Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Ebenfalls im November veröffentlichte das Statistische Bundesamt seine Untersuchung „40 Jahre Sozialhilfe in Deutschland“. Die Zahlen sind interessant. 1997 hatte Schleswig-Holstein mit 4,5 % die zweithöchste Sozialhilfequote der westdeutschen Flächenländer und lag gut 22 % über deren Durchschnitt von 3,7 %. 2002 hatte Schleswig-Holstein mit 4,3 % die höchste Sozialhilfequote der westdeutschen Flächenländer und lag gut 26 % über deren Durchschnitt von 3,4 %.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Weil wir sozialer sind!)

Ergebnis: Im Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern fällt Schleswig-Holstein auch hier zurück, was das Land überproportional viel Geld kostet, nämlich für Sozialhilfeausgaben wegen der mangelnden Wirtschaftskraft wie auch wegen der mangelnden Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt aufzubringen hat.

(Beifall bei der FDP)

Im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer betrugen im Jahre 2002 die Sozialhilfeausgaben 269 € pro Einwohner. In Schleswig-Holstein waren es 336 € pro Einwohner oder 25 % mehr. Ist das ein Ausweis erfolgreicher 17-jähriger sozialdemokratisch geführter Politik? Für mich und mit Sicherheit auch für die Menschen dieses Landes nicht.

(Beifall bei der FDP)

Im Dezember veröffentlichte die Vereins- und Westbank die Studie „Norddeutschland - ein Standort mit Stärken und Schwächen“. Ergebnis: Die norddeutschen Bundesländer sind auf den verschärften Standortwettbewerb nach der Osterweiterung der EU schlecht vorbereitet. Schuld sind mangelnde Infrastrukturinvestitionen und mangelnde Innovationsfähigkeit. Schleswig-Holstein schneidet schlechter ab als Norddeutschland insgesamt.

(Wolfgang Kubicki)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse der Studien lassen sich so zusammenfassen: SchleswigHolstein hat sich unterdurchschnittlich entwickelt. Schleswig-Holstein steht im Vergleich schlecht da. Die Aussichten für Schleswig-Holstein werden kaum besser. Die Politik beeinflusst die Entwicklung von Gesellschaften. Denn sie setzt die Rahmenbedingungen für diese Entwicklung, genauer: Die Regierungsmehrheit setzt die Rahmenbedingungen. Die vergleichsweise schlechte Entwicklung in SchleswigHolstein hat auch hier die Regierungsmehrheit zu verantworten. Der Finanzminister macht immer häufiger die Opposition für die schlechte Regierungspolitik verantwortlich. Anscheinend ist er nicht nur kein Finanzfachmann.

Aber das ändert nichts an den Tatsachen: Rot-Grün kann nicht haushalten. Rot-Grün ist schuldensüchtig. Herr Kayenburg, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Rot-Grün vergeht sich an den Zukunftschancen unseres Landes.

(Beifall bei FDP und CDU)

Rot-Grün hat drei Probleme: kein Geld, keine Ahnung, kein Konzept.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deshalb muss Rot-Grün weg. Herr Kollege Hay, warten wir einmal, wie lange die SPD braucht, um die Frage der Veräußerung der Anteile an der HSH Nordbank umzusetzen. Ich kann mich noch an die Debatten erinnern, wo mein Freund Günter Neugebauer erklärt hat, niemals werde es eine Privatisierung der Landesbank geben. Das sei der Ausverkauf von Landesinteressen. Dann würden die Mitarbeiter drangsaliert und in die Verelendung gestoßen werden. Die arme Mutti könnte ihre Filiale nicht mehr benutzen. Es dauerte ein halbes Jahr und plötzlich war der Gleiche, der vorher gesagt hat, nie werde das passieren, der Erste, der gesagt hat: Eigentlich waren wir immer schon für die Privatisierung. Auch hier sage ich Ihnen voraus: Spätestens wenn Sie in der Opposition sind und Vorschläge unterbreiten müssen, die etwas umfassender sind als die, die Sie gegenwärtig vorbereitet haben, werden Sie sich unserer Überlegung anschließen, die Anteile an der HSH Nordbank zu veräußern. Übrigens wird das NordrheinWestfalen mit der WestLB vor uns tun, und zwar relativ zügig, weil die relativ viel Geld brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer es bis jetzt nicht geglaubt hat, muss sich nur den vorliegenden Doppelhaushalt anschauen und gleichzeitig die verräterische Hast berücksichtigen, mit der dieser Haushalt durchs Parlament gepeitscht wird.

