Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

(Martin Kayenburg)

Wir nehmen in diesem Land da Platz 13 ein, Herr Astrup. Ich kann die Aufzählung mit Daten aus der „Wirtschaftswoche“ fortsetzen, die in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft und der Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ ebenfalls ein Bundesländerranking angelegt hat. Auch hier ist das Ergebnis ernüchternd. Lediglich die fünf neuen Länder liegen hinter Schleswig-Holstein. Herr Minister Rohwer, das ist das, was Sie in diesem Land zu verantworten und zu Wege gebracht haben. Da frage ich mich wirklich, wie und mit welchen Maßnahmen Sie es schaffen wollen, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in diesem Land zu beheben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber wenn Ihnen die genannten Institute ein bisschen suspekt sind, dann schauen Sie doch in die Untersuchung der Vereins- und Westbank. Auch da werden Sie nichts anderes finden. Dem ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Und nun sagen Sie bitte nicht, diese Institute und Banken oder wir redeten das Land schlecht.

(Holger Astrup [SPD]: Sie ja!)

Die Lage ist schlecht. Und Sie haben das maßgeblich zu verantworten. Der Norden droht wirtschaftlich abgehängt zu werden.

(Beifall der Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] und Rainer Wiegard [CDU])

Die Landesregierung hat statt wirklicher Reformen deswegen schon einmal den Doppelhaushalt 2004 und 2005 in die Liste ihrer großen Reformvorhaben aufgenommen. Bei genauem Hinsehen zeigt sich aber, dass Doppelhaushalte eben nicht - genauso wenig wie übrigens Budgetierung und Kostenleistungsrechnung - eine Wunderwaffe gegen verfehlte Finanzpolitik sein können. Noch nie war die Ausgangslage im Übrigen für einen Doppelhaushalt so unsicher wie zurzeit. Schon von daher würde es sich verbieten, jetzt einen Doppelhaushalt vorzulegen. Im Übrigen kritisieren wir ihn, weil er die Budgethoheit des Parlamentes einschränkt. Bei einem normalen Haushalt würden wir nämlich jährlich beraten, bei einem Doppelhaushalt hat nur die Regierung das Initiativrecht, innerhalb der zwei Haushaltsjahre einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Aber Ihre Absicht ist ja klar: Sie wollen im nächsten Jahr vor der Wahl nicht, dass hier in diesem Haus über Ihre Missleistungen diskutiert wird. Das ist der eigentliche Grund, warum Sie in diesem Jahr hier so ein „handgestricktes Zeug“ vorlegen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Aber abgesehen von den qualitativen Mängeln dieses Doppelhaushaltes ist es geradezu eine unglaubliche Missachtung des Parlamentes, wie Sie mit der Vorlage umgegangen sind. Sie haben im Sommer eine Vorlage eingebracht, die schon überholt war, als sie eingebracht wurde. Am 24. November 2003 legen Sie uns eine 800-seitige Nachschiebeliste vor, überschütten uns mit einem Nachtragshaushalt für 2003 und am 27. November, drei Tage später, um 10 Uhr fragt der Finanzausschuss nach Änderungsvorschlägen der Opposition, um dann heute hier die zweite Lesung durchzupauken.

(Zuruf der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Das ist schlichtweg eine Frechheit, Frau Kollegin Kähler.

(Beifall bei CDU und FDP)

Und im Übrigen - auch das sollten Sie hier zur Kenntnis nehmen - hat der Haushaltsentwurf 2005 nicht einmal die Qualität der mittelfristigen Finanzplanung. Da sind einfach die meisten Titel völlig ungeprüft fortgeschrieben worden, von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit keine Spur. In der Wirtschaft, Herr Minister Stegner, würde Ihnen das den Vorwurf der Konkursverschleppung einbringen. Das ist die wahre Qualität Ihrer Arbeit.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ich will das auch gern begründen. Wer in einen Haushalt mit einem strukturellen Defizit von 1,1 Milliarden € reingeht - das sind 14 % der Nettoausgaben -, der handelt unseriös und ist nur dabei, seine schlechte Gewohnheit fortzusetzen und erneut die Grenze der Neuverschuldung für das nächste Jahr nach oben zu treiben.

