(Beifall bei CDU und F.D.P. - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zahlen die Landwirte nun Ökosteuer oder nicht? Hat sie die Wahrheit gesagt oder hat sie gelogen?)
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können sich nicht immer her- ausreden! Hat sie gelogen?)
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat sie nun gelogen oder nicht? - Glocke des Präsidenten)
Herr Abgeordneter Kayenburg, einen Augenblick, bitte! - Herr Abgeordneter Hentschel, ich rufe Sie zur Ordnung.
Mit der Einführung des so genannten Agrardiesels wird die Mineralölsteuer für die Landwirte ab 2001 noch einmal um 13 Pfennig angehoben. Während der Steueranteil für Diesel 1998 noch 21 Pfennig betragen hat, so ist er inzwischen auf 57 Pfennig angestiegen. Von den einzelnen Ökosteuerstufen sind deswegen das ist die Antwort auf die Frage, die Sie stellen wollen, lieber Herr Hentschel - die Landwirte betroffen. Das ist die Wahrheit.
Herr Abgeordneter Kayenburg, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Hentschel? - Nicht gestattet!
Der Haushalt soll auch ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung des Landes sein. Die Investitionsquote liegt jedoch mit 10,1 % weit unterhalb der Investitionsausgaben anderer Bundesländer. Auch die mittelfristige Finanzplanung verspricht keine Verbesserung, Herr Minister. Wenn Sie für 2004 nur noch eine Investitionsquote von 9,4 % vorsehen, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Schleswig-Holstein! Das ist ein weiterer Abbau, den Sie hier planen und zu vertreten haben.
Insgesamt kann man nur sagen: Wenn Sie von den wirklich strukturellen Veränderungen weg zu den konsumtiven Ausgaben gehen, dann werden Sie keinen Erfolg haben; nur Investitionen würden dieses Land weiterbringen. Aber Ihr Haushalt macht deutlich, dass das alte Gewurschtel weitergeht.
Sie loben ja so sehr den Hightech-Standort dieses Landes, Frau Simonis! Wir finden es ja prima, wenn wir hier eine solche Entwicklung erleben. Die Realität spricht aber eine andere Sprache. Gerade hat doch der Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung“ der Länder festgestellt, dass das schleswig-holsteinische Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2000 gegenüber dem Vorjahr nominal lediglich um 1 % gestiegen ist und Schleswig-Holstein damit im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz vor Bran
denburg steht. Ursache dafür sind - auch das können Sie dort nachlesen - Produktionsausfälle bei der Kernenergie und Produktionsausfälle in der Bauwirtschaft. Ich kann nur sagen: Wenn Energieversorgung und Baugewerbe die kritischen Punkte sind, dann betreiben Sie genau die falsche Politik. Auf der einen Seite wollen Sie die Kernkraftwerke abschalten, auf der anderen Seite kürzen Sie die Investitionen, mit denen Sie die Bauwirtschaft dieses Landes nun wirklich nach vorn bringen könnten, mit denen Sie Steuern generieren und mit denen Sie Arbeitsplätze generieren könnten.
Aber, Frau Simonis, nachdem Sie mit Ihrer Chefsache „Finanzpolitik“ kläglich gescheitert sind, gibt es natürlich einen neuen Weg. Sie haben sich auf die Europapolitik gestürzt, insbesondere auf die Ostseekooperation. Nun hätte ich gedacht, dass wenigstens hier ein bisschen mehr herauskommt als bei der Finanzpolitik. Aber da ist bisher schon wenig bewegt worden - außer Dienstwagen von Ministern, die staunend in der Øresund-Region und anderswo umherfuhren - und Sie wollen es jetzt zur Abwechslung einmal mit der Nordseekooperation versuchen.
