerische Schlüsselnotdienstanbieter, die die Notlage mancher Verbraucherinnen und Verbraucher ausnutzen und überzogen hohe Rechnungen ausstellen. Laut Frau Dr. Gerhards von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz gab es im Jahr 2018 in Rheinland-Pfalz 103 Beschwerden, die die Praktiken von unseriösen Schlüsselnotdiensten anzeigten. 3.088 Fälle waren es bundesweit im Jahr 2018. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher sein, da viele Vorkommnisse erst gar nicht gemeldet werden. Dies geschieht, wie Frau Dr. Gerhards berichtete, entweder aus Scham oder um mögliche Prozesskosten zu vermeiden.

Das große Verfahren gegen zwei Betreiber der „Deutschen Schlüsseldienst Zentrale“ vor dem Landgericht in Kleve hat die Dimension dieses massiven Missbrauchs deutlich gemacht. Es ging allein in diesem einen Prozess um 300.000 Fälle in zehn Jahren. Das bedeutet 30.000 Fälle im Jahr. Die Branche erleidet durch solche Betrüger einen großen Ruf- und auch Vermögensschaden.

Von allen Verbraucherbeschwerden über Handwerkerleistungen entfielen in den Jahren 2017 und 2018 bundesweit 29 % auf die Schlüsseldienste. Häufig sind es Scheinselbstständige, die die Ortsansässigkeit durch die Rufnummer vortäuschen, obwohl es in Wirklichkeit gar kein lokales Unternehmen ist, um im Anschluss überhöhte Anfahrtskosten zu berechnen. Es wird dafür auch mit gefälschten Angaben im Impressum gearbeitet. Sogar Gütesiegel werden erfunden. Dies konnte uns Frau Dr. Gerhards berichten. Sie hat das erneut festgestellt, als sie ein paar Tage vor unserer Anhörung „Schlüsselnotdienst Mainz“ im Internet suchte.

Die bisherigen Lösungsansätze reichen also nicht aus. Frau Dr. Gerhards machte in der Anhörung deutlich, dass die langjährige Präventionsarbeit mit den gegebenen Informationen nicht ausreiche, um diesen Missstand zu beseitigen.

Es ist zum Beispiel begrüßenswert, dass immerhin Google – man glaubt es kaum – seit dem letzten Mai den deutschen Schlüsseldiensten das Aufgeben von AdWordsAnzeigen mit der Begründung untersagt hat, es gäbe keinen ausreichenden Schutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie würden diese Anzeigen erst dann wieder erlauben, wenn es rechtliche Möglichkeiten gebe, seriöse von unseriöse Anbietern zu unterscheiden.

Auch Zahlungsverweigerung ist keine gute Lösung, wie Frau Dr. Gerhards sagte. Sie sagte: Ich weiß nicht, ob das der klügste Rat ist und ob ich meiner Oma eine Zahlungs

verweigerung raten möchte, wenn mitten in der Nacht ein aggressiv wirkender Notdienstmitarbeiter bei mir in der Wohnung steht.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Mitarbeiterin! Warum sollen das nur Männer sein?)

Diese Geschichten bestärken uns Grüne in unserer Forderung, eine bundesweit rechtliche Grundlage zu schaffen, damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher gegen betrügerische Forderungen zur Wehr setzen können.

(Abg. Dr. Joachim Paul, AfD: Das ist sexuell! – Glocke des Präsidenten)

Wir brauchen auch eine Sensibilisierung bei den Staatsanwaltschaften für solche Fälle. Darüber hinaus fordern wir, wie es im Antrag steht, dass die Anbieter zur regelmäßigen Vorlage ihrer Preisverzeichnisse einschließlich der Anfahrtskosten bei der zuständigen Aufsichtsbehörde und zur Veröffentlichung dieser Informationen im Internet verpflichtet werden müssen. Diese Maßnahme ist kein Allheilmittel – das ist uns vollkommen klar –, aber das hilft im Nachgang gegebenenfalls den Betroffenen, wenn sie sich juristisch zur Wehr setzen wollen.

Wir brauchen weiterhin eine grundsolide und gerichtsfeste Basis für die Preisermittlung. Hierzu haben wir in einem sehr interessanten Vortrag vom Vertreter der ADD einen konstruktiven Vorschlag gehört.