Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen des Oppositionsführers haben mich an einem Punkt doch ins Grübeln gebracht, nämlich bei der Bemerkung, dass die Ministerpräsidentin bei diesen wunderbaren Vorschlägen der SchleswigHolsteinischen Zeitungsverlage über die Menschen des Jahres nicht vorgekommen sei. Das ist mir aufgefallen, Herr Kollege Kayenburg. Damit könnte ich leben. Aber dass wir beide nicht genannt worden sind, ist die eigentliche Schweinerei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Legislatur debattieren wir das letzte Mal einen Haushaltsentwurf und der Regierungskoalition ist es gelungen, einen Haushalt der Superlative zu entwerfen:
Rot-Grün stellt einen sinnlosen Doppelhaushalt auf. Rot-Grün bricht die Verfassung schon bei der Aufstellung des Haushaltes. Und das ist noch viel spannender: Rot-Grün senkt die Investitionen weiter und preist das als Zukunftsinvestitionsprogramm an.
Die Landesregierung schlägt zum ersten Mal einen Haushalt für zwei Jahre vor, obwohl sie noch nicht einmal sichere Grundlagen für den ersten Januar des kommenden Jahres hat. Damit wird die rot-grüne Finanzpolitik endgültig zum Fantasy-Spiel.
Im Mai traute sich der neue unerfahrene Finanzminister - nach eigenen Worten kein Finanzfachmann - noch nicht einmal, seine Erwartungen für dieses Jahr auf die Mai-Steuerschätzung zu gründen. Jetzt visioniert er im Schuldenfieber über den Haushalt fürs übernächste Jahr, obwohl er selbst erklärt hat, dass er gar keine ausreichenden Daten für 2005 habe. Denn die einzigen Daten zu den Einnahmen des Landes für 2005 stammen aus genau der Steuerschätzung, die Herrn Dr. Stegner für 2003 zu unsicher war.
Herr Finanzminister, angesichts Ihrer Visionen zu den Zahlen für 2005 erinnere ich mich an einen Ausspruch von Helmut Schmidt, den sie vielleicht beherzigen sollten: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.
Das erste Mal in der Geschichte Schleswig-Holsteins schlägt die Landesregierung vor, die Kreditobergrenze schon zu überschreiten, bevor der erste Euro ausgegeben ist. Das ist der Höhepunkt der rot-grünen Schuldensucht - und über Suchtprävention haben wir erst gestern debattiert.
Wir sind seltsame Ankündigungen der Landeregierung gewohnt. Stets tönte sie bei der Haushaltsaufstellung, im nächsten Jahr mehr Schulden zu machen als im letzten, um damit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Schulden ab dem übernächsten Jahr senken zu können - spätestens im Jahr nach dem übernächsten. Bis vor zwei Jahren hat sie sich sogar getraut, ein Datum für einen Haushaltentwurf ohne neue Schulden zu nennen. Das war einmal.
Tatsächlich hat die Landesregierung immer nur das nächste Jahr erreicht und die Schulden des Landes von Jahr zu Jahr kräftig erhöht - übrigens völlig unabhängig von der konjunkturellen Lage: von 1991 bis 2002 um durchschnittlich 643 Millionen € pro Jahr. Rechnet man die beabsichtigten neuen Schulden für 2003 mit ein, sind es sogar 687 Millionen € jährlich.
Selbst in den beiden Jahren mit dem höchsten Wirtschaftswachstum seit der Wiedervereinigung hat RotGrün ungebremst neue Schulden gemacht: 1999 wuchs die schleswig-holsteinische Wirtschaftskraft real um 2,1 %. Die Schulden wuchsen um 609 Millionen €. 2000 wuchs die schleswig-holsteinische Wirtschaftskraft real um 2,3 %, die Schulden wuchsen um 591 Millionen €. Und so hat die Landesregierung Schleswig-Holstein an die Spitze der Schuldenstatistik katapultiert. Herr Kollege Kayenburg hat darauf bereits hingewiesen. In keinem anderen Flächenland in Westdeutschland werden einem Menschen so viele Schulden aufgebürdet wie bei uns von Rot-Grün: 6.305 € waren es 2002. Dieses Jahr sollen noch einmal 432 € dazukommen. Die Pro-Kopf-Verschuldung wächst um 6,9 % auf 6.747 €. Weihnachten steht vor der Tür und das ist das Geschenk von den rot-grünen Weihnachtsmännern und Weihnachtsfrauen - keine schöne Bescherung!