Ich sage Ihnen: Das, was Sie in dem von Ihnen gezeichneten Artikel - einem persönlichen Artikel - zur Ostseekooperation geschrieben haben, ist sachlich so nicht richtig. Sie haben erklärt, das Mare Balticum sei eine Boomregion. Sie haben Recht, wenn Sie dabei auf Malmø/Kopenhagen abstellen. Wenn Sie sich aber einmal die anderen Länder anschauen, wenn Sie Polen, Russland und die baltischen Staaten angucken - dort gibt es noch überhaupt nichts von einem Boom. Ich denke, Sie hätten hier lieber frühzeitig mit uns gemeinsam für die Fehmarnbeltquerung kämpfen sollen, um zügig die Voraussetzung für die Verbindung zu schaffen. Deshalb gilt an dieser Stelle dem Kollegen Hay, der dies frühzeitig angesprochen hat, wirklich ein Dank. Die Regierung ist in diesem Punkt verdammt spät in die Puschen gekommen.
Wichtiger ist nach meiner Auffassung aber in diesem Zusammenhang die dargestellte Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Da sprechen die Fakten eine klare Sprache, Frau Simonis! Wenn Sie nicht wollen, dass wir nur das Durchfahrtsland für die Entwicklung in Skandinavien werden, sondern wenn Sie wollen, dass wir die Drehscheibe für den Nord- und den Ostseeraum werden, dann müssen Sie Ihre Haushaltsund Ihre Strukturpolitik allerdings ändern. Die Fachhochschule Westküste jedenfalls, das neue MultimarWattforum oder die Erweiterung des Nationalparks sind noch längst keine Entwicklung einer Nordseekooperation. Wenn Sie diese Kleeblatt-Theorie in dem Interview entwickeln, Frau Simonis, dann sollten Sie wissen: vierblättrige Kleeblätter blühen einmal; da
nach sind sie ganz normal dreiblättrig. Die Leiter zum Mond habe ich zitiert, also: nicht so hoch klettern man fällt dann fürchterlich tief, wenn man nicht das in konkrete Politik umsetzt, was man in Zeitungsartikeln vermarktet.
Ihre ganze wirtschaftliche Erfolgsstory im Ostseeraum spielt sich bis jetzt nur in einem virtuellen Bereich ab und ist noch keine Umsetzung. Das macht die Statistik des Landesamtes überdeutlich, denn auch wenn Sie die Einfuhr- und Ausfuhrzahlen vergleichen, Frau Simonis, werden Sie feststellen, dass wir die höchsten Ausfuhren in jene Länder haben, mit denen wir kooperieren. Dänemark steht an der Spitze. Bei den Einfuhren sind es Schweden und Dänemark. Aber im Übrigen haben wir die höchsten Ein- und Ausfuhrquoten im Handel mit allen westlichen Ländern. Kein einziges Land aus der Ostseeregion ist in dieser Statistik mit aufgeführt. Dies macht deutlich, dass Sie mit dem Ansatz einer Ostseekooperation Recht haben, nur reicht dieser Ansatz nicht, wenn Sie ihn im Haushalt bei den Investitionen und in der Verkehrspolitik nicht in wirkliche Politik umsetzen.
Ein besonders trübes Kapitel rot-grüner Wirtschaftspolitik ist - das will ich hier nur noch stichwortartig erwähnen - der Tourismus.
- Nein, das will ich ja gern konzedieren: Da hat Frau Franzen von ihrem Vorgänger, Herrn Buß, kein überzeugendes Konzept übernommen. Das ist wirklich ein Torso. Aber das, was bis jetzt vorgelegt wurde, ist auch nicht besser. Nachdem Frau Franzen da schon versagt hat, geht sie jetzt ganz tapfer gegen die Verbraucherberatung vor, mit völlig skurrilen Ideen. Aber vielleicht haben wir da ja noch eine Chance, dies gemeinsam, Frau Franzen, auf den Weg der Tugend zurückzubringen.