Im Vermittlungsausschuss werden gerade 3.000 Seiten dicke Gesetzentwürfe beraten - übrigens heute in Abwesenheit des sehr bedeutenden Finanzministers von Schleswig-Holstein -, mit dem Bundesfinanzminister die Fragen der Steuerreform 2004/2005, die von der rot-grünen Bundesregierung als eine weitere Jahrhundertreform angepriesen werden. Über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses wird am 19. Dezember im Bundesrat beschlossen. Die finanziellen Wirkungen auf unseren Haushalt kann man erst danach berechnen, gerade weil so viel auf einmal verändert werden könnte. So lange möchten die rotgrünen Fraktionen in Schleswig-Holstein nicht warten. Ob die Landesregierung das möchte, ist uninteressant. Denn in Schleswig-Holstein beschließt der Landtag über den Landeshaushalt, nicht der Finanzminister. Aber die rot-grünen Fraktionen haben kein Rückgrat. Sie geben - Herr Kayenburg, auch da stimme ich Ihnen zu - das Königsrecht des Parlamentes freiwillig preis. Sie machen sich zu Erfüllungsgehilfen einer - von mir so bezeichneten - unfähigen Landesregierung, die sich von einem lauten, aber fachfremden Finanzminister treiben lässt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ihnen sind die Auswirkungen des Vermittlungsverfahrens egal, Hauptsache, Sie müssen nicht darüber entscheiden und nächstes Jahr dafür öffentlich Verantwortung übernehmen. Das alles versuchen Sie damit zu überdecken, dass Sie die Bedürfnisse der Empfänger von Fördergeldern vorschieben, die ihre Bewilligungsbescheide regelmäßig ohnehin erst im Frühjahr bekommen und nicht am 1. Januar eines Jahres.

Auch wegen dieser Feigheit im Amt werden Ihnen die Menschen im übernächsten Jahr die Verantwortung wegnehmen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir halten diesen Haushaltsentwurf für verfassungswidrig, und zwar unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Lage. Mit diesem Entwurf verstößt die Landesregierung gegen die Verfassung, weil sie die Grundsätze von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit aufs Gröbste verletzt. Wer diesem Haushalt zustimmt, bricht auch die Verfassung. Das werden wir nicht tun. Das haben wir bereits erklärt. Wir werden Rot-Grün allerdings nicht beim Bundesverfassungsgericht verklagen. Das würde erst entscheiden, wenn diese Legislaturperiode Geschichte ist. Wir werden die Betroffenen über diesen Verfassungs

(Wolfgang Kubicki)

bruch und die dafür Schuldigen richten lassen, die Menschen in Schleswig-Holstein im Februar 2005.

(Beifall des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Lassen Sie mich abschließend auf eine wundersame Vermehrung von Mitteln aus Programmen der Landesregierung zu sprechen kommen, die im virtuellen Bereich bestehen. Denn dafür haben wir bisher keine Erklärung. Ich erwarte von der Landesregierung, dass wir eine Erklärung bekommen. Herr Kollege Kayenburg hat es angesprochen. Herr Kollege Hay stellt sich hin und sagt, durch die 100 Millionen € „ZIP“ sollen 800 Millionen € weitere Investitionen ausgelöst werden.

(Klaus Schlie [CDU]: 809!)

- 809,5. Die Ministerpräsidentin lässt durch die Regierungspressestelle verbreiten: Mit insgesamt 100 Millionen € können Gesamtinvestitionen von 359 Millionen € ausgelöst werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Netto!)

Sie fährt fort: Damit werden wir Bildung, Forschung, wirtschaftliche Infrastruktur und so weiter sichern. Wo gehen aber die anderen 400 Millionen hin? Was wird damit gemacht? Sie wollen mit 100 Millionen 350 Millionen auslösen, der andere will 800 Millionen auslösen. Warum eigentlich nicht 1,2 Milliarden oder 3,6 Milliarden? Es würde sich einfach noch schöner anhören, wenn man so etwas auf den Markt der Meinungen bringen würde.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir haben im Untersuchungsausschuss gelernt, dass die Ministerpräsidentin weder ordentlich unterrichtet wird noch dass die Regierungszentrale einigermaßen funktioniert. Dass das im Plenum auch noch dokumentiert wird, halte ich in der Tat für ein Novum. Es ist aber immerhin beachtenswert, dass die Regierung auf diese Art und Weise dokumentiert, dass sie selber mit ihrem eigenen Zahlenwerk nicht umzugehen versteht.