Die Investitionen des Landes werden unter Rot-Grün im Haushalt zur Randerscheinung. Bald werden wir beantragen müssen, sie unter Minderheitenschutz zu stellen. 1991 betrugen die Nettoausgaben des Landes
6,31 Milliarden €, die Investitionen 922 Millionen €. Die Investitionsquote betrug 14,6 %. Von da an ging es bergab. 2003 sollen die Nettoausgaben des Landes mit dem 2. Nachtrag 7,9 Milliarden € erreichen, die Investitionen 801 Millionen €. Die Investitionsquote würde 10,1 % betragen. Im Vergleich zu 1991 steigen die Nettoausgaben um 25,7 %, die Investitionen fallen um 13,2 %. Betrachten wir die Stegnerschen Phantasien in der Finanzplanung, wird das Ganze noch schlimmer. Bis 2007 sollen die Nettoausgaben auf 8,1 Milliarden € steigen und die Investitionen auf 675 Millionen € sinken. Die Investitionsquote betrüge dann nur noch 8,3 %.
Im Vergleich zu 1991 stiegen die Nettoausgaben um 28,3 %, die Investitionen fielen um 26,9 %. Bei einer Regierung und einem Fraktionsvorsitzenden der Mehrheitsfraktion, die erklären, wie wichtig Investitionen sind, eigentlich ein jämmerliches Bild!
Im Lichtblick dieser Zahlen müssen wir auch den Witz namens „ZIP“ bewerten. Die Ministerpräsidentin, der Wirtschaftsminister und der Finanzminister rühmen sich gegenseitig um die Wette, in den nächsten drei Jahren ein Programm von 100 Millionen € zusätzlichen Investitionen auflegen zu wollen. Die Betonung liegt auf „zusätzlich“, das heißt bekanntermaßen „mehr“. Nach den neuesten Eckwerten sollen die Investitionen in den nächsten drei Jahren sinken: von 801 Millionen € 2003 über 793 Millionen € 2004 und 776 Millionen € 2005 auf 766 Millionen € 2006. Damit fehlen in den kommenden drei Jahren im Vergleich zu 2003 im laufenden Jahr insgesamt 68 Millionen € Investitionen. Bei Frau Simonis, Herrn Dr. Rohwer und Herrn Dr. Stegner sind 68 Millionen € weniger gleich 100Millionen € mehr. PISA lässt grüßen.
Es ist kein Wunder, dass es dem Land immer schlechter geht, wenn sich die Regierung so schön rechnet und darauf auch noch stolz ist. Das alles zeigt: RotGrün kann nicht haushalten, Rot-Grün ist schuldensüchtig, Rot-Grün vergeht sich an der Zukunft unseres Landes. Deshalb muss Rot-Grün weg. Warten wir das Ergebnis doch einfach einmal ab.
Aber das Versagen der roten und rot-grünen Regierungskoalitionen und Landesregierungen zeigt sich nicht nur in den Zahlen des Haushalts. Unser Land leidet selbstverständlich mit. In der ersten Lesung dieses Gespensterhaushaltes habe ich Ihnen die traurige Wahrheit über die rot-grüne Depression in
Schleswig-Holstein bereits erläutert. Hier noch einmal die Zusammenfassung: Seit 1991 fällt SchleswigHolstein bei den entscheidenden Messgrößen wirtschaftlichen Erfolges immer schneller und immer weiter hinter den Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer zurück. Der Rückstand beim materiellen Wohlstand, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, ist von 4,5 % auf 15,6 % gestiegen. Inzwischen fehlen bei uns fast 3.300 € pro Einwohner zum Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Von 1991 bis 2002 wuchs der Wohlstand jährlich unterdurchschnittlich um 0,47 %, in den westdeutschen Flächenländern waren es jährlich 0,62 % oder 32 % mehr. Viel wichtiger, jedenfalls für jemanden, der wie Herr Professor Dr. Rohwer von Wirtschaftswissenschaften etwas versteht oder verstehen sollte: Von 1991 bis 2002 wuchs die Wirtschaftskraft Schleswig-Holsteins, gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt, jährlich durchschnittlich nur um 1,06 %.