Für das Jahr 2004 allerdings - das will ich gern zugestehen - wird zumindest relativ sorgfältig die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erläutert. Nur, die erforderlichen Schlussfolgerungen fehlen. Wo steht denn eigentlich, was Ihnen in § 42 der Haushaltsordnung und der Landesverfassung aufgegeben ist - vielleicht sind Sie ja auch in der Verfassung noch gar nicht so weit gekommen, Herr Minister -, dass Sie im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr vorschlagen sollen, wie das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder hergestellt werden kann? Herr Rohwer, ich kann nicht ansatzweise erkennen, welche Vorschläge Sie zu diesem Komplex gemacht haben. Damit ver

(Martin Kayenburg)

stoßen Sie erneut gegen die Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Im Übrigen ist die Beratung heute auch deswegen unseriös, weil positive haushaltswirksame Folgen aus Gesetzen unterstellt werden, die es überhaupt noch gar nicht gibt. Denn die Konsequenzen aus dem Vermittlungsausschuss sind von Ihnen überhaupt noch nicht berücksichtigt worden. Deshalb ist es völlig unsinnig, heute den Doppelhaushalt 2004/2005 zu verabschieden.

Sie leisten mit dem Haushalt 2004 gerade keinen entscheidenden Beitrag für Wachstum und Beschäftigung in Schleswig-Holstein, Herr Minister Rohwer. Da skizzieren Sie mit dem Bild von der heilen Welt eine Förderpolitik im Bereich Wellness und Hightech, das den harten Fakten und den Ranglisten, die ich eben zitiert habe, in keiner Weise standhält. Das ist eine Fata Morgana, aber kein Ergebnis, Herr Minister.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann wird es ganz spannend bei diesem Wirtschaftsminister: Er gaukelt den Unternehmen und den Wirtschaftenden vor, die Landesregierung würde unter größten finanziellen Anstrengungen schon wieder ein neues - wohlgemerkt -, zusätzliches Förderprogramm auflegen. Da will ich Ihnen gern zugestehen, Herr Minister: Ihre Kreativabteilung leistet wirklich Enormes. - Mal heißt das Ganze „ziel“, mal „ZAL“, mal „ZIP“. Ich hatte heute Morgen schon gesagt: Jetzt fehlt noch „ZAP“, das „Zukunftsabbauprogramm“.

Sie wollen mit dem „ZIP“ in den nächsten drei Jahren Investitionen von 809 Millionen € auslösen. Interessant daran sind zwei Punkte, Herr Minister: Erstens. Wie kommen Sie ausgerechnet auf 809 Millionen? Können Sie mir einmal erzählen, woher die 9 Millionen € kommen? Da wollen Sie Genauigkeit vorgaukeln, wo in Wirklichkeit Scharlatanerie eine Rolle spielt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber es wird Ihnen nicht gelingen, hier den Eindruck von Sorgfalt und Qualität zu erzeugen.

Zum Zweiten! Vielleicht haben Sie die Presseerklärung der Ministerpräsidentin von heute noch nicht gelesen. Dazu frage ich: Wieso stehen darin plötzlich nicht 809 Millionen, sondern - so glaube ich - 359 Millionen? Wo sind denn diese 450 Millionen € geblieben? Da müssen Sie bitte einmal hierher kommen und uns aufklären, wie dieses Geld so schnell irgendwo verschwunden ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wie Sie dann mit solch einem Betrag, der auch noch auf drei Jahre verteilt ist, wirklich einen nennenswerten Beitrag zur Belebung der Wirtschaft in diesem Land auslösen wollen, das bleibt nun wirklich Ihr Geheimnis. Das Ganze sind nämlich gerade einmal 0,5 % des Bruttoinlandsproduktes. Das sind nun wahrlich Peanuts, Herr Minister.

(Günter Neugebauer [SPD]: Das ist ja un- glaublich! - Zurufe von der SPD)

Wenn Sie dann auf Nachfrage nach dem Sinn dieses Programms sagen, dass nunmehr die Konditionen der Fördermaßnahmen festgelegt worden seien, dann frage ich: Für wie dumm halten Sie uns eigentlich?