Herr Kollege Hay, Sie haben die Union und uns aufgefordert, den Untersuchungsausschuss zu beenden. Das machen auch viele Journalisten. Ich will Ihnen sagen, warum uns Journalisten auffordern, ihn zu beenden. Sie haben gesagt: Ihr habt nur festgestellt, dass diese Regierung unfähig ist. Das wussten wir schon vorher. Das ist nichts Neues. Dafür brauchen wir keinen Untersuchungsausschuss. Es stimmt: Dafür haben wir das Plenum.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion wird dem Haushalt, der jetzt durchgepeitscht wird, insgesamt nicht zustimmen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Tribüne als Gast den Vorsitzenden des DGB-Landesbezirks Nordmark, Herrn Peter Deutschland. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen habe ich eine interessante Beobachtung gemacht. Während Herr Kayenburg in donnernden Reden die Verschwendungssucht der Regierung geißelt und den radikalen Sparwillen der CDU propagiert, lebt der Rest der CDU einschließlich ihres Vorsitzenden in einer Märchenwelt. In dieser Märchenwelt sitzt die Ministerpräsidentin in Kiel auf wachsenden Steuereinnahmen, die sie aber den armen Menschen im Lande vorenthält. Der gute Herr Carstensen verspricht den Menschen dagegen goldene Zeiten nach dem Regierungswechsel. So etwas nenne ich Haushaltsschizophrenie.

Auf dem CDU-Parteitag in Rendsburg hat die CDU einen Antrag zur Wirtschaftspolitik beschlossen, in dem fast jede konkrete Zahl falsch ist. Ich habe das überprüft.

Das Land Schleswig-Holstein habe die meisten Beschäftigten im öffentlichen Dienst, heißt es da, 55 Beschäftigte auf 1.000 Einwohner. Ein Blick in die Statistik zeigt aber: Nur 21 von diesen 55 Beschäftigten sind im Landesdienst.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von dem Rest arbeiten 16 beim Bund, vor allem bei der Bundeswehr, mehr als in den anderen Ländern. 18 arbeiten bei den Kommunen, so viel wie in keinem anderen Bundesland.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Falsche Zahlen, Herr Carstensen.

Das Wachstum der Zahl der Arbeitsplätze von 1999 bis 2001 in Schleswig-Holstein liegt nach Auskunft der CDU einen Prozentpunkt unter dem Bundes

(Karl-Martin Hentschel)

durchschnitt. Tatsächlich liegt das Wachstum mehr als doppelt so hoch und lag sogar über dem Bundesdurchschnitt. Carstensen hat einfach die Zahl der Beschäftigten und nicht die der Arbeitnehmer genommen. Diese ist aber geringer geworden, weil die Zahl der Pendler und Pendlerinnen in andere Bundesländer abgenommen hat. Das sind falsche Zahlen, Herr Carstensen!

Carstensen behauptet, Schleswig-Holstein gebe kein Geld für die Bildung aus. Das Wachstum von 1998 bis 2001 liege bei 0,6 %. Komisch. Nach dem Statistischen Jahrbuch von Schleswig-Holstein wachsen die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur in diesem Zeitraum weit über dem Schnitt der anderen Länder. Also: Falsche Zahlen, Herr Carstensen!

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weiter: Die Steuereinnahmen sind laut Carstensen seit 1988 bis heute stetig gewachsen. Tatsache ist: Die Steuereinnahmen von 2003 liegen nach der letzten Schätzung bei 5,2 Milliarden €, also unter den Einnahmen von 1998. Als Quelle dieser Zahlen wird überwiegend die Landesregierung Hessen angegeben. Warum kann nicht jemand aus der CDU Ihrem Chef das Statistische Jahrbuch von Schleswig-Holstein schenken? Schließlich will er doch hier Politik machen.