In den übrigen Politikfeldern sieht es nicht besser aus, Frau Ministerpräsidentin! Wie ist es denn in der Bildungspolitik? Haben Sie wirklich die Weichen zur Wissensgesellschaft gestellt? Es wäre gut - ich kann diesen Satz nur unterstreichen -; doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Hochschulen unseres Landes werden von Ihnen allmählich kaputtgespart. Mit schönen Bezeichnungen wie „Strukturreform“ oder „Budgetierung“ nehmen Sie den Hochschulen die Luft
zum Atmen und zwingen sie, ganze Studiengänge zu streichen. Wer die Presse in den letzten Tagen gelesen hat, fragt sich: Wie sieht es denn aus? Wir sollen uns zum Hightech-Land entwickeln, aber ich lese: Fachhochschule Kiel - 2.852 Bewerber, 655 Studienplätze! Oder: Flensburg - 400 wollen, 40 dürfen! Das ist Ihre Politik für mehr Bildung und Hightech in diesem Lande, Frau Simonis, und hier haben Sie jämmerlich versagt.
Stattdessen schließen Sie Knebelverträge mit den Universitäten. Der Fachhochschule Kiel droht ein Defizit von immerhin 3 Millionen DM und die CAU hat ja Gott sei Dank die unselige Zielvereinbarung, Frau Kultusministerin, die Sie ihr abringen wollten, bis heute nicht unterschrieben. Ich kann nur hoffen, dass die erforderlichen Nachbesserungen kommen, damit die Zustände an unseren Hochschulen besser werden.
- Sicher, es waren die Studenten; es waren aber auch die Hochschullehrer und es waren die anderen Beteiligten. Hier wird nach meiner Meinung wieder einmal deutlich, dass Einigkeit stark macht - wie bei der Ökosteuer und wie bei den 100 Millionen DM.
(Heiterkeit - Klaus Schlie [CDU]: Noch nicht! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So weit ist es noch nicht!)
dass Sie wirklich einlenken und dass den Hochschulen diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die erforderlich sind, um die Studenten auszubilden, die die Zukunft dieses Landes gestalten sollen.
Aber auch in der Innenpolitik sieht es nicht viel besser aus. So lässt der ehemalige Bürgermeister von Eckernförde, der heutige Kommunalminister Klaus Buß, zu, dass die Kommunen Jahr für Jahr zur Sanierung des Landeshaushalts herangezogen werden, Herr Finanzminister, dass in die kommunalen Kassen gegriffen wird. Ich frage mich: Was ist das eigentlich für ein Kommunalminister? An welcher Stelle nimmt er eigentlich seine Verantwortung wahr?
Aber auch auf anderen Feldern sieht es überhaupt nicht besser aus. Die innere Sicherheit wird sträflich vernachlässigt, insbesondere die Ausrüstung der Polizei.
- Natürlich, Frau Kähler! Und stolz verkündete der Innenminister am 1. September zum Tag der Landespolizei, dass sie leistungsstark und motiviert sei. Ich kann Ihnen sagen, motiviert ist unsere Polizei, nur die Leistungsstärke geht bald den Bach hinunter, wenn Sie nicht dafür sorgen, dass sie anständig ausgestattet wird.
Die Defizite wurden doch in Neumünster im Zusammenhang mit den Neonazi-Demonstrationen nur zu deutlich. Ich will hierzu einen jungen Polizisten zitieren, der gesagt hat: „Irgendwie sind wir immer mehr die Müllmänner dieser Gesellschaft.“ Das ist das Befinden der Polizeibeamten. Hier müssen wir ansetzen, hier müssen wir uns vor die Polizei stellen. Aber auf dieses Thema werden wir ja auch noch gesondert zurückkommen.
Ich will dann die Aussage des Polizeibeamten nur noch fortsetzen. Er hat ergänzt: „Im Jugendbereich und beim Sport, wo vorbeugend gute Arbeit gemacht werden könnte, wird ständig der Rotstift angesetzt.“
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der F.D.P. - Widerspruch der Abgeordneten Mo- nika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])
Da hat man gesehen, wo es lang geht. - Frau Heinold, Sie sind doch nachher noch an der Reihe, aber vielleicht kann Ihr Fraktionsvorsitzender gleich etwas dazu sagen.
Jedenfalls eines ist sicher: Mit solch einer Politik können Sie den Aufbruch in die Zukunft nicht gestalten.