Der Finanzminister selbst räumt in seinen Beileidsbriefen zum Nachtrag und zur Nachschiebeliste ein, dass Schleswig-Holstein knapp 2 % Wachstum jährlich braucht, nur damit die Beschäftigung nicht fällt. Wir reden gar nicht von einem Anstieg der Beschäftigung. Deshalb ergänze ich die Geschichte der rot-grünen Depression in Schleswig-Holstein heute um das Kapitel „Arbeit und ihr Verschwinden aus Schleswig-Holstein".
2 % jährliches Wachstum hat Schleswig-Holstein unter Rot und Rot-Grün seit 1991 genau dreimal erreicht, in zwölf Jahren, das macht eine Erfolgsquote von 25 %. In der Schule, in der Berufsausbildung und im Studium reichen regelmäßig 50 % der geforderten Leistung, um gerade noch zu bestehen. Mit 25 % der geforderten Leistung besteht man nicht. Das ist ungenügend.
Folgerung: Bei Rot-Grün reicht es gerade noch für die Schulnote Sechs. Mit einer Sechs bleibt man in der Schule sitzen. Von der Regierungsbank fliegt man. Das werden Sie im Februar 2005 erleben.
Angesichts der genannten Zahlen verwundert es nicht, dass auch der schleswig-holsteinische Arbeitsmarkt unter Rot-Grün überdurchschnittlich schlecht dasteht. Im November waren 134.058 Männer und Frauen in Schleswig-Holstein arbeitslos gemeldet. Das ist der traurige Höchststand in einem November
seit der Wiedervereinigung. Die Arbeitslosenquote in Schleswig-Holstein betrug gemessen an allen Erwerbspersonen 9,6 %. Das ist unter den westdeutschen Flächenländern die zweithöchste Quote nach Nordrhein-Westfalen - übrigens auch rot-grün-regiert. Gemessen an den abhängigen Erwerbspersonen betrug die Arbeitslosenquote in Schleswig-Holstein 10,6 %. Das ist der Spitzenplatz unter den westdeutschen Flächenländern. Die Vergleichswerte für die westdeutschen Flächenländer lauten 8,1 % und 9,0 %. Damit liegt Schleswig-Holstein bei beiden gängigen Messwerten für die offizielle Arbeitslosigkeit fast 20 % höher als der Durchschnitt.
Das ist selbstverständlich eine Momentaufnahme, die Aufnahme eines schlimmen Moments. Aber die längerfristige Entwicklung ist ebenso schlimm, Herr Minister. Von 1991 bist 2002 stieg die Zahl der arbeitslosen Menschen in Schleswig-Holstein von Jahr zu Jahr an. 1991 waren es im Durchschnitt gut 80.000, im Jahre 2002 knapp 122.000, das ist eine Steigerung der durchschnittlichen jährlichen Arbeitslosigkeit von fast 51 %. Folgerung: Unter Rot-Grün wird Schleswig-Holstein immer arbeitsloser.
Bei der Beschäftigung sieht die Entwicklung genauso schlimm aus: Von 1991 bist 2002 stieg die Zahl der Erwerbstätigen im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer um 4,7 %. In Schleswig-Holstein um 2,4 %. Das ist gerade einmal die Hälfte des westdeutschen Durchschnitts. Von 1991 bist 2002 stieg die Zahl der unselbstständigen Arbeitnehmer im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländern um 4,4 %, in Schleswig-Holstein nur um 1,7 %. Das ist etwas mehr als ein Drittel des westdeutschen Durchschnitts. Von 1991 bist 2002 stieg die Zahl der Einwohner im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer um 5,4 %, in Schleswig-Holstein um 6,6 %. Das ist fast ein Viertel mehr als der Durchschnitt.