Wenn Sie genau in das Programm hineingucken, sehen Sie darin die gute alte Städtebauförderung, dann ist darin die Wohnungsmodernisierung und dann ist darin die Werftenhilfe zu erkennen und dann ist dort weiß Gott nichts Neues zu finden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht gibt es doch etwas Neues - da wird es dann ganz schön -: Das Bauen von Tierheimen ist neu aufgenommen worden und die Ersatzbeschaffung beim Katastrophenschutz. Nur, wie da aus 100 Millionen 800 werden sollen, das erschließt sich mir nun überhaupt nicht mehr.

(Unruhe bei der SPD)

Eigentlich hätte ich von Ihnen, Herr Minister Rohwer, etwas mehr erwartet. Ich wundere mich, dass Sie mit diesen Lächerlichkeiten noch einmal vor die Presse getreten sind und damit - das ist das Bedauerliche - Ihren eigentlich ganz ordentlichen Ruf aufs Spiel gesetzt haben.

Meine Damen und Herren, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die Verkündung immer neuer Programme, die Absenkung der Investitionsausgaben auf einen historischen Tiefstand, das passt doch wirklich alles nicht zusammen. Das ist rotgrüne Chaospolitik und das zeigt Ihre ganze Konzeptions- und Hoffnungslosigkeit.

Wo sind denn eigentlich Ihre Vorschläge in den anderen Bereichen geblieben, wo Sie etwas ändern wollten? Wie ist das eigentlich mit dem zweistufigen Verwaltungsaufbau? Es kann doch nicht sein, dass wir in der Umweltverwaltung rund 13.000 Mitarbeiter haben, aber nur 1.000 Kriminalbeamte hier im Land. Dazu kann ich nur sagen: Überall grün, nur keine Sicherheit!

(Beifall bei der CDU)

(Martin Kayenburg)

Statt den Bürgerinnen und Bürgern ehrlich und schonungslos mitzuteilen, welche Aufgaben künftig nicht mehr wahrgenommen werden können oder welche nur eingeschränkt wahrgenommen werden können, wurden von Ihnen im Koalitionspoker allenfalls die Karten der Landesämter neu gemischt: Staatliche Umweltämter, Ämter für ländliche Räume werden mir nichts, dir nichts zu einer Mammutbehörde konzentriert, die dann aber gleich wieder Außenstellen bildet. Das LANU bleibt im Kern erhalten und die Finanzämter werden nach völlig blödsinnigen Kriterien hin- und hergeschoben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber vielleicht ist das ja Ihr Beitrag zu mehr Wachstum. Sie beschäftigen damit nämlich die Möbelspediteure dieses Landes und das kann ihnen ja vielleicht weiterhelfen.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Also: Mit dem Doppelhaushalt 2004/2005 hat RotGrün wieder einmal die Chance vertan, zur Konsolidierung der Landesfinanzen beizutragen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Schleswig-Holstein braucht, ist völlig klar: Wir brauchen Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Wir brauchen eine Offensive für mehr Arbeitsplätze in diesem Land.

(Beifall bei CDU und FDP)

Einer der Gründe für die wenigen Arbeitsplätze und für die immer niedrigere Erwerbsquote sind die immer geringer werdenden öffentlichen Investitionen. Die Investitionsquote hat einen historischen Tiefstand erreicht. Deswegen muss hier mit einer spürbaren Offensive gegengesteuert werden und deswegen haben wir auch in unserem Entschließungsantrag und in fast 200 Einzelanträgen zum Doppelhaushalt 2004/2005 und der Formel „100 + 100 = verfassungskonformer Haushalt“ bewiesen, dass es für ein Umsteuern noch nicht zu spät ist. Wir wollen im Haushalt 2004 rund 200 Millionen € an Entlastungen einbringen und dieses Geld zu je 100 Millionen € zur Absenkung von Schulden und für ein Programm „Offensive für Schleswig-Holstein“ verwenden. 2005 werden wir dasselbe Programm noch einmal auflegen. Das sind dann nicht die lächerlichen 30 Millionen oder einmal 40 Millionen €, Herr Wirtschaftsminister, sondern das sind 200 Millionen €, in jedem Jahr 100 Millionen €, die wir einbringen und aufbringen werden. Wenn Sie in die Unterlagen schauen, werden Sie es sehen: Es ist uns gleichwohl gelungen, einen verfassungskonformen Haushaltsentwurf vorzulegen.

(Beifall bei CDU und FDP)