Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Nach meiner Wahrnehmung ist es unstrittig, dass ein Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden muss. Strittig sind zwei Fragen: Erstens der Zeitpunkt der Ausweisung des Gebietes und die Meldung, zweitens der Umfang dieses Gebietes. Beide Fragen sind aber nicht die entscheidenden. Entscheidend ist, welche wirtschaftlichen Folgen dadurch ausgelöst werden. Hier besteht ja die Befürchtung, dass mit naturschutzfachlich begründeten Bewirtschaftungsauflagen bald Schluss mit einer gewinnbringenden Flächennutzung ist.

Wichtig ist aber - das muss man wissen - auch aus der Sicht des Naturschutzes, dass die Landwirtschaft als Garant für den Erhalt dieser einzigartigen Kulturlandschaft weiter wirtschaften kann. Das bedeutet, dass weiterhin in der Landwirtschaft auch Geld verdient werden muss; sonst kann sie schließlich nicht stattfinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Nichtnutzung, die Sukzession - vielleicht haben Sie den Brief von Rolf Hach auch in dem Punkt gelesen -, ist Gift für Wiesenvögel.

Ich wiederhole: Beide Seiten, Naturschutz und Landwirtschaft, haben ein Interesse an dem Erhalt landwirtschaftlicher Flächennutzung. Vor diesem Hintergrund muss der Naturschutz die Wirtschaftsinteressen der Landwirtschaft verstehen und umgekehrt muss die Landwirtschaft die naturschutzfachlichen Anliegen verstehen.

Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, dass heute niemand genau vorhersagen kann, was die Entkoppe

lung der Produktion von den landwirtschaftlichen Prämien, die freie Marktentwicklung, in der Zukunft bringt.

Wer sagt aber denn, wenn zugunsten des Naturschutzes mehr gemacht wird, dass dies zu einer Minderung des Einkommens führen muss? Schon heute fließt über den Vertragsnaturschutz nicht wenig Geld nach Eiderstedt.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident.

Herr Friedrichsen hat draußen in der Versammlung erklärt: Politische Mehrheiten sind dem Gemeinwohl und allen Schleswig-Holsteinern verpflichtet. - Das ist nur zu unterstreichen. Das ist auch meine Sicht und ich bin mir sicher, dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen werden, die von allen Seiten akzeptiert wird.

Herr Präsident, darf ich noch einen kleinen Satz hinzufügen. Ich träume davon, dass wir vielleicht das einmal hinkriegen, was Hans Wiesen gegen die EUFörderung vergeblich versucht hat durchzusetzen, nämlich ein Qualitätsfleischvermarktungsprogramm für den Eiderstedter Weidemastochsen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das könnten wir im Rahmen der Entkoppelung der landwirtschaftlichen Produktion vielleicht wieder marktgerecht installieren.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist keine leichte Übung, Herr Minister, aber ich denke, darüber sollten wir noch einmal nachdenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, Sie sollten die weihnachtliche Großzügigkeit des Präsidiums nicht überstrapazieren.

Jetzt hat zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Ursula Sassen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Eiderstedter brauchen keinen Naturschutz durch Ordnungsrecht. Eiderstedter sind Naturschützer.

(Beifall bei CDU und FDP)

Recht haben sie, die Eiderstedter. Über viele Jahre hinweg haben sie sich für den Schutz der Trauersee

(Ursula Sassen)

schwalbe eingesetzt und sollen nun dafür bestraft werden. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, Sie haben in der Dreilandenhalle in Garding einen schlechten Eindruck hinterlassen. Sie haben gleich zu Beginn der Veranstaltung angekündigt, dem Kabinett vorzuschlagen, ganz Eiderstedt als Vogelschutzgebiet auszuweisen und dies, ohne die Argumente der Betroffenen zu hören. Ich würde gerne wissen, was Sie denn jetzt dem Kabinett vorzuschlagen gedenken. Wenig transparent und nahezu schlampig sind Sie meiner Meinung mit der Frage der Gebietsmeldung für FFH und Vogelschutz umgegangen. Da Sie - Frau Todsen-Reese hat es angesprochen - in Garding auf dem Podium von Frau Brahms noch korrigiert werden mussten, dass es sich nicht um geeignete, sondern in der Tat nur um die geeignetsten Flächen handeln muss - ich saß unten und habe es gehört -, wage ich, Ihre Kompetenz in dieser Sache zu bezweifeln.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nach meinem Kenntnisstand ist von der EUKommission überhaupt nicht definiert, welches Bundesland wie viele Flächen melden soll. Es hängt also auch von Ihrer Argumentation ab, welche Gebiete gemeldet werden müssen. Darauf bauen wir.

(Beifall bei CDU und FDP)

Gar kein Verständnis habe ich für Schattenlisten der Naturschutzverbände. Mit welchem Recht tun sie dies? Dies weckt Begehrlichkeiten, die sich mit den regionalen Gegebenheiten nicht vereinbaren lassen.