Seit 1991 ist die Bevölkerung in Schleswig-Holstein fast dreimal so schnell gewachsen wie die Zahl der Erwerbstätigen und fast viermal so schnell wie die Zahl der unselbstständigen Arbeitnehmer. Das ist der Stoff, aus dem demographische Krisen entstehen, und die Ministerpräsidentin - übrigens auch Volkswirtin - rühmt sich dieser Krise ein ums andere Mal, wenn das Statistische Landesamt die neuesten Bevölkerungsdaten veröffentlicht. So zum Beispiel am 18. Juni 2003 hier im Landtag - ich zitiere -:
„Schleswig-Holstein wird immer beliebter... So viele Einwohner wie noch nie. Unsere Bevölkerung nimmt zu. Die Leute können doch nicht dümmer sein, als Sie sie machen wollen. Die ziehen doch nicht in so ein Armutsland... Diese Menschen kommen nach
Frau Ministerpräsidentin, es scheint mir, dass die Wirklichkeit einen großen Bogen um Sie macht: Die Daten deuten nicht darauf hin, dass die Menschen zum Arbeiten nach Schleswig-Holstein kommen; sie kommen hierher, um ihren Lebensabend und die Früchte ihres Arbeitslebens zu genießen. In Schleswig-Holstein sehen wir die Vorboten der demographischen Entwicklung besonders deutlich: Ein immer kleinerer Anteil der Menschen erwirtschaftet den Kuchen für alle und die Kuchenstücke werden deshalb immer kleiner. Das ist kein Ausweis erfolgreicher Politik, das ist das Ergebnis falscher Politik.
Scheinbar ist dies auch dem Wirtschaftsminister entgangen. Kurz nach der ersten Lesung des Haushaltes erklärte er mir, meine Folgerungen aus den wirtschaftlichen Daten seien falsch, weil der Anteil Schleswig-Holsteins am deutschen Bruttoinlandsprodukt kaum gesunken sei. Herr Minister Professor Dr. Rohwer, ein fast konstanter Anteil SchleswigHolsteins an der deutschen Wirtschaftskraft ist kein Ausweis wirtschaftlicher Stärke, wenn die Bevölkerung Schleswig-Holsteins im gleichen Zeitraum doppelt so schnell gewachsen ist wie in Deutschland. Es ist ein weiteres Anzeichen für einen relativen Abstieg unseres Landes im Vergleich zu anderen.
Es gibt keinen Zweifel: Schleswig-Holstein fällt im Vergleich mit den westdeutschen Flächenländern immer weiter zurück. Das stellen nicht nur wir, das stellen jetzt verstärkt und immer mehr auch andere fest. Ich kenne keine Studie, die dieses Ergebnis widerlegt, aber fünf neue, die es stützen. Im September veröffentlichte die Vereins- und Westbank die Studie „Norddeutsche Wirtschaftsprofile Schleswig-Holstein". Tenor: Schleswig-Holsteins Wirtschaft entwickelt sich noch schlechter als die deutsche Wirtschaft. Im November veröffentlichte die Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ - Kollege Kayenburg hat darauf hingewiesen - die Studie „Spieglein, Spieglein, wer ist der Beste im ganzen Land - die Bundesländer im Vergleich". Die Bundesländer wurden anhand von 15 Indikatoren verglichen, die zu einem Index zusammengefasst wurden. Gewinner ist Bayern mit 129,9 Punkten. Der Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer beträgt 117 Punkte. In dieser Gruppe erreicht Schleswig-Holstein mit 102 Punkten nur den letzten Platz, 13 % hinter dem Durchschnitt, 21 % hinter Spitzenreiter Bayern.
Ein weiterer Index beschreibt die wirtschaftliche Dynamik der Länder. Hier ist das Saarland der Sieger mit 116 Punkten. Der Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer beträgt 105 Punkte. Schleswig-Holstein erreicht mit 101,8 den vorletzten Platz. Dahinter liegt nur noch Nordrhein-Westfalen. - Ich sagte schon, ebenfalls rot-grün-regiert.
Ebenfalls im November veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung ihr aktualisiertes Bundesländerstandortranking. Auch hier hat sich Schleswig-Holstein bei den Ergebnissen über die Lage und den Wirkungen der Landespolitik verschlechtert.
Ebenfalls im November veröffentlichte das Statistische Bundesamt seine Untersuchung „40 Jahre Sozialhilfe in Deutschland“. Die Zahlen sind interessant. 1997 hatte Schleswig-Holstein mit 4,5 % die zweithöchste Sozialhilfequote der westdeutschen Flächenländer und lag gut 22 % über deren Durchschnitt von 3,7 %. 2002 hatte Schleswig-Holstein mit 4,3 % die höchste Sozialhilfequote der westdeutschen Flächenländer und lag gut 26 % über deren Durchschnitt von 3,4 %.