Herr Minister, Sie sind offensichtlich nur unter großem Druck der Bevölkerung bereit, sich dahin zu bewegen, ihr das zu geben, was ihr zusteht. Sie nehmen in Kauf, dass die Region Eiderstedt einen Wettbewerbsnachteil erfährt, der abgemildert werden muss und abgemildert werden kann. Erste Signale haben Sie ja heute gesetzt. Weiter so!

Es ist unglaublich, dass Sie mit Ihrem Fachkonzept zum Auswahlverfahren der besonderen Schutzgebiete eine solche Geheimniskrämerei betrieben haben. - Ich komme gleich zum Schluss. - Oder soll dieses simple Papier, das wir nun haben, das Fachkonzept sein, dürftig und ebenso wenig überzeugend wie alles, was Sie bisher dazu gesagt haben?

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich fordere Sie auf, die für Januar vorgesehene Meldung an das Kabinett gründlich zu überarbeiten und eine sach- und fachgerechte Bewertung vorzulegen, die wir in den Ausschüssen diskutieren können. Dann

sind Sie auch als Landwirtschaftsminister für Eiderstedt zu gebrauchen. Eine Falschmeldung brauchen wir nicht!

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt der Abgeordnete Konrad Nabel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit ein paar Vorbemerkungen beginnen.

Erstens. Die Sorgen der betroffenen Menschen auf Eiderstedt gehen an uns nicht irgendwo vorbei, wie uns das immer wieder vorgeworfen wird. Gerade als Sozialdemokrat geht es mir darum, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben und dass Menschen weiterhin ein Einkommen aus ihrer eigenen Fläche haben sollen und dürfen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das ist unglaublich! - Zuruf von der FDP: Das ist Sozialismus pur!)

Zweitens. Gleichzeitig gilt: Nur eine Entwicklung, die im Einklang steht mit ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen, ist zukunftsfähig. Wir wollen, dass es solche Entwicklungen auch den kommenden Generationen ermöglichen, in dieser Art und Weise zu wirtschaften.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das heißt, wir müssen sorgsam mit unseren Menschen, aber auch mit der Natur und der Landschaft umgehen.

Drittens. Das europäische Recht gilt zurzeit in 15 Ländern. Ab dem Frühjahr nächsten Jahres werden es 25 Länder sein. Das europäische Recht wird jetzt in den Beitrittsländern Stück für Stück umgesetzt, damit in allen europäischen Ländern gleiches Recht gilt, um den Versuch zu machen, die Lebensbedingungen anzugleichen.

(Zuruf von der CDU: Anzunähern!)

- Um den Versuch zu machen. Herr Kollege, Sie hätten besser zuhören sollen. - Darum geht es natürlich auch bei den Europäischen Richtlinien, bei der FloraFauna-Habitat-Richtlinie oder bei der Vogelschutzrichtlinie. Das brauche ich, glaube ich, Frau TodsenReese, Frau Sassen und auch anderen „Umweltkenntlichen“ in diesem Raum nicht zu erklären, dass die

(Konrad Nabel)

Vogelschutzrichtlinie außer dem Naturschutzfachlichen keinerlei Spielräume lässt. Das sage ich auch ganz deutlich an die Adresse meines Kollegen Wolfgang Baasch aus Lübeck. Das ist zu bedauern. Wir können viel bedauern, aber wir können es nicht ändern. Wir können auch nicht, wie der CDU-Antrag glauben macht, als Schleswig-Holstein die Vogelschutzrichtlinie aus Brüssel einfach ändern. Das geht nicht, meine Damen und Herren, und das ist ab Frühjahr nächsten Jahres noch viel schwieriger, weil dann 25 Partner dabei sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was hat er gegen dich? - Wolfgang Baasch [SPD]: Zumindest keine Ahnung von Arbeitsplätzen!)

Meine Damen und Herren, Deutschlandweit gilt die Halbinsel Eiderstedt als das größte und bedeutsamste Brutgebiet für Wiesenvögel, genauer gesagt für Feuchtwiesenvögel oder Limikolen, wie sie im Fachdeutsch heißen. Es geht nicht alleine um die Trauerseeschwalbe, auf die sich der Kollege Harms, obwohl ich weiß, er wüsste es besser, konzentriert hat. In diesem Bereich gibt es nur drei verschiedene Möglichkeiten. Diese will ich einmal aufzählen.

Die erste ist die bequemste: Wir machen gar nichts und bekommen eine Vertragsstrafe und gleichzeitig eine Androhung aus Brüssel im Hinblick auf die Auszahlung der Beihilfen. Das gilt dann auch wieder für Lübeck und auch für den Europäischen Sozialfonds genauso wie für die Landwirtschaft, meine Damen und Herren.